Der Generalanwalt beim EuGH hat sich gegen die Haftung von Betreibern offener W-LANs ausgesprochen. Außerdem in der Presseschau: Wohl keine Enteignung bei Atomausstieg, kein Rücktrittsrecht bei VW-Tiguan und ein Verhör mit Google-Translate.
Thema des Tages
EuGH – Generalanwalt zu W-Lan-Haftung: Auf Vorlage des Landgericht München I muss sich der Europäische Gerichtshof zur Frage äußern, ob Betreiber offener W-LANs für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer haften und zu Sicherung oder Verschlüsselung ihres Zugangs verpflichtet werden können. In seinen Schlussanträgen hat der Generalanwalt Maciej Szupunar sich dagegen ausgesprochen, der mögliche Nachteil durch allgemeine Verschlüsselung könne das Interesse der Urheber überwiegen. Dazu schreiben Rechtsprofessor Rolf Schwartmann und der wissenschaftliche Mitarbeiter Christian-Henner Hentsch auf lto.de, internet-law.de (Thomas Stadler), taz (Svenja Bergt), SZ (Guido Bohsem), FAZ (Urs Humpenöder) und HBl (Dana Heide).
Rechtspolitik
Sexualstrafrecht: Ohne große Änderungen hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium zur Verschärfung des Sexualstrafrechts angenommen. Weder "Nein heißt Nein", noch das Begrapschen haben es in den Entwurf geschafft. Dazu schreiben taz (Christian Rath), SZ (Constanze von Bullion), FAZ (Johannes Leithäuser), Welt (Peter Issig/Sabine Menkens).
Christian Rath (taz.de) kritisiert, der Entwurf relativiere die sexuelle Selbstbestimmung und begrenze sie auf "besondere Umstände", nun seien die Abgeordneten in der parlamentarischen Beratung am Zug. Heribert Prantl (SZ) zeigt sowohl Argumente für, als auch gegen eine Verschärfung auf und fordert weiteres Nachdenken.
Tabakpackungen: An diesem Freitag entscheidet der Bundesrat über die vom Bundestag beschlossene Umsetzung der EU-Richtlinie, die Schockbilder auf Tabakpackungen fordert. Die Zeit (Claus Hecking) befasst sich mit dem Kampf der Tabaklobby gegen diese Regelung und ihre Umsetzung in Deutschland. Separat schreibt die Zeit (Marie Tuil) wie der EU-Katalog von 42 Schockfotos ausgewählt wurde.
Kulturgutschutzgesetz: Kulturgüter im Land halten zu wollen sei kein hinreichendes Gemeinwohlinteresse, um das Eigentum in der Weise zu beschränken, wie es das Kulturgutschutzgesetz vorsieht und weitere berechtigte Allgemeininteressen seien nicht ersichtlich, kritisiert Rechtsanwalt Hans-Jürgen Hellwig in der FAZ. Die geplante Regelung sei rechtswidrig.
BVerfG-Besetzung: Kurz vor der anstehenden Neubesetzung kritisiert der Notar und ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht Christoph Moes in der FAZ die hohe Anzahl von Staatsrechtsprofessoren am Bundesverfassungsgericht. Verfassungsgerichtsbarkeit bedürfe unterschiedlicher Blickwinkel auf das Recht und Expertise in unterschiedlichen Rechtsgebieten. "Mit ihrer inhärenten Übergriffigkeit gegenüber der Sphäre der Politik" präge "die Ausrichtung der deutschen Staatsrechtslehre an dogmatischen Ableitungszusammenhängen" außerdem den Begründungsstil des Gerichts.
Justizgipfel: Am heutigen Donnerstag hat Bundesjustizminister Maas zu einem Jusitzgipfel eingeladen, um über die Sensibilisierung der Justiz für rechtsextremistische Taten und die effektive Verfolgung von Äußerungsdelikten im Internet zu beraten. Dazu schreiben FAZ (Reinhard Müller) und SZ (Lena Kampf/Klaus Ott).
Urhebervertragsrecht: Der Rechtsprofessor Rolf Schwartmann schreibt in der FAZ über den Gesetzentwurf zum Urhebervertragsrecht, der ein "Tiger mit scharfen Zähnen" war, die ihm bis auf einen - das Verbandsklagerecht - gezogen wurden. In einer traditionell zersplitterten Branche könne das Urheberverbänden und Gewerkschaften neue Mitglieder bescheren, insofern sei das geplante Gesetz vor allem ein Geschenk an diese.
