Die Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetze ist zum ersten Mal zusammengekommen und die Protagonisten markieren ihr Revier. Außerdem in der heutigen Presseschau: Der BGH zu Enthauptungsvideos, die Gema prozessiert gegen Youtube, Island haftet nicht für eine insolvente Privatbank und ein Beitrag zu Terminschwierigkeiten bei Gericht.
Überprüfung der Sicherheitsgesetze: Anlässlich der konstituierenden Sitzung der Regierungskommission zur Überprüfung der Anti-Terror-Gesetze haben die gemeinsamen Leiter erste Wegmarken abgesteckt. Während Innenminister Friedrich (CSU) sich dafür ausspricht, den Sicherheitsbehörden zusätzliche Befugnisse zu gewähren, um auf neue Bedrohungslagen angemessen reagieren zu können, will Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) Überschneidungen und Mehrfachzuständigkeiten abbauen. Die taz berichtet.
Reinhard Müller (FAZ) überschreibt seinen Kommentar mit "Zank" und prognostiziert, dass sicherheitspolitische Themen nicht wahlentscheidend sein werden. Daher sei auch nicht mit einer Änderung der Sicherheitsarchitektur, "die eine Kommission pensionierter und aktiver Staatsdiener nun überprüfen soll", zu rechnen.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Reform der Ökostrom-Umlage: Über den Vorschlag des Bundesumweltministers Peter Altmaier (CDU) zur Begrenzung der nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu zahlenden Umlage für die Förderung des Ökostroms berichtet das Handelsblatt (Jürgen Flauger/Thomas Sigmund) auf seiner Titelseite.
In einem Kommentar begrüßt Jasper von Altenbockum (FAZ) Altmaiers Vorstoß. Der Zweck des Gesetzes, die Emanzipation der erneuerbaren Energien, sei längst erreicht. Mittlerweile könne das EEG nur noch als "Synonym einer absurden Energiepolitik" gelten. Gleichwohl seien die Chancen einer Gesetzesänderung noch vor der Bundestagswahl wegen der Zustimmungspflicht des Bundesrates nur gering.
Vermittlungsausschuss zu Streubesitzdividenden: Einem Bericht der FAZ (Wirtschaftsteil) zufolge berät der Vermittlungsausschuss über die Einführung einer neuen Steuer auf Streubesitzdividenden. Nach der bisherigen Rechtslage müssten ausländische Gesellschaften eine solche auf Erträge aus kleineren Beteiligungen von weniger als 10 Prozent abführen - inländische jedoch faktisch nur in minimaler Höhe. Diese Praxis sei vom Europäischen Gerichtshof 2011 als europarechtswidrig gerügt worden. Ursprüngliche Pläne der Bundesregierung, Steuergleichheit durch eine Ausweitung der Steuerfreiheit herzustellen, hätten den Widerstand der Länder mobilisiert, woraufhin nun an einer Angleichung der Sätze auch für inländische Unternehmen gearbeitet würde.
Vorratsspeicherung von Reisedaten: netzpolitik.org (Alexander Sander) setzt sich kritisch mit der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zur Ausdehnung der Fluggastdaten-Überwachung auf Bahnreisen auseinander. Auf der Ebene des Europäischen Rats der Justiz- und Innenminister werde eben diese diskutiert. Obwohl auf Seiten der Bundesregierung erhebliche Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bestünden, hätten sie diese im Rat nicht zur Sprache gebracht. Deutschland stünde in der Verpflichtung, dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten auch im Reiseverkehr volle Geltung zu verschaffen.
Weitere Themen - Justiz
BGH zu Terrorhelfer: Wer Enthauptungsvideos von Al-Kaida ins Netz stellt, macht sich dadurch nicht zwangsläufig wegen Unterstützung einer Terrororganisation strafbar. Diese erst jetzt bekannt gewordene Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem letzten Jahr, mit der ein Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz teilweise aufgehoben wurde, kritisiert Holger Schmidt im SWR-Terrorismus-Blog.
LG Detmold – Ehrenmord: spiegel.de (Jörg Diehl) berichtet über den Prozess gegen den Vater einer 2011 durch einen so genannten Ehrenmord Getöteten. Mehrere Geschwister des Opfers seien im letzten Jahr wegen Mordes und Geiselnahme sowie Beihilfe verurteilt worden, der Vater sei nun wegen Anstiftung zum Mord angeklagt.
