"Die Partei" muss keine Strafzahlungen wegen ihrer Aktion "Geld kaufen" an Bundestagsverwaltung leisten. Außerdem in der Presseschau: Ceta startet vorläufig. Suchmaschinen dürfen rechtswidrig veröffentlichte Fotos als Vorschaubilder zeigen.
Thema des Tages
VG Berlin zu "Die Partei": Wegen ihrer Aktion "Geld kaufen" aus dem Jahr 2014 muss "Die Partei" der Bundestagsverwaltung weder Zuschüsse zurückzahlen noch Strafzahlungen leisten. So fällt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin aus, über das taz.de (Christian Rath) und Tsp (Jost Müller-Neuhof) berichten. Durch die satirische Aktion sollte seinerzeit auf Lücken im Parteiengesetz aufmerksam gemacht werden. Dieses sieht vor, dass die staatliche Parteienfinanzierung sich als "relativer Obergrenze" an den Einnahmen einer Partei orientiert. Hierzu zählten 2014 auch die unternehmerischen Umsätze einer Partei. Die Gesetzeslage hatte sich zuerst die AfD durch einen Goldhandel zunutze gemacht. Als Parodie auf diese Praxis bot "Die Partei" jedem, der 105 Euro an sie überwies, einen 100-Euro-Schein und zwei Partei-Postkarten an. Die Bundestagsverwaltung hatte daraufhin Rück- und Strafzahlungen von "Die Partei" gefordert, da die erhaltenen Zuschüsse auf einem falschen Rechenschaftsbericht beruhten. Der bloße Austausch von Geld sei – anders als der Verkauf von Gold – kein echtes Geschäft. Das Verwaltungsgericht Berlin erklärte diesen Trick jedoch für rechtmäßig. Unter den Einnahmenbegriff in der 2014 geltenden Gesetzesfassung falle "jede von der Partei erlangte Geld- oder geldwerte Leistung". Erst seit einer Novelle von 2015 werden statt der Umsätze zur Berechnung der "relativen Obergrenze" Gewinne aus unternehmerischer Tätigkeit berücksichtigt.
Rechtspolitik
Arbeitsrecht/Familien/Verbraucher: Kurz vor der Bundestagswahl setzt sich lto.de (Annelie Kaufmann) mit den Reformen auseinander, die CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke und AfD laut ihrer Wahlprogramme in den Bereichen Arbeitsrecht, Familienpolitik und Verbraucherschutz durchsetzen wollen. Die Autorin beleuchtet insbesondere die Pläne der Parteien zu einem flexibleren Arbeitszeitrecht, zur Entgeltgleichheit von Männern und Frauen, zu Finanzhilfen für Familien und zur Betreuungspolitik. Außerdem stellt sie die unterschiedlichen Positionen zur Musterfeststellungsklage und zur Mietpreisbremse vor.
Justiz in Deutschland: In einem Gastbeitrag für lto.de stellt die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger fest, dass ein Mangel an Ressourcen und zu viele Gesetze die Justiz in Deutschland überlasteten. Die Bundesjustizministerin a.D. fordert neben einer Entrümpelung des Strafrechts und der Entlastung der Strafverfolgungsbehörden von Nebensächlichkeiten, dass die Digitalisierung in der Justiz vorangetrieben wird.
Umverteilung von Flüchtlingen: Eine am 26. September 2017 auslaufende Frist für die Durchführung des EU-Umverteilungsbeschlusses nimmt die SZ (Daniel Brössler/Thomas Kirchner) zum Anlass, um die Frage nach den weiteren Folgen zu erörtern. Gerade aufgrund der Verweigerungshaltung Ungarns und der Slowakei, die vor dem Europäischen Gerichtshof erfolglos gegen den Beschluss geklagt hatten, sei es schwierig, einen langfristigen Kompromiss zu finden. In Brüssel werde dennoch mit einer Lösung durch ein permanentes Flüchtlingsverteilungssystem für Krisenlagen, als Teil der Dublin-Reform, bis Ende des Jahres gerechnet.
