Die Bundesregierung nimmt den Antrag des Bundesrates, die NPD durch das Bundesverfassungsgericht verbieten zu lassen, mit Respekt zur Kenntnis, schließt sich ihm aber nicht an. Außerdem in der heutigen Presseschau: Die Bundesanwaltschaft übernimmt Ermittlungen gegen Salafisten, OLG München zu Raubkunst, neue Anklage wegen SachsenLB und ein spektakulärer Ausbruch.
NPD-Verbot: Der im Dezember gefasste Beschluss des Bundesrates, beim Bundesverfassungsgericht das Verbot der NPD zu beantragen, wird nicht durch einen eigenen Antrag der Bundesregierung unterstützt. Ein entsprechender Beschluss soll bei der Kabinettssitzung am Mittwoch fallen.
Nach dem Bericht der SZ (Robert Rossmann) seien für die Entscheidung im wesentlichen die Minister der FDP verantwortlich, die Zweifel an den Erfolgsaussichten des Verbotsantrags hegten und sich auf die politische Bekämpfung der NPD konzentrieren wollten. Die Regierung nehme den Antrag des Bundesrates "mit Respekt zur Kenntnis" und sichere auch die fortgesetzte Unterstützungsarbeit von Bundesbehörden zu.
In seinem gesonderten Kommentar bemerkt Robert Rossmann (SZ), dass es die Regierung "ehre", sich trotz der Gefahr einer wahlkampfbedingten Instrumentalisierung des Themas so entschieden zu haben. "Ein Antrag reicht." Auch Reinhard Müller kommentiert in der FAZ wohlwollend. Angesichts unsicherer Erfolgsaussichten sei die Entscheidung "keine Schande", denn "wer nach Karlsruhe zieht, ist für ein mögliches Scheitern verantwortlich." Anders dagegen Klaus Hillenbrand im Leitartikel der taz. Auch wenn das Verbotsverfahren mit Risiken verbunden sei, nicht zuletzt weil "die europäische Justiz" das Verbot wieder aufheben könnte, müsse es durchgeführt werden – um dem "Skandal" der staatlichen Finanzierung von Rechtsradikalen ein Ende zu bereiten.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Honoraranlageberatungsgesetz: Das Handelsblatt (Frank M. Drost) berichtet über die parlamentarische Anhörung zu einem von der Bundesregierung geplanten Honoraranlageberatungsgesetz. Das Vorhaben solle beim Verkauf von Finanzprodukten unabhängige Honorarberater gegenüber Bankberatern stärken, für die oftmals die eigene Provision im Vordergrund stehe. Kritiker bemängelten u.a. die Beschränkung auf Investmentprodukte.
Prostitutionsgesetz in Bremen: Kai von Appen kritisiert in einem Kommentar in der taz-nord das vom Bremer Senat geplante Landesprostitutionsgesetz scharf. Zwar sei der postulierte Gesetzeszweck – die Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution - des bundesweit einzigartigen Vorhabens "löblich." Bei genauerer Betrachtung ergebe sich jedoch "ein lupenreines Polizeigesetz gegen Prostitution", mit dem die "Sexarbeit einer repressiven Kontrolle" unterzogen werden solle.
Verjährungsfristen bei Missbrauchsfällen: Rechtsprofessorin Tatjana Hörnle stellt auf lto.de das in der letzten Woche verabschiedete Gesetz zur Stärkung der Rechte der Opfer sexuellen Missbrauchs vor. Mit der Neuregelung hat der Gesetzgeber die Verjährungsfrist zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auf 30 Jahre verlängert, die strafrechtliche Verjährung beginnt nun erst ab dem 21. Lebensjahr des Opfers zu laufen. Die Autorin hält die Angleichung von zivilrechtlichen Verjährungsfristen an die strafrechtlichen für sinnvoll und konsequent, weist aber darauf hin, dass etwa das österreichische Strafrecht in vergleichbaren Fällen ein Ruhen der Verjährung bis zum 28. Lebensjahr vorsehe. Weil traumatische Erlebnisse im Kindesalter oft verdrängt würden, seien längere Fristen auch im Strafrecht wünschenswert.
Weitere Themen - Justiz
EGMR zu Präsidentenbeleidigung: Die Verurteilung wegen Beleidigung des Präsidenten der französischen Republik verstößt nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen Art. 10 EMRK. Über die Entscheidung und die Hintergründe des Falls berichtet Thomas Stadler (internet-law). Zu der nun aufgehobenen Verurteilung habe ein Transparent geführt, auf dem der frühere Präsident Sarkozy als armer Idiot bezeichnet wurde. Die Besonderheit war aber, dass diese Äußerung von Sarkozy selbst stammte: Dieser habe zuvor einen Landwirt, der sich auf einer Veranstaltung weigerte, ihm die Hand zu geben, als armen Idioten bezeichnet. Das Gericht führte bei seiner Entscheidung aus, dass der satirische Ansatz der Kritik besonderen Schutz genieße.