LG Hamburg – Sexy Cora: Im Prozess um den Tod der Pornodarstellerin "Sexy Cora" vor dem Landgericht Hamburg hat die wegen fahrlässiger Tötung angeklagte Narkoseärztin schwere Versäumnisse eingeräumt, berichtet die SZ (Charlotte Frank). So habe sie während der Operation den Herzstillstand von Carolin Wosnitza, so der bürgerliche Name der Verstorbenen, nicht rechtzeitig bemerkt. Nach Aussage eines Sachverständigen habe die Angeklagte ihre Sorgfaltspflichten gröblich verletzt. Das Urteil werde in einer Woche erwartet.
LG Stuttgart – Winnenden-Prozess: Im Revisionsverfahren gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden vor dem Landgericht Stuttgart wird am Freitag ein Urteil gefällt, meldet die FAZ (Rüdiger Soldt). In ihrem Schlussplädoyer forderte die Verteidigung Straffreiheit. Zwar habe der Angeklagte Waffen und Munition ordnungswidrig verwahrt, wegen der physischen und psychischen Folgen der Ereignisse solle jedoch von einer Bestrafung abgesehen werden. Staatsanwaltschaft und Nebenklage beantragten die Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe.
Gema gegen Youtube: Wie angekündigt hat die Verwertungsgesellschaft Gema beim Landgericht München Unterlassungsklage gegen die Internet-Videoplattform Youtube, eine Google-Tochtergesellschaft, eingereicht, meldet die FAZ unter Bezugnahme auf einen Bericht der Wirtschaftswoche. Hintergrund sei der von der Gema monierte Youtube-Hinweis auf nicht eingeräumte Rechte in gesperrten Videos.
Weitere Themen – Recht in der Welt
EFTA-Gerichtshof zu isländischer Staatshaftung: Der Gerichtshof der europäischen Freihandelsassoziation Efta mit Sitz in Luxemburg hat am Montag eine Haftung Islands für die durch die Insolvenz einer Privatbank im Jahr 2008 entstandenen Verluste britischer und niederländischer Anleger verneint. Zwar habe sich das isländische Bankeneinlagengarantiesystem als unzureichend erwiesen, eine hilfsweise Staatshaftung komme jedoch wegen des Fehlens einer ausdrücklichen Regelung in der EU-Bankendirektive nicht in Betracht. Über den Rechtsstreit berichtet die taz (Reinhard Wolff).
Chile – Colonia Dignidad: Der oberste Gerichtshof Chiles hat letztinstanzlich mehrere deutsche Mitglieder der berüchtigten Sektensiedlung Colonia Dignidad wegen der Beteiligung an Misshandlungen und sexuellen Missbrauchs anderer Kolonie-Mitglieder zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, meldet lto.de. Unter den Verurteilten befinde sich auch der frühere Arzt der Siedlung, der 2011 nach Deutschland geflüchtet sei und nicht ausgeliefert werde.
China – Umerziehungslager: Den Fall eines Provinzfunktionärs nimmt die FAZ (Petra Kolonko) zum Anlass, die Praxis der "Umerziehung durch Arbeit" in chinesischen Straflagern darzustellen. Seit kurzer Zeit würden sich Hinweise auf eine Reform der aus der Mao-Zeit stammenden Strafform verdichten, chinesische Kritiker blieben gleichwohl skeptisch.
Indien – Reform des Sexualstrafrechts: Ein Komitee unter Leitung des ehemaligen Präsidenten des Obersten Gerichtshofes in Indien hat Vorschläge zu einer Reform des Sexualstrafrechts vorgelegt, berichtet die FAZ (Michael Radunski). Über den aktuellen Vergewaltigungsfall hinaus befassten sich die Vorschläge auch mit weiteren Formen sexuelle Gewalt, etwa durch Stalking; die Todesstrafe für Vergewaltiger werde indes explizit abgelehnt.
