Igelt die Justiz sich ein, sobald sie Polizisten einmal ungeschoren davonkommen lässt? So meint jedenfalls ein ehemaliger Juraprofessor – und zieht vors Bundesverfassungsgericht. Außerdem in der Presseschau: Welche Gesetze das Jahr 2015 bringt, die Sachsen-CDU will das Asylrecht überdenken, Kartellklagen durch Endkunden sollen einfacher werden und warum man Arbeitskollegen auch mal nicht erkennen darf.
Thema des Tages
BVerfG – Einigeln der Justiz: Einem Mann war kurz nach seinem Tod die EC-Karte gestohlen worden – möglicherweise durch zwei Polizeibeamte. Der Fall ging durch die Berliner Justiz und mündete in der Ablehnung durch das Berliner Kammergericht, eine Anklage wegen Falschaussage eines Polizisten zu erzwingen. Der Bruder des Verstorbenen, ein ehemaliger Juraprofessor, hat jetzt im Namen seines verstorbenen Bruders Verfassungsbeschwerde eingelegt: Die Weigerung des Kammergerichts sei willkürlich und verletze den Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz. Die Berliner Justiz versuche unter allen Umständen, "die einmal eingeschlagene Richtung – die Polizisten ungeschoren zu lassen – zu verteidigen". Die taz (Christian Rath) berichtet.
Rechtspolitik
Gesetze 2015: Das Jahr 2015 bringt Mindestlohn, Mietpreisbremse, Elterngeld Plus. Welche Gesetze kommen noch? Die SZ (Guido Bohsem u.a.) und die FAZ (Joachim Jahn) stellen jeweils in einem ganzseitigen Überblick vor, was unter anderem in den Bereichen Arbeit und Soziales, Steuern und Verbraucherrecht zu erwarten ist.
Asylrecht: Die CDU in Sachsen will als Reaktion auf die "Pegida"-Demos eine Expertenkommission einsetzen, um die Zuwanderungs- und Asylpolitik zu überprüfen. Außerdem soll Tunesien zu einem "sicheren Herkunftsland" erklärt werden. Einen Abschiebestopp in den Wintermonaten wie etwa in Schleswig-Holstein lehnt die Partei ab. Es berichtet lto.de.
Kartellklagen für Endkunden: Eine neue EU-Richtlinie soll kartellrechtliche Schadensersatzklagen für Endkunden vereinfachen – unter anderem durch Beweiserleichterungen und Vermutungsregeln. Der Jurist Ralf Dietrich stellt die Richtlinie auf lto.de vor.
Justiz
BVerfG zur Erbschaftsteuer: Einmal mehr mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer befassen sich die Anwälte Frank Hannes und Christian von Oertzen in der FAZ. Von den Änderungen, die das BVerfG vom Gesetzgeber fordert, seien vor allem drei Gruppen von Unternehmen betroffen: "Unternehmen mit einem hohen Anteil an Verwaltungsvermögen, große Unternehmen und kleine Unternehmen mit ungewisser Zukunft und hohem Lohnsummenrisiko."
OLG München – NSU-Prozess: Zum NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München zieht Frank Jansen (Tagesspiegel) eine persönliche Zwischenbilanz. Nie zuvor habe er in einem Prozess so viele Abgründe geblickt wie in diesem.
LG Duisburg – Love-Parade: Vor der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg wird voraussichtlich 2015 der Prozess um die Love-Parade-Katastrophe im Jahr 2010 stattfinden. spiegel.de portraitiert den Vorsitzenden Richter Joachim Schwartz. Er sei als diplomierter Verwaltungswirt "vielleicht besonders geeignet, die Vorgänge in der Behörde zu beurteilen, die zur Katastrophe geführt haben sollen".
Jugendstrafjustiz: Die taz (Sabine Seifert) stellt den ehemaligen Berliner Jugendrichter Kay-Thomas Dieckmann vor, der viele Missbrauchsfälle bearbeitet hat. Der Artikel beschreibt den mitunter schwierigen Alltag der Jugendstrafjustiz.
Rechtsprechung 2014: In ihrem Finanzteil stellt die Welt (Kathrin Gotthold) die "wichtigsten Urteile des Jahres 2014" kurz zusammen, unter anderem zu den Themen Pflegegeld, Arbeitszeitbetrug und Sparguthaben von Hartz-IV-Empfängern.
Recht in der Welt
Russland – vorgezogenes Urteil: Die russische Justiz hat das Urteil im umstrittenen Prozess gegen den Kremlgegner Alexej Nawalny um zwei Wochen auf den heutigen Dienstag vorverlegt. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Straflager. Wegen der Urteilsverschiebung riefen seine Anhänger zu einer Kundgebung auf, berichtet spiegel.de.
USA – Geheimdienste: Die nach und nach ans Licht gekommenen "Missetaten" der US-amerikanischen Geheimdienste NSA und CIA müssen vor die Justiz, fordert Nils Minkmar (FAZ): Es möge sein, dass es gute Gründe gab, "Gesetze zu vergessen, Anwälte und selbst Staatsanwälte zu übergehen und völlig neue Prinzipien der vorauseilenden Verurteilung von Terrorverdächtigen einzuführen". Solche exekutiven Notstandshandlungen müssten aber in einem demokratischen Rechtsstaat durch Gerichte überprüft werden.
Sonstiges
Selbstanzeige: Das Handelsblatt (Marko Wieczorek) bespricht kurz den neu eingeführten § 371 Abs. 2a der Abgabenordnung, demzufolge eine korrigierte oder verspätete Umsatzsteuervoranmeldung beziehungsweise Lohnsteueranmeldung zukünftig wieder als wirksame Selbstanzeige gelte.
Das Letzte zum Schluss
Chefsekretärin nicht erkannt: Keine Grundlage für eine Abmahnung sah das Arbeitsgericht Gelsenkirchen im Fall einer Klägerin, die in der Patientenaufnahme des beklagten Krankenhauses arbeitet und die Chefsekretärin nicht erkannte, als die mit Patientenakten des Chefarztes in der Anmeldung stand. "Wer sind Sie denn?", soll die Klägerin die Sekretärin gefragt haben. Die Kammervorsitzende habe darin allerdings "keine Pflichtverletzung" gesehen, meldet blog.beck.de (Christian Rolfs).
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 30. Dezember 2014: Einigeln der Justiz – Gesetze 2015 – Kartellklagen für Endkunden . In: Legal Tribune Online, 30.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14225/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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