Prozessauftakt im Oppenheim-Verfahren. Nach einer Besetzungsrüge der Verteidigung ist fraglich, wann es weitergeht. Außerdem in der Presseschau: das neue Meldegesetz, Meinungen zum neuen Leistungsschutzrecht, das Bundesverfassungsgericht zur Sicherungsverwahrung, Verwaltungsgerichtshof zur Reaktorabschaltung, Haiti entschädigungslos und zuviel Wasser im Bier.
LG Köln - Sal.-Oppenheim: Vor dem Landgericht Köln fand gestern der Prozessauftakt in einem der größten Wirtschaftsstrafverfahren der letzten Jahre statt. Vier Bankiers und ein Bauunternehmer müssen sich wegen Untreue und Beihilfe hierzu verantworten. Durch dubiose Immobiliengeschäfte der Angeklagten soll der Traditionsbank ein Schaden von 150 Millionen Euro entstanden sein.
Ob der Prozess tatsächlich durchgeführt wird, ist fraglich. Nach anderthalbstündiger Verlesung der Anklageschrift erhoben die Verteidiger der Angeklagten eine Besetzungsrüge, über die das Gericht erst in der kommenden Woche entscheiden wird. Dem Bericht des Handelsblatts (Jan Keuchel) zufolge argumentierten die Verteidiger, dass der Geschäftsverteilungsplan des Kölner Gerichts generell eine willkürliche Verteilung der eingehenden Verfahren erlaube. Zudem sei die Anklage durch die Staatsanwaltschaft solange zurückgehalten worden, bis die neugegründete 16. Große Strafkammer, vor der nun verhandelt werden sollte, etabliert worden sei.
Nach dem Bericht der FAZ (Joachim Jahn) stellt sich die Besetzungsrüge als Retourkutsche der Verteidigung für den Antrag der Staatsanwaltschaft zur Erweiterung der Anklage dar. So sollten im hiesigen Verfahren auch die Umstände eines von den angeklagten Bankern der hochverschuldeten Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz eingeräumten Millionenkredites geklärt werden. Auch die SZ (Caspar Dohmen / Uwe Ritzer) berichtet ausführlich.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Meldegesetz: Nachdem im Vermittlungsausschuss ein Kompromiss zum neuen Meldegesetz erzielt wurde, steht dessen Verabschiedung nichts mehr im Wege. Die Weitergabe von privaten Daten durch Meldeämter an Unternehmen soll nur mit Einwilligung der Betroffenen erfolgen. Die taz (Felix Werdemann) referiert in ihrem Bericht weiterhin bestehende Kritikpunkte von Datenschützern, etwa hinsichtlich der Zweckbindung bei der Datenweitergabe.
Pferdefleischskandal: Als Konsequenz aus dem Skandal um Pferdefleisch in Lebensmitteln soll heute der Bundestag eine Änderung des Lebensmittel- und Futtergesetzbuches beschließen, berichtet das Handelsblatt (Daniel Delhaes). Zukünftig sollen Kontrollbehörden der Länder die Namen von Unternehmen unabhängig von etwaigen Bußgeldverfahren veröffentlichen dürfen, wenn diese gesetzliche Bestimmungen verletzten. Die Änderung diene Aussagen von Vertretern der Regierungskoalition zufolge der Rechtssicherheit.
Leistungsschutzrecht: Hans-Peter Siebenhaar kommentiert im Handelsblatt die für Freitag vorgesehene Verabschiedung des Gesetzes zum Leistungsschutzrecht. Er kritisiert dessen "Verwässerung", für die er "raffiniertes Lobbying und clevere Kommunikationspolitik" des Internetkonzerns Google verantwortlich macht. Als kleiner Fortschritt sei hingegen die grundsätzliche Anerkennung eines Leistungsrechts der Verlage zu bewerten. Sie beseitige die Kostenfreiheit für die Nutzung von Presseerzeugnissen im Internet.
Udo Vetter (lawblog) sieht dagegen durch die Regelung die Meinungsfreiheit gefährdet. Wer sich in Blogs oder sozialen Netzwerken mit aktuellen Ereignissen beschäftige, "soll sich abmahngefährdet fühlen." Gerade Rechtsunkundige dürften langwierige und kostspielige gerichtliche Auseinandersetzungen über die Rechtmäßigkeit einer Abmahnung wegen vorgeblich illegal übernommener Textpassagen scheuen.
Umgangsrecht für Gewalttäter: Simone Schmollak (taz) plädiert in einem Kommentar für eine Änderung beim Umgangsrecht für die Täter häuslicher Gewalt. Während kinderlose Opfer dieser Gewalt durch Bestimmungen des Gewaltschutzgesetzes vor einem Umgang mit dem Täter geschützt seien, müssten Mütter zumindest nach Entscheidungen von Familiengerichten immer wieder in Kontakt mit gewalttätigen Vätern treten, um diesen den Umgang mit den gemeinsamen Kindern zu ermöglichen. Oftmals drehe sich in diesen Situationen die "Gewaltspirale" weiter.
Bundespressegesetz: Martin Kotynek fordert in der Zeit ein Bundespressegesetz. Die im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden dargelegte Berufung auf das Grundgesetz könne für Journalisten nur eine "Notlösung" sein. Um der Gefahr willkürlicher behördlicher Entscheidungen vorzubeugen, sei eine bundesgesetzliche Regelung vonnöten.
Weitere Themen - Justiz
BVerfG zu nachträglicher Sicherungsverwahrung: Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei am Mittwoch veröffentlichen Beschlüssen seine Rechtsprechung zur Sicherungsverwahrung bekräftigt. Auch nach einer psychiatrischen Unterbringung darf diese nur angeordnet werden, wenn die im Grundsatzurteil von 2011 aufgestellten Maßstäbe beachtet würden. Die Entscheidung analysiert lto.de (Pia Lorenz).