Unternehmenssteuern: Die FAZ (Werner Mussler) befasst sich mit den Plänen der EU-Kommission, Internetfirmen wie Google, Apple oder Facebook stärker zu besteuern. Problematisch sei, dass ein Mitgliedstaat ein Unternehmen nur besteuern dürfe, wenn dieses in seinem Hoheitsgebiet physisch präsent sei, also über eine "permanente Betriebsstätte" verfüge. Die Kommission wolle daher an dem Konzept einer "virtuellen dauerhaften Betriebsstätte", aber auch an Übergangslösungen zur Herstellung von mehr Steuergerechtigkeit im EU-Raum arbeiten.
Ceta: Das vorläufige Inkrafttreten des EU-Handelsvertrags mit Kanada (Ceta) nutzt die FAZ (Hendrik Kafsack), um die nun eintretenden praktischen Veränderungen zu beleuchten. So würden unter anderem bereits Zölle gesenkt und europäische Unternehmen erlangten besseren Zugang zu öffentlichen Aufträgen. Ausgenommen von der vorläufigen Anwendung des Abkommens seien neben Fragen des geistigen Eigentums das Arbeitsrecht oder strafrechtlichen Fragen sowie der Investorenschutz. Der Autor erörtert auch, wie der viel kritisierte Aspekt des Investorenschutzes in Freihandelsabkommen mit anderen Staaten gestaltet werden könnte.
Justiz
EGMR zur Verpixelung bei Mordprozessen: Die richterliche Anordnung in Mordprozessen, dass Fotos vom Angeklagten aus dem Gerichtssaal zu dessen Schutz verpixelt werden müssen, ist rechtmäßig. Mit diesem Urteilsspruch, den die SZ (Wolfgang Janisch) zusammenfasst, wies der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Klagen des Axel-Springer-Verlags und von RTL ab. Die Richter stützten sich auf die zugunsten des Angeklagten greifende Unschuldsvermutung. Diese gelte zunächst auch bei einem noch nicht auf seine Tragfähigkeit überprüften Geständnis.
EuGH zu Mehrwertsteuer: Bei gemeinnützigen Dienstleistungen muss der deutsche Gesetzgeber häufiger von der Mehrwertsteuer befreien. Dies urteilte der Europäische Gerichtshof in einem Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission gegen Deutschland eingeleitet hatte. Nach der auszulegenden Richtlinie müssten nicht nur Berufe aus dem Gesundheitssektor von der Steuer ausgenommen werden, sondern auch Zusammenschlüsse von Selbständigen, die eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausüben. Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) fasst die Entscheidung zusammen.
BGH zu Vorschaubildern: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Suchmaschinen rechtswidrig veröffentlichte Fotos als Vorschaubilder anzeigen dürfen, wie die FAZ (Hendrik Wieduwilt) und lto.de berichten. Für die Bilder müssten Google und Co. nur haften, wenn sie ihre Rechtswidrigkeit kannten oder hätten kennen müssen. Geklagt hatte der Anbieter der Erotikunterhaltung Perfect 10 gegen AOL, da kostenpflichtige Bilder aus dessen Erotikangebot bei der öffentlichen Internetsuche aufgetaucht waren.
BAG zu Mindestlohn bei Nachtzuschlag: Rechtsanwalt Jochen Keilich erläutert auf lto.de das jüngste Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts, wonach der Nachtarbeitszuschlag und das tarifliche Urlaubsentgelt auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns berechnet werden müssten. Der Autor hält fest, das Gericht schließe damit für Arbeitgeber eine weitere Lücke, was den gesetzlichen Mindestlohn bei Zuschlägen betreffe.