Justiz
EuG zu Dextro Energy: Das Europäische Gericht hat eine Entscheidung der EU-Kommission gebilligt, mit der diese dem deutschen Unternehmen Dextro Energy das Bewerben seiner Produkte mit wissenschaftlich fundierten Aussagen über die Wirkung von Glucose auf den Energiestoffwechsel untersagt hatte. Die Empfehlung von Zuckerverzehr ohne Warnung vor den Risiken erhöhten Zuckerkonsums sei für den Verbraucher irreführend. Das meldet lto.de.
BVerfG – Atomausstieg: In der am gestrigen Mittwoch beendeten Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zum Atomausstieg zeigte sich, dass die Richter wohl den beschleunigten Ausstieg nicht als Enteignung sondern als lediglich ausnahmsweise entschädigungspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums werten, womit Verhältnismäßigkeit der Maßnahme und eventueller Vertrauensschutz entscheidend werden. Maßgeblich werden wohl die Strommengen von 2002 sein und damit die Frage übrig bleiben, inwiefern dafür zu entschädigen ist, wenn diese Strommengen bis zu den 2011 zusätzlich eingeführten festen Abschaltterminen nicht voll genutzt werden können. Dazu schreiben BadZ (Christian Rath), SZ (Wolfgang Janisch) und FAZ (Joachim Jahn).
Malte Kreuzfeld (taz) meint, es fehle am Schaden, weil sich die Kraftwerke mit den Strommengen von 2002 amortisieren würden, weshalb die Konzerne der Regelung seinerzeit zugestimmt hätten. Die durch den Ausstieg vom Ausstieg geweckten Hoffnungen auf zusätzliche Gewinne seien nicht geschützt.
BVerwG – Rundfunkbeitrag: zeit.de (Bernd Gräber) befasst sich mit den seit dem gestrigen Mittwoch vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelten Klagen gegen den Rundfunkbeitrag. Diesen sei ein grundsätzliches Überdenken des Rundfunkbeitrags vorzuziehen.
BVerwG zu Montblanc-Füller-Kauf: Nach Bildrecherchen haben 115 Abgeordnete zum Ende der Wahlperiode vor sechs Jahren schnell noch Montblanc-Füller im Gesamtwert von 68.800 Euro gekauft und von der Bundestagsverwaltung erstatten lassen. Das Bundesverwaltungsgericht entschied nun, dass die Namen der Abgeordneten geheim gehalten werden dürfen, schreibt bild.de.
BGH zu Widerrufsrecht: Es ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn ein Verbraucher bei Fernabsatzverträgen unter "Drohung" mit Widerruf einen Preisnachlass fordert, weil er das Produkt anderweitig günstiger gesehen hat, entschied der Bundesgerichtshof. Der Verbraucher sei in seiner Entscheidung für den Widerruf frei, einen Grund brauche er nicht, so fordere das Gesetz auch keine Angabe eines Grundes. Das melden u.a. lawblog.de (Udo Vetter) und lto.de.
OLG München – NSU: Vor dem Oberlandesgericht München hat Beate Zschäpe ihre Anwälte Antworten auf Fragen des Gerichts verlesen lassen, in denen sie weiter vorherige Kenntnis von den Taten bestreitet. Sie stellt sich selbst weiterhin als unwissend und in einer Opferrolle dar, belastet jedoch den Angeklagten André E., der jedenfalls von den Raubtaten erfahren haben soll. Dazu schreiben spiegel.de (Gisela Friedrichsen), taz (Konrad Litschko), SZ (Annette Ramelsberger), zeit.de (Tom Sundermann).
VG Gelsenkirchen zu Mindestgröße bei Polizei: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat einem Mann Recht gegeben, der klagte, weil er mit 1,66 Meter Größe die Mindestgröße von 1,68 Meter nicht erreichte und deshalb als Bewerber bei der Polizei abgelehnt wurde. Die Grenze sei willkürlich, so das Gericht laut Zeit (grn).
LG Bochum zu VW-Rückgabe: Die Software-Manipulationen an VW-Dieselfahrzeugen berechtigen Käufer von VW Tiguan nicht zum Rücktritt gegenüber ihren Händlern, so das Landgericht Bochum in der ersten Entscheidung über eine derartige Klage. Die Kosten zur Behebung des Mangels liegen unter der Bagatellgrenze von einem Prozent des Kaufpreises und der Händler sei sicherlich nicht eingeweiht gewesen. Das melden taz, lto.de und lawblog.de (Udo Vetter). Auch die SZ (Varinia Bernau/Thomas Harloff) schreibt dazu und verweist auf andere betroffene VW-Fahrzeuge, bei denen die Bagatellgrenze überschritten sein könnte, weil sie einen geringeren Kaufpreis haben oder mehr als nur ein Software-Update benötigen.
