In Würzburg beginnt den Prozess gegen den Vater der im Gartenhaus erstickten Jugendlichen. Außerdem in der Presseschau: Die NGO Jumen kämpft mit Klagen für Menschenrechte und wie hat sich der Rechtsstaat in Sachen RAF geschlagen?
Thema des Tages
LG Würzburg – Vergiftung im Gartenhaus: Ist ein Vater, der seine eigenen Kinder fahrlässig getötet hat, dadurch bereits genug gestraft? In der "Tragödie von Arnstein", bei der sechs Jugendliche in einem Gartenhaus durch eine Kohlenmonoxidvergiftung starben, beginnt am heutigen Mittwoch der Prozess. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, den Stromgenerator im Gartenhaus falsch installiert und somit zwei seiner Kinder und ihre vier Freunde fahrlässig getötet zu haben. Nach § 60 Strafgesetzbuch (StGB) kann das Gericht von einer Bestrafung absehen, weil die Folgen der Tat so schwer wiegen, dass die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre. Die SZ (Heribert Prantl) zeichnet nach, wie es zu den Todesfällen kam und erläutert die "poena naturalis".
Rechtspolitik
Wirtschaftsstrafverfahren: Belasten unqualifizierte Laienrichter das Verfahren oder schützen sie vor einem Rückfall in die Elitenjustiz? Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) spricht anlässlich des Vorstoßes, Laienrichter in Wirtschaftsstrafverfahren abzuschaffen, mit der Befürworterin Brigitte Koppenhöfer, damals Vorsitzende im Mannesmann-Prozess, und dem Kritiker Andreas Höhne, dem Vorsitzenden des Bundesverbands ehrenamtlicher Richterinnen und Richter.
"Ehe für alle": Die "Ehe" sei nach Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz (GG) ein Individualgrundrecht, die "Ehe für alle" daher ohne Verfassungswandel verfassungsgemäß. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Daniel Toda Castán teilt auf juwiss.de seine verfassungsrechtliche Sicht auf das Institut der Ehe mit. Davon zu trennen seien Abstammungsfragen bezüglich der Kinder, deren leibliches Elternteil in einer gleichgeschlechtlichen Ehe lebt. Rechtliche Antworten hierauf fänden sich mit Blick auf ausländische Rechtsordnungen.
NetzDG-Bußgelder: zeit.de (Friedhelm Greis) betont, dass nach dem derzeitigen Vorschlag die Bußgelder für systemischen Verstöße gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz nicht alle Netzwerke gleich hart träfen. Der Beitrag hebt die Lücken der Regelungen hervor.
Justiz
EuGH zu Zuständigkeit bei Internetdelikten: Unternehmen, die sich gegen Persönlichkeitsverletzungen im Internet wehren wollen, haben dies vor dem Gericht des Mitgliedstaates zu tun, in dem ihr "Mittelpunkt der Interessen" liegt. Entscheidend sei also nicht der Staat, in dem die Firma sitzt, befand der Europäische Gerichtshof. Rechtsanwalt Niko Härting und der wissenschaftliche Mitarbeiter Patrick Gössling behandeln auf lto.de das Urteil. Auch die FAZ (Hendrik Wieduwilt) gibt die Entscheidung wieder.
LG Freiburg – Fall Maria L.: "Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen", erklärte der Pflegevater des Angeklagten im Prozess um den Mord an der Studentin Maria L. Dass Hussein K. allerdings die meiste Zeit im Rausch verbracht haben soll, wie er behauptet, könne sich Herr S. nicht vorstellen. Nach der Tat habe K. "die Distanz gesucht" und traurig gewirkt, gibt ihn spiegel.de (Julia Jüttner) wieder. Die FAZ (Rüdiger Soldt) verweist zudem darauf, dass S. sich auch zum Alter des Angeklagten äußerte.
