Ein Studie mit Testkunden belegt: Die Beratung von Banken und Versicherungen wird nicht richtig dokumentiert. Außerdem in der Presseschau: Die Steuerhinterziehung von Zinserträgen soll nicht mehr verjähren, Strafbefehle an Ausländer müssen übersetzt werden, ein Bordellbesitzer wurde Schöffe, ein Stockholmer Schiedsgericht soll den Gaskonflikt in der Ukraine lösen - und warum der Kriminalbiologe Mark Benecke keine Polizisten mehr ausbildet.
Thema des Tages
Anlage- und Versicherungsberatung: Justizminister Heiko Maas (SPD) will in dieser Woche eine Studie zur Qualtität von Beratungsprotokollen vorlegen, über die die Samstags-SZ (Daniela Kuhr) exklusiv berichtete. Ergebnis: "Keine einzige Dokumentation gibt den Ablauf des Testgesprächs vollständig, richtig, verständlich und übersichtlich wieder". Und nur in jedem vierten Fall hätten die Testkäufer überhaupt ein Protokoll ausgehändigt bekommen. Der Minister wolle nun sicherstellen, "dass die Beratungsdokumentation ihrer Funktion gerecht wird".
Rechtspolitik
Mietpreisbremse: Die von Justizminister Maas geplante Mietpreisbremse wird auch aus den SPD-regierten Ländern Nordrhein-Westfalen und Hamburg kritisiert, meldet der Spiegel. Aus der gerichtlichen Praxis komme Kritik, die von "Ablehnung eines gesetzgeberischen Handlungsbedarfs bis zur Annahme der Wirkungslosigkeit der geplanten Einführung" reiche.
Videoübertragung: NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) will bei der Justizministerkonferenz am Mittwoch und Donnerstag beantragen, dass Richter bei großem Zuschauerinteresse die Videoübertragung eines Gerichtsverfahrens in einen Nachbarraum erlauben dürfen, meldet focus.de.
Versicherungspflicht gegen Elementarschäden: Bei der Justizministerkonferenz soll außerdem über die Einführung einer Versicherungspflicht gegen Naturgefahren wie Überschwemmungen und Erdbeben diskutiert werden. Der Montags-Tagesspiegel (Heike Jahberg) schildert die damit verbundenen Fragen.
Steuerhinterziehung und Verjährung: Bei ausländischen Kapitalerträgen soll es künftig eine "Anlaufhemmung" für den Beginn der Verjährung geben. Dies hätten die Finanzminister von Bund und Ländern im Mai beschlossen, erläutert die Samstags-FAZ (Joachim Jahn). Wer sein Schweizer Konto verliere, könne sich den zugesandten Scheck dann nicht mehr einfach in den Safe legen bis Verjährung der Steuerhinterziehung eingetreten ist.
Sichere Herkunftsstaaten: Die Rechtsreferendarin Anne Meike Riebau kritisiert auf juwiss.de den asylrechtlichen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten um Bosnien, Mazedonien und Serbien: "Ob ein Staat sicher ist, sollte nicht aus Kostengründen entschieden werden, sondern aufgrund der dortigen Sicherheitslage."
Insolvenzrecht: Die Samstags-SZ (Stephan Radomsky) stellt Vor- und Nachteile sowie juristische Zweifelsfragen des neuen Insolvenzrechts vor, das ab 1. Juli in Kraft tritt. Es ermöglicht die Restschuldbefreiung schon nach drei Jahren, wenn in dieser Zeit 35 Prozent der Ausstände und die Verfahrenskosten bezahlt werden.
TTIP und Investitionsschutz: Norbert Häring (Handelsblatt) kritisiert das Argument, Schiedsgerichte für Investitionsschutz seien zwischen der EU und den USA vor allem als Vorbild für andere Staaten erforderlich: "Wenn China sich Vorteile von einem Investitionsschutzabkommen verspricht, wird es dieses abschließen. Dass China eine von den USA und der EU ausgehandelte Blaupause übernimmt, ist völlig illusorisch."