OLG Frankfurt zu Stadionverboten: Bundesweite Stadionverbote sind grundsätzlich rechtmäßig, wenn die Gefahr besteht, dass Fußballfans Spiele stören werden. So gab das Oberlandesgericht Frankfurt dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) gegenüber Fußballfans Recht, die im März 2013 vor einem Bundesligaspiel an einer gewalttätigen Auseinandersetzung am Dortmunder Flughafen beteiligt waren. spiegel.de meldet, dass die Richter auch Schadensersatzansprüche der Fans gegen den DFB abwiesen.
BVerwG zur Abschiebung von Gefährdern: Das Bundesverwaltungsgericht hat zwei islamistischen Gefährdern keinen vorläufigen Rechtsschutz gegen ihre Abschiebung gewährt. Die Innenministerien von Nordrhein-Westfalen und Hessen hatten jeweils Abschiebungsanordnungen gegen Männer aus Tunesien und der Türkei auf der Grundlage von § 58a Aufenthaltsgesetz erlassen. Im Falle der Männer sah das Bundesverwaltungsgericht die Prognose der Ministerien zur Abwehr einer "terroristischen Gefahr" als gerechtfertigt an. Das Gericht verlangte aber, dass vom Herkunftsstaat jeweils die Zusicherung für eine rechtsstaatliche Behandlung eingeholt wird. lto.de (Tanja Podolski) berichtet.
EuGH – Investitionsschutzabkommen: Auch die FAZ (Helene Bubrowski) setzt sich mit dem Verhältnis bilateraler Investitionsabkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten und dem Unionsrecht auseinander. Aufgrund eines Rechtsstreits um ein niederländisch-slowakisches Investitionsschutzabkommen und einer Vorlage des Bundesgerichtshofs beschäftige diese Frage derzeit den Europäischen Gerichtshof. In seinem Votum habe der Generalanwalt verneint, dass das Investitionsabkommen gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot verstoße. Die alleinige Kompetenz des EuGH für die Anwendung und Auslegung des EU-Rechts sehe dieser durch die Schiedsgerichte im Rahmen eines Investitionsabkommens nicht in Gefahr, denn diese könnten selbst jederzeit den Europäischen Gerichtshof anrufen.
Recht in der Welt
USA – Klage gegen Mauerbau: Kalifornien hat gegen die Pläne von US-Präsident Donald Trump, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu errichten, Klage eingereicht. Der Mauerbau verstoße gegen die Verfassung und gegen Umweltschutzgesetze. Wie zeit.de informiert, will das Heimatschutzministerium Gesetze außer Kraft setzen, die dem Projekt im Wege stehen, um die Baupläne voranzutreiben.
Brasilien – Immunität des Präsidenten: Bereits zum zweiten Mal seit seinem Amtsantritt wird das brasilianische Parlament über den Entzug der Immunität von Präsident Michel Temer entscheiden. Nachdem der Generalstaatsanwalt Klage wegen Behinderung der Justiz und der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur Akquise von Schmiergeld erhoben hatte, leitete das Oberste Gericht in Brasilien diese an das Parlament weiter. Die FAZ berichtet.
Sonstiges
Einreise von Flüchtlingen: Wie die Welt (Robin Alexander) berichtet, hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Papier die Rechtsgrundlage für die Einreise vieler Flüchtlinge ab dem 4. September 2015 nach Deutschland untersucht. Das Gutachten zweifele an, dass eine gesetzlich geforderte Anordnung des Bundesministeriums des Inneren erging und Deutschland von seinem Selbsteintrittsrecht nach der Dublin-III-Verordnung Gebrauch machte. Ferner stelle das Gutachten die Frage, ob unter Beachtung der Wesentlichkeitstheorie nicht der Bundestag hätte mitentscheiden müssen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/man
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 22. September 2017: "Die Partei" darf Zuschüsse behalten / Vorläufiges Inkrafttreten von Ceta / BGH zu Google-Vorschaubildern . In: Legal Tribune Online, 22.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24655/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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