Mali - Militärintervention: Der Rechtswissenschaftler Oliver Daum analysiert auf lto.de die völkerrechtlichen Aspekte des Einsatzes französischer Soldaten in Mali. Zwar gebe es kein legitimierendes Mandat des UN-Sicherheitsrates, weil Frankreich aber auf Einladung der malischen Regierung gegen ausländische Eindringlinge kämpfe, sei der Einsatz durch das Völkerrecht gedeckt.
Sonstiges
Überprüfung von Gesellschaftsverträgen: In einem längeren Gastbeitrag im Finanzteil der FAZ empfehlen die Rechtsanwälte Frank Hannes und Christian von Oertzen eine regelmäßige Überprüfung wichtiger Verträge auch in Familiengesellschaften. Als Gründe hierfür zählten tatsächliche Veränderungen, etwa im Gesellschafterbestand oder die Änderung des Gesellschaftszwecks. Zudem könnten Änderungen der steuerlichen Rahmenbedingungen, wie sie etwa durch die Erbschaftsteuerreform entstanden seien, Anlass zu einer Anpassung von Gesellschaftsverträgen bieten.
Steuerlicher Abzug von Umzugskosten: Marko Wieczorek, Chefredakteur von Der Betrieb, erläutert in einem Gastbeitrag im Handelsblatt Einzelheiten zum Abzug von Umzugskosten. Diese könnten nach dem Bundesumzugsgesetz steuerlich geltend gemacht werden, wenn der Wohnungswechsel beruflich veranlasst sei.
Bundesbank gegen Todesstrafe: Die Bundesbank lädt chinesische und vietnamesische Notenbanker von Seminaren zur Erkennung von Geldfälschungen aus, berichtet die SZ (Markus Zydra) in ihrem Geld-Teil. Zur Begründung wurde die in den Herkunftsländern geltende Todesstrafe für Geldfälscher angeführt. In Bangladesh würde man wegen einer bereits erfolgten Ausladung bereits an einer Gesetzesänderung arbeiten.
Schlechte Prognose für Resozialisierung: Die SZ (Viktoria Grossmann) berichtet in einem längerem Artikel über Projekte zur Resozialisierung von Strafgefangenen. Gerade bei jugendlichen Tätern zeigten diese häufig positive Wirkungen, viele Projekte stünden aber vor einer ungewissen Zukunft und teilweise vor dem Aus, weil sich Bund, Länder und Kommunen nicht über Zuständigkeiten und Finanzierungen einigen könnten.
Nachlese zum Verkehrsgerichtstag: lto.de (Pia Lorenz) interviewt den Präsidenten des Verkehrsgerichtstages, Generalbundesanwalt a.D. Kay Nehm. Er hält die Vorschläge des Verkehrsgerichtstages als gelungenen Beitrag zu einer weiter zu führenden Diskussion über die von Verkehrsminister Ramsauer angestoßene Reform und empfiehlt vor allem Gelassenheit im Straßenverkehr.
Das Letzte zum Schluss
Terminschwierigkeiten bei Gericht: Dass die Bestrafung der Tat auf dem Fuße folgen soll, gilt als erstrebenswertes Ziel einer funktionierenden Strafrechtspflege. Oftmals stehen diesem Anspruch aber anderweitige terminliche Verpflichtungen der Beteiligten entgegen. Die FAZ (Frankfurt-Teil) berichtet über folgenden Fall mit ernstem Hintergrund. Vor dem Jugendgericht Frankfurt habe am Montag gegen vier Angeklagte wegen einer U-Bahn-Schlägerei, die vor anderthalb Jahren stattfand, verhandelt werden sollen. Der vorgesehene eine Verhandlungstag habe nicht ausgefüllt werden können, weil die Staatsanwältin nur halbtags arbeitete. Weil sich die Beteiligten auch nicht auf einen Termin innerhalb der nächsten drei Wochen haben einigen können, müsse der Prozess nun am 25. März erneut eröffnet werden. Für einen der Angeklagten hat das Konsequenzen: Wegen einer anderen Sache in Untersuchungshaft sitzend, sei ihm Freigang bei Abschluss dieses Verfahrens in Aussicht gestellt worden.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 29. Januar 2013: Zukunft der Sicherheitsarchitektur – BGH zu Enthauptungsvideos – Island haftet nicht . In: Legal Tribune Online, 29.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8054/ (abgerufen am: 01.05.2024 )
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