Recht in der Welt
EU/Türkei – Flüchtlingsrückführung: Nach einer am gestrigen Mittwoch vorgestellten Bewertung der geplanten Vereinbarung zwischen EU und Türkei durch die Rechtsabteilung der EU-Kommission, steht diese im Einklang mit Unionsrecht. Griechenland habe jedoch noch Vorkehrungen zur Berufung bei abgelehnten Anträgen zu treffen und die Türkei müsse für nichteuropäische Flüchtlinge für einen der Genfer Flüchtlingskonvention gleichwertigen Schutz sorgen. Dazu schreibt u.a. die FAZ (Hendrik Kafsack/Michael Stabenow).
Sonstiges
Recht auf Wikipedia: lto.de (Stefan Mey) schreibt zum 15. Geburtstag von Wikipedia, über Artikel zu Rechtsthemen auf der deutschen Wikipedia-Seite, wer sie schreibt, wer redigiert und wie jeder mitmachen kann.
VW Abgas-Affäre: Der us-amerkanische Anwalt Michael Hausfeld strebt mit seinen deutschen Partnern auch für deutsche Kunden einen Entschädigungsfond nach amerkanischem Vorbild an, eine Aufforderung zu Verhandlungen hat er VW bereits übersandt, schreiben Welt (Tina Kaiser/Philipp Vetter), FAZ (Carsten Germis/hw) und HBl (Lukas Bay). Der Konzern hat noch keine technische Lösung gefunden, die ohne Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs auskommt. SZ (Claus Hulvenscheidt) und HBl (Astrid Dörner) porträtieren den einfallsreichen Anwalt, der sich bereits erfolgreich mit Ölkonzernen, Banken und Regierungen angelegt hat.
Nachruf Peter Lerche: Die SZ (Heribert Prantl) schreibt einen Nachruf auf den verstorbenen Staatsrechtsprofessor Peter Lerche. "Prof. Dr. BRD", der kein Verfassungsrichter war, sondern ihr Lehrer und als Prozessvertreter jahrzehntelang "juristischer Mund der deutschen Staatsorgane".
"Mehr Demokratie": Der Privatdozent der Politikwissenschaften Markus Linden befasst sich in der FAZ mit dem Verein "Mehr Demokratie", der sich seit seiner Gründung 1988 zu einem mächtigen zivilgesellschaftlichen Akteur entwickelt hat. Sein Wirken zeuge vor allem von dem grundsätzlichen Problem, dass Elemente direkter Demokratie zu ihrem eigenen Ausbau tendieren, die direkte Anbindung von Parlamentariern an einen vermeintlichen Volkswillen fördern und letztlich zum Verfall der parlamentarischen Demokratie beitragen.
Energieagentur.NRW: Nach Recherchen der taz (Kai Schlieter) und des ARD-Magazins "Monitor" ist eine Gesellschafterin der Energieagentur.NRW GmbH, die Agiplan GmbH, nicht nur mit NRW Landesministerien problematisch verflochten, sondern auch mit der Industrie, was jeweils Interessenkonflikte nahelegt, die Vorteilsnahme förderlich sind. Hinzu kommt der staatliche Anstrich der Energieagentur.NRW.
Kai Schlieter (taz), sieht den Fall als Beispiel einer allgemein bei Private-Public-Partnership bestehenden Problematik.
Cum-Ex-Geschäfte: Dem HBl (S. Iwersen/V. Votsmeier) liegt der Referentenentwurf zur Reform der Investmentbesteuerung vor, aus dem sich ergebe, dass der Fiskus die bei Cum-Ex-Geschäften erlangten Steuergelder wohl nicht mehr zurückerlangen werde. Da für die Geschäfte immer nur kurzfristige Fonds eingerichtet wurden, sei das Geld in Firmen versickert, die längst nicht mehr Greifbar seien.
Google-Dolmetscher: Die Polizei Essen hatte einen mutmaßlichen Ladendieb zu verhören, der nur Arabisch sprach und hat sich anstelle eines Dolmetschers mit Google-Translate begnügt, berichtet die Rheinische Post (Kirsten Bialdiga). Darin lag nicht nur ein Verstoß gegen die Strafprozessordnung, dem Artikel sind einige exemplarische Übersetzungsfehler von Google-Translate vorangestellt.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 17. März 2016: Keine WLAN-Betreiberhaftung / kein Rücktritt von VW-Kauf / Verhör translated . In: Legal Tribune Online, 17.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18810/ (abgerufen am: 09.05.2024 )
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