Frauendiskriminierende Scheidungen nach Scharia-Regeln sollen in Europa nicht anerkannt werden, fordert der EuGH-Generalanwalt. Außerdem in der Presseschau: Bundesverwaltungsgericht rügt kostenpflichtige Strandbäder ohne Infrastruktur.
Thema des Tages
EuGH – Scharia-Scheidung: Der EuGH-Generalanwalt plädiert dafür, Scheidungen in der EU nicht anzuerkennen, wenn sie nach Scharia-Recht vorgenommen wurden. Solche Scheidungen seien generell nicht nach der Rom-III-Verordnung anerkennungsfähig, weil das Verfahren Frauen benachteilige. Während der Mann durch dreimaligen Ausspruch der Talaq-Formel seine Ehefrau verstoßen kann, müsse eine scheidungswillige Frau handfeste Gründe vorlegen. Eine Scharia-Scheidung sei deshalb auch dann nicht anerkennungsfähig, wenn die Frau zunächst eingewilligt hat. Damit widerspricht der Generalanwalt der bisher herrschenden Meinung. Der EuGH muss auf Vorlage des Oberlandesgerichts München entscheiden. Konkret geht es um ein deutsch-syrisches Paar. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch) und die FAZ (Constantin van Lijnden).
Helene Bubrowski (FAZ) stimmt dem Generalanwalt zu. Ein Staat dürfe seine Grundüberzeugungen "nicht verraten".
Rechtspolitik
Schengen: Die EU-Kommission hat einen Vorschläg zur Änderung des Schengen-Grenzkodexes angekündigt, der längere Fristen für die zeitweise Wiedereinführung von Grenzkontrollen vorsieht, berichtet die SZ (Thomas Kirchner). Derzeit müssen solche Grenzkontrollen spätestens nach zwei Jahren beendet werden. Die aktuell praktizierten Kontrollen würden deshalb im November enden. Deutschland und vier andere Staaten hatten eine Ausweitung der Frist auf vier Jahre gefordert.
EU-Handelsverträge: Die EU-Kommission schlägt vor, bei EU-Handelsverträgen mit Drittstaaten künftig größtmögliche Transparenz zu üben, berichtet die SZ (Alexander Mühlbauer). Außerdem sollen Handelsverträge künftig in zwei Teile aufgespaltet werden, so dass nationale Parlamente nur den Inhalten zustimmen müssen, die eine nationale Ratifizierung benötigen, etwa Regelungen zum Investorenschutz.
Bundestags-Wahlperioden: Politiker aus allen im Bundestag vertretenen Parteien befürworten eine Ausweitung der Wahlperiode des Bundestags von vier auf fünf Jahre, um für komplexe Gesetzgebungsprojekte mehr Zeit zu haben. Jost Müller-Neuhof (Tsp) lehnt den Vorschlag ab: "Volkes Wille ist zu wandelbar, um ihn längerfristig zu repräsentieren."
Justiz
BVerwG zu kostenpflichtigen Strandbädern: Grundsätzlich hat jeder das Recht, den Meeresstrand als "freie Landschaft" kostenfrei zu betreten. Dies folge aus der allgemeinen Handlungsfreiheit des Grundgesetzes und § 59 Bundesnaturschutzgesetz, entschied am Dienstagabend das Bundesverwaltungsgericht, so die FAZ (Hendrik Wieduwilt) und lto.de (Tanja Podolski). Kommunale Gesellschaften könnten für ihre Strandbäder nur dann Eintritt verlangen, wenn sie dort umfangreiche Infrastruktur anbieten, die über ein Toilettenhäuschen hinausgeht. Die Abzäunung müsse sich dann auch auf die entsprechend gestalteten Teile des Strandes beschränken.
EuGH zur arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit im Flugverkehr: Beschäftigte im Flugverkehr können ihren Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht des Ortes verklagen, an dem sie gewöhnlich ihre Arbeit verrichten. Vertragliche Gerichtsstandsklauseln sind unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmern verbieten, die nach Unionsrecht zuständigen Gerichte anzurufen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof im Streit zwischen der in Irland ansässigen Ryan-Air-Tochter Crew Link und belgischen Beschäftigten. Der Anwalt . Robert von Steinau-Steinrück beleuchtet das Urteil auf lto.de.
BFH zu Mehrwertsteuer für Wiesn-Brezn: Nun berichtet auch community.beck.de (Helge Jacobs) über die Entscheidung des Bundesfinanzhofs, dass für Brezeln, die in den Festzelten des Oktoberfestes verkauft werden, der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent gilt. Es gehe um die Abgabe von Speisen zum sofortigen Verzehr und nicht um eine Gastronomiedienstleistung. Zum Verzehr einer Brezel brauche man keine Bierbänke.
VG Berlin zu Körperwelten: Nun berichtet auch lto.de über die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin zur Berliner Körperwelten-Ausstellung. Da das "Menschen Museum" mit seinem populärwissenschaftlichen Ansatz als anatomisches Institut angesehen werden könne, sei es vom Verbot, Leichen öffentlich auszustellen, ausgenommen. Allerdings durfte die Ausstellung von einzelnen Exponaten verboten werden, bei denen keine Einwilligung des Spenders nachgewiesen werden konnte.
EuGH zur Umverteilung von Flüchtlingen: Nun schildert auch der Juniorprofessor Stefan Martini auf juwiss.de das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von Anfang September zur nachträglichen Umverteilung von Flüchtlingen und die ungarische Reaktion darauf. Der dogmatisch wichtigste Punkt des Urteils sei die Feststellung, dass als effektive Reaktion auf Notlagen mit einem einfachen Ratsbeschluss auch eine EU-Verordnung temporär geändert werden konnte.
OLG München – NSU: Der geplante Beginn der rund sechswöchigen Plädoyers der Nebenkläger musste verschoben werden. Der Angeklagte André E. hatte einen Befangenheitsantrag gegen den OLG-Senat gestellt, der für ihn am Mittwoch wegen Fluchtgefahr Untersuchungshaft anordnete. Zunächst muss über diesen Antrag entschieden werden, berichtet sueddeutsche.de (Annette Ramelsberger).
OLG Stuttgart – Altermedia: Am Oberlandesgericht Stuttgart hat der Prozess gegen vier mutmaßliche Betreiber des inzwischen verbotenen rechtsextremistischen Internetportals Altermedia begonnen. Den Angeklagten werden Gründung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie Volksverhetzung vorgeworfen. Es berichten die SZ (Josef Kelnberger), die FAZ (Rüdiger Soldt) und die taz (Christian Rath).
AG Gießen – Werbung für Schwangerschaftsabbrüche: Eine Ärztin wurde nach Anzeigen von Abtreibungsgegnern angeklagt, gegen § 219a Strafgesetzbuch verstoßen zu haben. Sie habe auf ihrer Homepage darauf hingewiesen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbiete und damit unzulässige Werbung für Abtreibungen betrieben. Die taz (Eiken Bruhn/Dinah Riese) schildert das Verfahren und die Bedeutung dieses Strafparagraphen.
Recht in der Welt
Spanien – Auslieferung Akhanli: Justizminister Heiko Maas (SPD) und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) haben sich in einem Brief an die spanische Regierung gewandt und Argumente gegen eine Auslieferung des deutschen Schriftstellers Dogan Akhanli an die Türkei vorgebracht, so die Welt (Daniel-Dylan Böhmer). Akhanli war während eines Urlaubs in Spanien zeitweise verhaftet worden und darf das Land nicht verlassen, bis über das türkische Auslieferungsgesuch entschieden ist.
Sonstiges
AfD-Fraktionsgelder: Der Habilitand Sebastian Roßner untersucht auf lto.de eine Video-Kampagne der AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag. Er kommt zum Schluss, dass die Fraktion die hierfür aufgewandten Fraktionsgelder an den Landtag zurückzahlen muss, weil sie rechtswidrig verwendet wurden. Die Fraktion habe im Wahlkampf keine Zurückhaltung geübt und sich sogar mit Bundesthemen befasst. Für die Auferlegung einer parteigesetzlichen Sanktion fehle dagegen eine Rechtsgrundlage.
Das Letzte zum Schluss
Den eigenen Dealer angezeigt. Eine Drogenkonsumentin hat bei der Polizei in Bad Kreuznach ihren eigenen Drogendealer angezeigt. Sie war verärgert, weil dieser einen Tag zu spät lieferte und auch noch die falsche Drogensorte brachte. Jetzt wird gegen beide Personen ermittelt, so justillon.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 15. September 2017: Generalanwalt zu Scharia-Scheidung / BVerwG zum Recht auf Strandbesuch / Maas setzt sich für Akhanli ein . In: Legal Tribune Online, 15.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24537/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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