LG Frankfurt/O. – Verfahren wegen Dreifachmordes: Im Prozess um die Morde an zwei Polizisten und an seiner Großmutter äußerte sich der Angeklagte Jan O. kurz zu den Tatvorwürfen: "Ich habe die beiden Polizisten menschlich nicht gekannt. Es tut mir leid, dass sie nicht mehr nach Hause, nicht mehr zum Dienst kommen." Am heutigen Mittwoch führt das Gericht die Hauptverhandlung fort. Die SZ (Verena Mayer) gibt die bisherigen Erkenntnisse des Verfahrens, Auszüge des schwierigen Lebens des Angeklagten und seiner bisherigen Straftaten wieder. Den Behörden sei seine Gefährlichkeit bekannt gewesen. Auch spiegel.de (Uta Eisenhardt) resümiert Verhandlungstag und Tatvorwürfe.
BVerfG – Numerus clausus: Thomas Vitzthum (Die Welt) begrüßt im Leitartikel, dass das Bundesverfassungsgericht sich mit dem Numerus clausus für das Fach Medizin befasst. Das notenbasierte System sei zu einem "reinen Verhinderungsinstrument" geworden. Er präsentiert das alternative System in Österreich und unterstreicht die verfassungsrechtlich garantierte freie Studien- und Berufswahl.
LG Frankfurt/M. – Spion: Daniel M. soll zwischen 2011 und 2015 für den Schweizer Nachrichtendienst die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung ausgespäht haben, um persönliche Daten über Steuerfahnder zu ermitteln, die sich mit den Daten aus angekauften Steuer-CDs befassten. Vor dem Landgericht Frankfurt am Main beginnt am heutigen Montag der Strafprozess gegen ihn. Das Hbl (Sönke Iwersen/Volker Votsmeier) fasst die Vorwürfe gegen M. und die mutmaßliche Schweizer Intention zusammen.
Rechtsstreitigkeiten der RAK Düsseldorf: Die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf ist derzeit Beklagte in zwei Verfahren. Eines dreht sich um die Anfechtung der Vorstandswahl, eines um die zweite Kündigungsschutzklage der ehemaligen Hauptgeschäftsführerin Susanne Offermann-Burckhart. lto.de (Pia Lorenz) schildert ausführlich die Gründe für die "zerstrittene Führungsriege" und die "lange Geschichte" um die Kündigungen.
StA Traunstein – Bundeswehrsoldaten: Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat die Ermittlungen wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung eines Soldaten und der Volksverhetzung gegen sieben Gebirgsjäger der Kaserne in Bad Reichenhall eingestellt. Die Behörde habe die Vorwürfe nicht bestätigen können. Zwei Soldaten erhielten eine Geldstrafe, weil sie gegen das Tierschutzgesetz verstoßen hatten, meldet die SZ.
Recht in der Welt
Türkei – Verfahren gegen Menschenrechtler: Am 25. Oktober soll vor einem Istanbuler Gericht der Prozess gegen Peter Steudtner und zehn weitere Menschenrechtler beginnen. Das Gericht habe die Anklage angenommen, die den Angeschuldigten vorwirft, die Organisation des Predigers Fethullah Gülen, die PKK und die linksextreme DHKP-C zu unterstützen, so die Meldung auf spiegel.de.
Spanien – katalanische Unabhängigkeit: Das spanische Verfassungsgericht hat das Gesetz über die Durchführung des Unabhängigkeitsreferendums nun endgültig für nichtig erklärt, nachdem es dieses bereits ausgesetzt hatte. Die SZ (Thomas Urban) schildert, wie die spanische Zentralregierung mit Hilfe der Justiz gegen die katalanischen Separationsbestrebungen vorgeht. Die autonomen Rechte Kataloniens würden vorerst allerdings nicht ausgesetzt.
EGMR zu Nawalnyj: Russland habe im Fall "Yves Rocher" das Recht des Oppositionspolitikers Alexej Nawalnyj und seines Bruders Oleg auf ein faires Verfahren verletzt, urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Sie sollen nun eine Entschädigung in Höhe von 83.000 Euro erhalten. Die Brüder sollten angeblich die russische Tochter von Yves Rocher um eine halbe Million Euro betrogen haben; das Unternehmen hatte angegeben, dass ihm kein Schaden entstanden sei, erinnert die FAZ (Friedrich Schmidt) an den Fall.