HessVGH zu Atom-Moratorium: Der hessische Verwaltungsgerichtshof hat die im März 2011 erfolgte vorübergehende Stilllegung der beiden Atomreaktoren in Biblis für rechtswidrig erklärt, meldet die FAZ. RWE als Betreiber der Anlage sei vor der als Reaktion auf das Reaktorunglück in Japan verfügten Abschaltung nicht ordnungsgemäß angehört worden, zudem habe das hessische Umweltministerium bei der Frage der Sicherheit das ihm obliegende Ermessen nicht in der erforderlichen Weise ausgeübt. Der RWE-Konzern könne das Urteil nun zur Grundlage eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches für den erfolgten Produktionsausfall machen.
NSU-Prozess: Die SZ (Annette Ramelsberger) berichtet über den bevorstehenden Prozess gegen Beate Zschäpe und ihre mutmaßlichen Unterstützer aus der Perspektive von Nebenklägern. Deren Erwartungen an den Prozess stünden zu denen des Gerichtes im Widerspruch. Sie erhofften sich Aufklärung über Hintergründe, Netzwerke der Rechtsradikalen und Verstrickungen staatlicher Behörde, das Gericht dränge derweil auf ein schlankes Verfahren, mit "nur so viel Geschichte wie nötig ist, um ein Urteil zu sprechen."
FAZ und FR: Nach einer Entscheidung des Bundeskartellamtes darf die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Frankfurter Rundschau übernehmen. Die SZ (Silke Bigalke / Katharina Riel) berichtet auf ihrer Medienseite und macht darauf aufmerksam, dass entgegen früheren Meldungen noch nicht alle Details des Kaufvertrages geklärt seien.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Schweiz – Banken-Regeln: Einer Meldung des Handelsblatts (Holger Alich) zufolge plant die Schweizer Regierung neue Sorgfaltsregeln für Banken. So sollen Kunden bei dem Verdacht der Steuerhinterziehung künftig abgewiesen werden. Der Gesetzentwurf nenne konkrete Anhaltspunkte für diesen Verdacht, auch von Bestandskunden könnten zukünftig Nachweise über die Steuerkonformität verlangt werden.
Frankreich – Diktatorenvermögen: Die Zeit (Annika Joeres) berichtet über die Aktivitäten eines Exiltunesiers, der in Südfrankreich auf der Suche nach mutmaßlichen Vermögenswerten des früheren tunesischen Diktators Ben Ali ist. Ein Restaurantbetreiber, der beschuldigt wurde, ein Strohmann Ben Alis zu sein, setzte sich mit einer Diffamierungsklage zur Wehr; für die Autorin steht der vor einem französischen Gericht ausgetragene Konflikt sinnbildlich für die politischen Auseinandersetzungen in Tunesien.
Haiti – Entschädigung: Die Vereinten Nationen lehnen es ab, eine Entschädigung für die mutmaßlich durch nepalesische Blauhelmsoldaten in Haiti verursachte Cholera-Epidemie zu leisten. Im Interview mit lto.de (Claudia Kornmeier) erläutert der Völkerrechtler Andreas Zimmermann die rechtlichen Hintergründe. Er führt aus, dass sich die Vereinten Nationen als Organisation vor nationalen Gerichten auf ihre Immunität berufen könnten und darüber hinaus nur zur Einrichtung eines Systems der Streitbeilegung bei zivilrechtlichen Auseinandersetzungen verpflichtet seien. Gleichwohl sei die Ausweitung sogenannter ex-gratia-Zahlungen, Entschädigungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, bedenkenswert.
Sonstiges
Menschenrechtsverletzungen in Syrien: Die Bundesanwaltschaft befragt derzeit geflüchtete Syrer zu Misshandlungen in ihrem Heimatland in Vorbereitung eines etwaigen Verfahrens vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck, der einige dieser Flüchtlinge vertritt, gibt in einem Interview mit der Zeit (Catalina Schröder) Auskunft zu den Hintergründen und mahnt, dass nicht nur die von Anhängern des Regimes verübten Verbrechen verfolgt werden sollten.
Datenportal GovData: lto.de (Markus Sehl) stellt das vor wenigen Tagen eröffnete Datenportal des Bundesinnenministeriums, GovData, vor. Über das Portal seien Rohdaten der öffentlichen Verwaltung einsehbar, die von kommunalen Behörden zur Verlinkung bereitgestellt wurden. Experten bezeichneten diese als "Schnarchdaten", einer wirklich offenen Datenverwaltung stünden bislang Lizenzbestimmungen und Persönlichkeitsrechte Betroffener entgegen.
Das Letzte zum Schluss
Wässriges Bier: Biertrinker ahnten es schon lange: Amerikanisches Bier ist nicht nur fade, sondern auch wässrig. Ob diese Vermutung zutrifft, muss nun ein US-amerikanisches Gericht klären. Der weltgrößte Brauereikonzern AB InBev als Hersteller des dortigen Markenführers Budweiser sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, aus Kostengründen den etikettierten Alkoholgehalt durch die Beigabe von Wasser unterschritten zu haben. Mehrere ehemalige Angestellte des Konzerns hätten sich entsprechend eingelassen, berichtet das Handelsblatt (Thomas Jahn) und stellt als Ursprung des Verfahrens die Beschwerden eines amerikanischen Bierliebhabers dar, dem sein Lieblingsgetränk nicht mehr schmeckte.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgenerscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage
Die juristische Presseschau vom 28. Februar 2013: Oppenheim-Prozess - Leistungsschutzrecht kontrovers - Haiti entschädigungslos . In: Legal Tribune Online, 28.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8237/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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