Bundesanwaltschaft übernimmt: Die Bundesanwaltschaft hat das Verfahren gegen die in der vergangenen Woche festgenommenen Salafisten, die einen Anschlag auf den Chef der "Pro NRW"-Partei geplant haben sollen, von der Staatsanwaltschaft Dortmund übernommen. Dies berichtet die FAZ (Reiner Burger). Nach Mitteilung des Generalbundesanwalts hätten die bisherigen Ermittlungen zureichende Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, dass die Festgenommenen "eine inländische terroristische Vereinigung radikal-islamistischer Prägung gebildet" hätten. Auch die SZ (Hans Leyendecker) berichtet.
BGH zu Garantiebegriff: Udo Vetter bespricht im lawblog eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur kaufrechtlichen Gewährleistung. Bei Verträgen zwischen Verbrauchern sei unabhängig von den im Vertrag gewählten Formulierungen eine "verständige Würdigung" des von den Beteiligten wirklich Gewollten zu unternehmen. Der Autor begrüßt das Urteil, denn: "Den Unterschied zwischen Gewährleistung und Garantie verstehen mitunter nicht mal Juristen."
OLG München zu Raubkunst: Der Großteil einer vor 15 Jahren in München sichergestellten Sammlung von wertvollen Kunstgegenständen gelangt nach Zypern zurück, nachdem das Oberlandesgericht München die vom Besitzer hiergegen eingelegte Berufung weitgehend zurückgewiesen hat. Dies meldet lto.de. Auch die SZ (Tim Neshitov) berichtet im Feuilleton über die "skurrile juristische Hängepartie." Die teils aus frühchristlicher Zeit stammenden Kunstschätze seien während der türkischen Besatzung Nord-Zyperns gestohlen worden. Zu ihrer Auffindung habe maßgeblich ein geläuterter Kunstdieb beigetragen, der als Scheinkäufer eingesetzt worden sei. Die zypriotische Generalkonsulin in Den Haag, die seit den 1980er Jahren europaweit um die Rückgabe gestohlener Kunstgegenstände kämpfe, kritisiere derweil auch nach der Entscheidung die Gesetzeslage in vielen EU-Ländern. Im Widerspruch zu Erklärungen der Unesco begünstige diese die Interessen von Sammlern und Auktionshäusern, während Zypern die Rückgabe von geschätzten 20.000 Kunstwerken erwarte.
Mollath – Wiederaufnahme: Im Fall des nach wie vor in der geschlossenen Psychatrie einsitzenden Gustl Mollath hat nun auch die Staatsanwaltschaft Regensburg die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt, meldet die SZ (Olaf Przybilla) in ihrem Bayern-Teil. Der Antrag verfolge das Ziel, die Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen sowie den Beweiswert einer Urkunde, mutmaßlich des ärztlichen Attests zu den Verletzungen der früheren Ehefrau Mollaths, zu überprüfen.
LG Düsseldorf – Jobcenter-Mord: Vor dem Landgericht Düsseldorf findet der Mordprozess wegen der Tötung einer Jobcenter-Mitarbeiterin in Neuss statt. Die SZ (Hans Holzhaider) berichtet ausführlich im Rahmen einer Seite-Drei-Reportage.
AG Dresden – Prozess gegen Jugendpfarrer verschoben: Der Prozess gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König vor dem Amtsgericht Dresden wegen Vorfällen bei Protesten gegen einen Neonazi-Aufmarsch im Jahr 2011 ist auf Anfang April verschoben worden. Dies meldet die SZ (cop). Der Verteidiger des Angeklagten habe vor Prozessbeginn bei Einsichtnahme in Originalakten des Gerichts nach Anklageerhebung entstandene Unterlagen entdeckt. Die erbetene Stellungnahme des Gerichts habe kurzfristig nicht erfolgen können.