USA – Einreiseverbot: Ein Gericht in Hawaii hat das aktuelle Einreiseverbot der US-Regierung gestoppt. Es sollte am heutigen Mittwoch in Kraft treten. Es mangele an Erkenntnissen, dass die Einreise der Betroffenen die Interessen der USA beeinträchtige. Das Verbot diskriminiere die Menschen aufgrund ihrer Nationalität, meldet spiegel.de (bam).
Österreich – "Ehe für alle": Der österreichische Verfassungsgerichthof prüft derzeit die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Trotz weitgehender rechtlicher Gleichstellung bestünden Bedenken, dass unterschiedliche Rechtsinstitute für gleichgeschlechtliche und verschiedengeschlechtliche Paare Homosexuelle diskriminierten. kurier.at schildert die Argumente des Gerichts und des Anwalts der Klägerinnen. Dieser zeige sich zuversichtlich, dass bereits Anfang 2018 erste gleichgeschlechtliche Ehen in Österreich geschlossen werden können.
Österreich – Wahl: Der emeritierte Professor für öffentliches Recht Theo Öhlinger analysiert auf verfassungsblog.de die verfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten des österreichischen Bundespräsidenten im Prozess der Regierungsbildung und umreißt dabei verschiedene mögliche Szenarien.
Sonstiges
Juristen für Menschenrechte: "Was nicht gerecht ist, kann nicht recht sein" – unter diesem Titel erläutert lto.de (Tanja Podolski) die Arbeit der jungen Nichregeriungsorganisation "Jumen". Die Organisation will durch strategisch geführte Prozesse Menschenrechtsverletzungen in Deutschland gerichtlich feststellen lassen.
Rechtsstaat und RAF: Die FAZ (Reinhard Müller) blickt anlässlich des vierzigsten Todestags von Hanns Martin Schleyer darauf zurück, wie der Rechtsstaat auf den Terror der RAF reagierte. Der Artikel zieht den Bogen zur heutigen Bedrohung durch islamistischen Terrorismus und konstatiert, der Rechtsstaat sei damals nicht in Gefahr gewesen und sei es auch heute objektiv gesehen nicht. Der Gesellschaftsvertrag zwischen Rechtsstaat und Bürgern müsse aber immer wieder erneuert werden. Bundesverfassungsrichter Peter Michael Huber, Geschichtsprofessor Andreas Rödder und die Geschäftsführerin der Hanns-Martin-Schleyer-Stiftung Barbara Frenz ziehen in einem FAZ-Gastbeitrag ihre Lehren für den heutigen Rechtsstaat aus dem Mord an Schleyer. Das Vermächtnis des "Deutschen Herbstes" liege in "der Behauptung des Rechtsstaats auch gegenüber existentiellen Herausforderungen".
Buch über "Mittagsmörder": "7 Morde – 50 Jahre Haft – 1 Leben danach: Der 'Mittagsmörder' Klaus G" – unter diesem Titel rekonstruiert der Journalist Felix Hutt die Verbrechen von Klaus G., der in den 1960er Jahren sieben Menschen tötete. Die Taten ereigneten sich stets gegen Mittag. G. verbüßte dafür eine 50-jährige Freiheitsstrafe. focus.de bringt einen Auszug aus dem am 2. Oktober veröffentlichten Buch.
Das Letzte zum Schluss
Alimentierte Polizeihunde: Zum Glück habe sich das Land Berlin bereit erklärt, pensionierten Polizeihunden künftig eine lebenslange Rente zu zahlen. Tierarztkosten, Futter, Versicherung seien abgedeckt. Dies bewahre die Tiere davor, aus finanzieller Not etwa Drogen zu dealen oder an illegalen Hundekämpfen teilzunehmen, frotzelt die taz in ihrer Satirerubrik "die Wahrheit".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. Oktober 2017: Prozess um Gartenhaustragödie / Juristen klagen für Menschenrechte / Rechtsstaat und RAF . In: Legal Tribune Online, 18.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24311/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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