Justiz
LG Stuttgart zu Strafbefehl: Die Einspruchsfrist gegen einen Strafbefehl beginnt nicht zu laufen, wenn der Betroffene die deutsche Sprache nicht versteht und der Strafbefehl nicht übersetzt wurde. Das hat jetzt das Landgericht Stuttgart entschieden und damit eine Lücke im Gerichtsverfassungsgesetz gefüllt, meldet lawblog.de (Udo Vetter).
EuGH zu Altersdiskriminierung: Die FAS (Corinna Budras) kritisiert die "neue Mode der Gleichmacherei" und lobt die zurückhaltende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus der vorigen Woche, die eine deutsche Altfall-Regelung akzeptierte, obwohl sie die Altersdiskriminierung von Beamten fortführte. "Auch den Luxemburger Richtern ist offensichtlich klar: Es ist nicht ganz einfach, innerhalb kürzester Zeit ein über Jahrzehnte bewährtes und akzeptiertes System komplett umzukrempeln, nur weil die EU das Alter in eine Reihe mit Diskriminierungen wegen der Rasse, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung und der Religion stellt."
EuGH zu Urlaubsansprüchen: Die Montags-SZ (Catrin Gesellensetter) greift das jüngst ergangene EuGH-Urteil zur Vererbbarkeit von Urlaubsansprüchen auf und schildert wie die deutsche Praxis damit voraussichtlich umgehen wird. Da sich das Urteil nur auf gesetzliche Ansprüche beziehe, werde künftig zwischen gesetzlichen und darüber hinausgehenden tariflichen Ansprüchen unterschieden.
BGH zu Kinderpornographie: Marc Liesching (blog.beck.de) kritisiert das jüngst veröffentlichte Urteil des Bundesgerichtshofs zur Definition von Kinderpornographie: "Die Argumentation des BGH, dass dem Merkmal 'Pornographie' in § 184b StGB eigentlich keine eigene Bedeutung zukomme, da dargestellte sexuelle Handlungen mit Kindern vom Schutzzweck her immer strafbar sein sollten, ist eine politische, keine rechtsmethodische."
LG Stuttgart - Wasserwerfereinsatz: Am Mittwoch beginnt am Landgericht Stuttgart der Prozess gegen zwei Polizeibeamte, denen vorgeworfen wird, sie hätten bei den Wasserwerfer-Einsätzen gegen Stuttgart-21-Gegner neun Verletzte verursacht. Für den Prozess gegen die beiden Einsatzabschnittsleiter sind 30 Verhandlungstage angesetzt. kontext (Dieter Reicherter) schildert in einem ausführlichen Vorbericht die Ausgangslage und hofft auf Klärung der politischen Verantwortung für den Einsatz.
OLG Frankfurt/M. - Kachelmann: Der ehemalige Wettermoderator Jörg Kachelmann war 2011 vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden. Daraufhin hat er beim Landgericht Frankfurt/Main seine Ex-Geliebte, die ihn angezeigt hatte, auf Schadensersatz wegen "Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft" verklagt, was aber 2013 abgelehnt wurde. Kachelmann ging in Berufung. Das OLG Frankfurt hat nun ein neues rechtsmedizinisches Gutachten zur Frage angefordert, ob die Frau sich ihre Verletzungen selbst zugefügt hat. Der Spiegel (Gisela Friedrichsen) schildert das Verfahren und wertet es als "Musterfall, wie die Justiz mit vielleicht teilweise oder vollständig erfundenen Vergewaltigungsvorwürfen umzugehen gedenkt".
Auschwitz-Wachleute: Elf der dreißig Ermittlungsverfahren gegen Wachleute des KZ Auschwitz wurden inzwischen wieder eingestellt, meldet der Spiegel weil diese größtenteils nicht verhandlungsfähig seien.
Bordellbesitzer als Schöffe: Der Spiegel (Bruno Schrep) stellt dar, wie es einem Wiesbadener Bordell-Chef gelang, zum ehrenamtlichen Richter gewählt zu werden, obwohl er in den 80er-Jahren einen geschäftlichen Rivalen (in Notwehr) erschoss.
