Schleckers Insolvenzverwalter verklagt Drogerie-Lieferanten. Außerdem in der Presseschau: Gegen die Ex-Geliebte Kachelmanns wird wegen Freiheitsberaubung ermittelt und in den USA wird ein "Right to Repair" diskutiert.
Thema des Tages
LG Stuttgart – Preisabsprachen: Schleckers Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz verklagt, laut einem Bericht der Montags-SZ (Michael Kläsgen/Stefan Mayr), Lieferanten des ehemaligen Drogerie-Imperiums auf Schadensersatz in Millionenhöhe, weil diese untereinander Preisabsprachen getroffen haben sollen. Mit dieser Klage beschäftige sich nun das Landgericht Stuttgart, vor dessen 11. Großer Strafkammer seit dem 6. März 2017 ein Verfahren gegen Angehörige der Familie Schlecker läuft. Mittlerweile haben nahezu alle großen Drogerie-Ketten Schadensersatzklagen wegen der Preisabsprachen eingereicht. Betroffen von den Klagen seien etliche Hersteller von Kosmetik, Haushaltsartikeln und Süßwaren.
LG Stuttgart – Schlecker: Über das Verfahren gegen den Dorgerie-Unternehmer Anton Schlecker und seine Familie, die sich wegen vorsätzlichen Bankrotts, Insolvenzverschleppung und Beihilfe hierzu verantworten müssen, berichtet nun auch ausführlich der Focus (Wolfgang Reuter u.a.).
Rechtspolitik
Ehegattenvollmacht: Nach einer Gesetzesinitiative des Bundesrates soll bei Einwilligungsunfähigkeit eine gesetzliche Vollmachtsvermutung für den Ehegatten bzw. Lebenspartner greifen. Über den Inhalt des Entwurfs und über dessen Schwächen schreibt der Notar Herbert Grziwotz auf lto.de.
Heiko Maas im Interview: In einem Interview mit spiegel.de (Florian Gathmann/Honrad Knaup), in dem es vor allem um die Politik der SPD geht, verteidigt Bundesjustizminister Heiko Maas seinen vorgelegten Gesetzvorschlag zu Facebook und Co. "Was strafbar ist, muss nicht nur sehr konsequent von der Justiz verfolgt werden – es hat auch in den Netzwerken nichts zu suchen", so der Minister.
Durchsetzung der Ausreisepflicht: Am kommenden Donnerstag berät der Bundestag über den Entwurf eines "Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht". Dieser setze, neben der Einführung eines neuen Abschiebehaftgrunds für "Gefährder", der elektronischen Fußfessel und der Ausweitung des Ausreisegewahrsams, auch auf Technik zur Herkunftsbestimmung von Asylbewerbern, wie netzpolitik.org (Matthias Monroy) schreibt. § 48 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes erlaube Ausländerbehörden schon jetzt, Personen zur Herausgabe von Mobiltelefonen, USB-Sticks, Tablets oder Laptops zu zwingen, um diese für die Feststellung der Identität zu nutzen.
Justiz
EuGH zu Kopftuch: Die Rechtswissenschaftlerin Elke Cloots erläutert auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) die europarechtlichen Hintergründe im Zusammenhang mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Kopftuchverbot in Unternehmen vom vergangenen Dienstag.
BVerwG zu Verjährungsfrist: Die Rechtsanwälte Gunilla Klöhn und Florian van Schewick befassen sich auf lto.de mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, in der dieses für die Verjährungsfrist für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche die kenntnisabhängige Drei-Jahres-Frist gemäß § 195 Bügerliches Gesetzbuch in der Neufassung für anwendbar hält und zeichnen die bisherige Rechtsprechung zu der Thematik nach.
BGH zu Auskunftspflicht: Ein Urteil des Bundesgerichtshofes erleichtert die journalistische Aufklärungsarbeit, indem es privatrechtlich organisierte, mit der öffentlichen Daseinsvorsorge betraute Unternehmen zur Auskunft verpflichtet. So meldet es nun auch die Samstags-FAZ (Reiner Burger). Unternehmen, die öffentliche Aufgaben, wie die Daseinsvorsorge erfüllten, seien dann als von der öffentlichen Hand beherrscht anzusehen, wenn sich mehr als die Hälfte ihrer Anteile in öffentlichen Besitz befände, konkretisierte das Gericht.
OLG München zu "Oldschool Society": Nun schreibt auch der Spiegel (Beate Lakotta) in einem ausführlichen Bericht vom Prozess gegen die Gruppe "Oldschool Society", deren Mitglieder vom Oberlandesgericht München wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Der Bericht problematisiert auch den sogenannten "Terror-Paragraphen" § 129a Strafgesetzbuch.
VG Berlin zu Schmähgedicht: In einem Eilbeschluss vom vergangenen Freitag hat das Verwaltungsgericht Berlin einem Journalisten einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Bundeskanzleramt in der Böhmermann-Affäre zugesprochen, wie der Tsp (Jost Müller-Neuhof) und lto.de berichten. Danach müsse das Bundeskanzleramt nun mitteilen, welche Dokumente der Bundeskanzlerin vorlagen, bevor sie das Gedicht als "bewusst verletzend" bezeichnete und sich auf die Seite der türkischen Regierung stellte. Das Gericht sah den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung durch das Auskunftsersuchen nicht berührt, da die Informationen keinen Schluss auf zukünftige Regierungsentscheidungen und deren Grundlagen zuließen.