StA Leipzig zu SachsenLB: Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat Anklage gegen ehemalige Vorstandsmitglieder der Landesbank Sachsen erhoben. Sie wirft den Bankern vor, vorsätzlich die Risiken hochkomplexer Finanzgeschäfte missachtet zu haben, schreibt die SZ (Hans Leyendecker / Klaus Ott) in ihrem Wirtschafts-Teil. Die Anklage wegen Untreue könne "Geschichte machen." In bisherigen Verfahren seien "Nebenschauplätze" der Bankenkrise behandelt worden, nun ginge es um "den Kern des Desasters, das Zocken mit toxischen Papieren." Bemerkenswert sei auch die Entstehung der Anklageschrift. Diese stütze sich im Wesentlichen auf das Gutachten einer renommierten Kanzlei und einer Wirtschaftsprüfungsagentur, nach den Worten der beteiligten Verteidiger ein Umstand, der "einmalig in der deutschen Rechtsgeschichte" sei.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Guatemala – Diktaturaufarbeitung: Nachdem das Verfassungsgericht Guatemalas seinen Antrag auf Gewährung einer Amnestie abgelehnt hat, soll heute der Prozess gegen den früheren Staatschef Jose Efrain Rios Montt und seinen Geheimdienstchef eröffnet werden, meldet die FAZ (Josef Oehrlein). Vorgeworfen werde den Angeklagten die Ermordung von mehr als 1.700 Angehörigen einer indigenen Volksgruppe, die Anklage laute auf Völkermord und Menschenrechtsverletzung.
USA – Vergewaltigungsprozess: Zwei Jugendliche sind in Ohio/USA wegen der Vergewaltigung einer Mitschülerin zu mindestens einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Der Fall hatte für landesweites Aufsehen gesorgt, weil die Täter Mitglieder der äußerst erfolgreichen High-School-Football-Mannschaft einer Kleinstadt sind und die Tat filmten und fotografierten. Vertuschungs-Vorwürfe gegen weitere Mitglieder des Teams und auch dessen Trainer stehen weiterhin im Raum. Der Spiegel (ulz) berichtet.
Großbritannien – Pressekodex: In ihrem Medien-Teil berichtet die SZ (Alexander Menden) über den in letzter Minute erzielten Kompromiss zur Schaffung eines neuen Pressekodexes. Zwischen den drei großen britischen Parteien sei bis zuletzt umstritten gewesen, wie die Unabhängigkeit eines infolge des Abhörskandals bei der mittlerweile eingestellten News of the World-Zeitung einzurichtenden Presserates als Aufsichtsbehörde abgesichert werden solle. Die Einigung sehe den Erlass einer sogenannten "Royal Charter", einer königlichen Satzung vor. Diese entfalte zwar keine Gesetzeskraft, könne fortan aber nur durch eine parlamentarische Zweidrittelmehrheit geändert werden.
Sonstiges
Toter Star-Anwalt: Die SZ (Michael Kläsgen) porträtiert in ihrem Wirtschafts-Teil den französischen Star-Anwalt Olivier Metzner, der am Wochenende freiwillig aus dem Leben schied. Der "Genscher der Strafverteidiger" habe als schillernde Figur gegolten, die viele Polit-Affären in Frankreich entscheidend prägte.
Mietrechtsreform: Am 1. Mai* tritt die Mietrechtsreform in Kraft, mit der v.a. der Klimaschutz gefördert werden soll. Anlass für LTO, eine Themenwoche auszurufen, in deren Verlauf Experten die Kernpunkte der Neuregelungen erläutern. Einen thematischen Überblick gibt es hier.
Doppelte Staatsbürgerschaft: lto.de (Claudia Kornmeier) befragt die Anwältin Seyran Ates zum Themenkomplex doppelte Staatsbürgerschaft. Die türkischstämmige Berlinerin hat kürzlich freiwillig ihren türkischen Pass aufgegeben und ist der Ansicht, dass mehrere Staatsbürgerschaften den meisten Menschen "eher Nach- als Vorteile" brächten. Der Zwang zur Entscheidung, dem sich volljährig werdende Kinder von Nicht-EU-Staatsangehörigen gegenübersähen, sei als Chance zu begreifen. Neben der emotionalen Debatte um Identitätskonflikte könnten Betroffene sich aktiv um Kenntnisse der politischen Lage in beiden Ländern bemühen. Sie seien hierbei aber auch durch Bildungsangebote zu begleiten.
Das Letzte zum Schluss
Ausbruch durch die Luft: Zwei kanadischen Häftlingen gelang am Wochenende ein Gefängnisausbruch der spektakulären Art. Sie flüchteten mit einem Hubschrauber, den Komplizen zuvor in ihre Gewalt gebracht hatten. Wenige Stunden später war der Ausflug in die Freiheit jedoch wieder beendet. Über den Fall berichtet die SZ (lie) und erinnert an vergleichbare Ausbrüche.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
*Anm. d. Red. v. 19.03.2013: Ursprünglich stand hier, dass die Mietrechtsreform am 1. April in Kraft trete, tatsächlich tritt sie jedoch erst am 1. Mai in Kraft.
Die juristische Presseschau vom 19. März 2013: NPD-Verbot ohne Regierung - OLG zu Raubkunst - Anklage wegen SachsenLB . In: Legal Tribune Online, 19.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8353/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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