Schlechte Anwälte: Autor Joachim Wagner stellt in der WamS auf Grundlage seines Buches "Vorsicht Rechtsanwalt" dar, warum die Anwaltschaft zu einem Sammelbecken schlechter Juristen wurde.
Recht in der Welt
Ägypten - Todesurteile: Ein ägyptischer Richter hat im Verfahren um einen Angriff auf Polizeistationen bei 183 von 683 Verurteilten die Todesurteile bestätigt. Die Montags-taz (Karim el-Gawhary) schildert, dass das nur Verfahren eine Farce gewesen sei.
Großbritannien - Shell: Das Londoner Gericht für Technologie und Bau wies dem Ölkonzern Shell die Verantwortung für eine Ölkatastrophe im nigerianischen Nigerdelta zu. Der Konzern sei verpflichtet gewesen, "angemessene Vorkehrungen zum Schutz seiner Infrastruktur zu treffen. Dazu gehöre die Installation von Systemen zur Entdeckung von Lecks, Überwachungstechnologie und Maßnahmen gegen Manipulationen", etwa gegen Öldiebstahl. Über die Höhe des Schadensersatzes wurde noch nicht entschieden, berichtet das Handelsblatt (ausführlichere Online-Version).
Slowenien - Rechtsstaat: Drei Wochen vor der slowenischen Parlamentswahl muss der konservative Oppositionsführer Janez Janša eine zweijährige Haftstrafe wegen Korruption antreten. Seine Rechtsmittel dagegen werden jedoch aus formalen Gründen zurückgewiesen und so rechtzeitiger Rechtsschutz verunmöglicht, schildert verfassungsblog.de (Matej Avbelj).
Ukraine - Gas: Die Montags-FAZ (Helene Bubrowski) schildert die Rahmenbedingungen eines Verfahrens vor dem Schiedsgericht der Handelskammer Stockholm. Dieses wurde einerseits von der russischen Gazprom angerufen, weil die Ukraine ihre Gasrechnungen nicht bezahlt habe, andererseits hat auch die ukrainische Neftogas geklagt, weil der vertraglich vereinbarte Gaspreis unangemessen hoch sei.
Sonstiges
Selbstjustiz: Der Spiegel (Dietmar Hipp) interviewt den Strafverteidiger Michael Rosenthal aus Anlass des Selbstjustiz-Falles in Neuenburg: "Der Staat darf auf Selbstjustiz nicht wohlwollend reagieren", sagt Rosenthal.
Deutsche Dschihadisten: Rund die Hälfte der aus Deutschland ausreisenden Dschihadisten habe die deutsche Staatsbürgerschaft, berichtet die Samstags-FAZ (Reinhard Müller). Bei in Deutschland aufgewachsenen Islamisten habe der Wunsch nach einem deutschen Pass in letzter Zeit zugenommen, "denn er erlaubt eine weitgehende Reise- und Visafreiheit, kann vor Ausweisung schützen und gibt Anspruch auf diplomatischen Schutz".
Das Letzte zum Schluss
Ausbilder von Polizisten enttäuscht: Der bekannte Kriminalbiologe Mark Bennecke will keine Bundespolizisten mehr ausbilden, nachdem er mehrfach im Zug anlasslos durchsucht wurde. Als Grund für die Polizeimaßnahmen sieht Benecke ausschließlich seine aufälligen Tätowierungen. Er bezeichnet die Polizisten laut strafakte.de als "jung, wichtigtuerisch, kleinkariert, borniert und mit viel zu viel Macht ausgestattet". Nach der ergebnislosen Durchsuchung hätten sie das Abteil nicht mal richtig aufgeräumt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 21. -23. Juni 2014: Maas gegen schlecht dokumentierte Beratung - Strafbefehl muss übersetzt werden - Schiedsgericht soll ukrainischen Gasstreit klären . In: Legal Tribune Online, 23.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12309/ (abgerufen am: 14.05.2024 )
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