OLG Dresden – Gruppe Freital: Nun berichtet auch die Samstags-taz (Konrad Litschko/Steffi Unsleber) in einem ausführlichen Beitrag über den Prozess gegen die Gruppe Freital vor dem Oberlandesgericht Dresden. Den acht Angeklagten wird die Bildung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, außerdem sollen sie Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte verübt haben.
LG München I – Georg Funke: Vor dem Landgericht München I müssen sich vom heutigen Montag an der frühere Chef der Hypo Real Estate, Georg Funke und sein damaliger Finanzvorstand, Marcus Fell, verantworten, worüber nun die Samstags-FAZ (Marcus Jung/Henning Peitsmeier) berichtet. Ihnen wird die "unrichtige Darstellung" von Bilanzen gemäß § 331 Handelsgesetzbuch vorgeworfen. Andere schwere Verdachtsmomente hätten es aber nicht in die Anklageschrift geschafft. Funke und sein Strafverteidiger Wolfgang Kreuzer bestreiten die Vorwürfe vehement.
LG Chemnitz – Luxusgüter: Vor dem Landgericht Chemnitz wird gegen drei Personen verhandelt, weil sie trotz des 2006 verhängten Embargos für den Handel mit Luxusgütern hochwertige Spirituosen und Kaviarersatz an Nordkorea geliefert haben sollen, schreibt lto.de. Der "Knackpunkt" sei dabei, ab welcher Wertgrenze Waren als "Luxusgüter" einzustufen seien.
LG Krefeld – Untreue: Seit dem vergangenen Freitag müssen sich ein Rechtsanwalt und seine Frau vor dem Landgericht Krefeld wegen des Vorwurfs der Untreue in 900 Fällen verantworten, meldet lto.de. Sie sollen Kanzleivermögen und zum Teil auch Mandantengelder veruntreut haben. Der angeklagte Anwalt sei zuvor auch wegen Parteispenden an die SPD ins öffentliche Interesse gerückt. Daraufhin sei die Staatsanwaltschaft Hinweisen auf ein verstecktes Parteispendensystem nachgegangen, wofür sie aber keine Anhaltspunkte fand.
StA Mannheim – Kachelmann: Die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelt gegen Claudia D., die im Jahre 2010 Vergewaltigungsvorwürfe gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann erhob, der daraufhin 132 Tage in Untersuchungshaft verbrachte und in einem späteren Strafverfahren freigesprochen wurde. Ermittelt werde wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft. Anlass für die Aufnahme der Ermittlungen war ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, das D. zur Zahlung der Kosten für die entlastenden Gutachten verpflichtete und dabei feststellte, sie habe bewusst gelogen. Ihr Anwalt Manfred Zipper äußerte gegenüber den Medien: "Meine Mandantin hatte nie die Intention, Herrn Kachelmann mit einer Falschaussage in den Knast zu bringen." Dies ließe auch die Deutung zu, D. habe zwar falsch ausgesagt, aber ohne böse Absicht. Es berichten spiegel.de (Dietmar Hipp/Barbara Schmid) und die Montags-Welt (Gisela Friedrichsen).
Offener Brief an Bundesrichter Fischer: In einem offenen Brief wirft Simone Schmollack (Samstags-taz) Bundesrichter Thomas Fischer ein sexistisches Frauenbild vor und erklärt, warum ein mit ihm geführtes Interview nicht veröffentlicht wurde.
Gerichtsbericht: Die FAS (Raquel Erdtmann) berichtet über das Verfahren gegen einen Herrn M. wegen Diebstahls. Der studierte Chemiker habe in den letzten zwanzig Jahren permanent im Gefängnis gesessen, immer wegen Diebstahls, er sei drogenabhängig. Thematisiert wird eine Hilflosigkeit der Justiz im Umgang mit Strafsachen, in denen der "Sinn einer Strafe" nicht greife.
Recht in der Welt
Polen – Verfassungsgericht: Auf verfassungsblog.de befasst sich die Rechtsprofessorin Agnieszka Grzelak (in englischer Sprache) mit der aktuellen Debatte um die verfassungsrechtliche Kontrolle in Polen. Eines der wichtigsten Themen sei dabei, dass alle Richter in der Lage sein müssten, die Verfassung direkt Anwendung finden zu lassen. Zwar sehe die polnische Verfassung dies vor, in der Praxis würden sich die Gerichte dennoch in Verfassungsrechtsfragen an das Verfassungsgericht wenden.
USA – Völkermord an Herero und Nama: In dem Rechtsstreit von Herero und Nama gegen Deutschland wegen Entschädigungszahlungen für die zwischen 1904 und 1908 begangenen Verbrechen deutscher Truppen im heutigen Namibia, hat das New Yorker Gericht einen ersten Anhörungstermin festgelegt. Damit sei ein erster Erfolg der Kläger erzielt, so spiegel.de (Max Holscher). Deutschland hatte die Geschehnisse zwar als Völkermord anerkannt, verweigerte aber bisher Entschädigungszahlungen.
USA – Leo Frank: Im Sonntags-Feuilleton auf lto.de (Martin Rath) wird die Dissertation des Historikers Kristoff Kerl mit dem Titel "Männlichkeit und moderner Antisemitismus. Eine Genealogie des Leo-Frank-Case" vorgestellt. Frank, der im Jahr 1913 Leiter einer Bleistiftfabrik war, wurde wegen Mordes angeklagt und verurteilt. Die Doktorarbeit stelle das Strafverfahren gegen Frank dar und kläre über die "Rassen- und Geschlechtervorstellungen" der damaligen Justiz und Gesellschaft auf.
Türkei – Menschenrechte: Auf die unveräußerlichen Freiheiten, die sich Europa erkämpft habe und mit denen der türkische Regierungschef Erdoğan "ersichtlich nichts anfangen" könne, weist Reinhard Müller (Montags-FAZ) hin. Die Türkei habe sich der Jurisdiktion der Europäischen Menschenrechtskonvention unterworfen. Aber auch eine Abkehr von Europa ändere nichts daran, dass Deutschland sich einmischen müsste, "weil die fundamentalen Rechte eines jeden Einzelnen unveräußerlich sind".
Sonstiges
"Right to Repair": Zur Zeit sei in den USA eine Debatte um ein Recht auf Reparatur entflammt, das Hersteller von Smartphones dazu verpflichten soll, Ersatzteile, Montageanleitungen und Diagnosetools an Privatleute und unabhängige Händler zu liefern. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Tim Jülicher stellt auf lto.de die Hintergründe der Diskussion um das "Right to Repair" dar und erklärt, warum auf Grund der aktuellen Rechtslage in Deutschland mit der Einführung eines entsprechenden Instituts nicht zu rechnen sei.
Inkasso: Kommt es bei Online-Einkäufen zu Fehlern in der Abbuchung, können Inkassoschreiben die Folge sein, ohne dass zuvor gemahnt wurde. Die FAS (Dyrk Scherff) befasst sich mit dieser umstrittenen Praxis und erläutert die Rechtslage.
Wahlkampf im Ausland: Nachdem mehreren türkischen Ministern in EU-Ländern die Wahlkampfauftritte untersagt wurden, fragt die Montags-taz (Christian Rath) nach Wahlkampfauftritten deutscher Regierungspolitiker im Ausland. Gesetzlich sei dies nicht geregelt. Das Bundesverfassungsgericht trenne aber strikt zwischen Regierungsamt und Parteifunktion, weshalb bei Wahlkampfauftritten keine Ressourcen des Amtes verwendet werden dürften. Der Artikel verweist auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Anfang März, in dem es feststellte, dass türkische Minister als Vertreter des türkischen Staates einreisten und nicht als Privatpersonen. Nach Einschätzung des Berichts hat das Bundesverfassungsgericht diese Einstufung vorgenommen, weil die türkischen Minister wie Staatsvertreter und nicht wie Parteipolitiker auftraten.
Städtisches Vorkaufsrecht: Um potentielle Käufer von der Sanierung von Wohnhäusern abzuhalten, drohe der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg mit dem städtischen Vorkaufsrecht. Die Käufer könnten dem zuvorkommen, indem sie eine Abwendungsvereinbarung unterzeichneten. Rechtsanwalt Uwe Bottermann, der in dem Bericht der WamS (Michael Fabricius) zitiert wird, erklärt, diese Abwendungsvereinbarungen untersagten Umbaumaßnahmen durch Käufer, die vom Milieuschutz nicht mehr gedeckt seien.
Parteienherrschaft statt Volkssouveränität: Im Ressort das "Politische Buch" rezensiert die Montags-SZ (Christian Nürnberger) das neu erschienene Buch des Rechtswissenschaftlers Hans Herbert von Armin mit dem Titel "Hebel der Macht", in dem dieser Kritik an der "Parteienherrschaft" übt. Das Grundgesetz spreche nur von der "politischen Willensbildung", an der die Parteien mitwirken sollen, nicht von "Parteiherrschaft". Neu an seinem Buch sei, dass von Arnim eine "Fundamentalkritik an unserem gesamten politischen System" übe, dabei aber zentrale Aspekte, insbesondere andere Gefahren für die Demokratie, übersehe.
Rainer Wendt: DPolG-Chef Rainer Wendt bezog jahrelang neben seiner Tätigkeit in Berlin einen Beamten-Sold vom Land Nordrhein-Westfalen für eine Teilzeitstelle bei der Polizei. Über die Hintergründe der Causa Wendt, insbesondere über die Praxis der Freistellung von Personalratsmitgliedern von ihren Dienststellen in NRW, berichtet die Montags-FAZ (Reiner Burger).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/lz
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. bis 20. März 2017: Schlecker als Geschädigter? / Ermittlungen gegen Claudia D. / Right to Repair . In: Legal Tribune Online, 20.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22417/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag