Der spektakuläre Betrugsprozess gegen Helge Achenbach endet mit einer mehrjährigen Haftstrafe. Außerdem in der Presseschau: Konsequenzen aus "naivem" Kopftuch-Beschluss, Plädoyers zu Georg Schmid, neuer Fachanwaltstitel, griechische Reparationsforderungen, Haftung für Klimawandel, Magna Charta-Ausstellung und zuviel Hilfsbereitschaft unter Bremer Autofahrern.
Thema des Tages
LG Essen zu Helge Achenbach: Vom Landgericht Essen ist der prominente Kunstberater Helge Achenbach wegen Betrugs in 18 Fällen zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Verurteilte durch verdeckte Aufschläge und überhöhte Rechnungen bei von ihm vermittelten Kunst- und Oldtimerverkäufen an den mittlerweile verstorbenen Aldi-Erben Berthold Albrecht einen Schaden von fast 20 Millionen Euro verursacht habe. Über den spektakulären Fall berichten u.a. die FAZ (Andreas Rossmann), SZ (Bernd Dörries), Handelsblatt (Jan Keuchel) und lto.de.
Kia Vahland (SZ) hält das Urteil für "angemessen". Die von der Verteidigung bemühte Argumentation, dass angesichts des milliardenschweren Vermögens des Geschädigten kein wirklicher Schaden eingetreten sei oder es jedenfalls "nicht die Falschen getroffen" habe, bediene zwar eine "verbreitete Meinung", treffe aber dennoch nicht zu. Denn "auch große Vermögen sind in einem Rechtsstaat geschützt". Darüber hinaus habe das "System Achenbach" auch die Kunst an sich beschädigt. Sie diene der "Selbstverortung einer Gesellschaft" und müsse deshalb "vor Manipulatoren und Betrügern geschützt werden". Susanne Schreiber (Handelsblatt) betont zusätzlich den Imageschaden für das Beratergewerbe durch den "tiefen Fall des ebenso charismatischen wie durchtriebenen Art-Consultants". Dessen Treiben sei durch die mangelnde Transparenz des Kunstmarkts begünstigt worden, die nur durch wirksame Selbstverpflichtungen und klare Festlegungen beseitigt werden könne.
Rechtspolitik
Neutralitätsgesetz: Als Konsequenz aus dem Kopftuch-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts fordert Jost Müller-Neuhof (Tagesspiegel) die Streichung des 2005 eingeführten Berliner Neutralitätsgesetzes. Es sei nicht nur "unsinnig, diskriminierend" und integratrionsverhindernd, sondern grundgesetz- und europarechtswidrig und schließlich "frauenfeindlich". Die im Beschluss erwähnten "substanziellen Konfliktlagen" bestünden in der Hauptstadt zuhauf, hätten aber "rein gar nichts mit dem Kopftuch zu tun." Dessen Tragen sei nach der geltenden Rechtslage in Berlin nicht nur Lehrerinnen, sondern auch Polizistinnen und Justizbeamtinnen verboten.
Vorratsdatenspeicherung: In einem Kommentar bezeichnet Nikolas Busse (FAZ) die Vorratsdatenspeicherung als "schwieriges Instrument" in einem liberalen Rechtsstaat. Zwar müsse der Staat auch im Bereich neuer Kommunikationsformen angemessene Möglichkeiten zur Strafverfolgung besitzen, die anlasslose Speicherung von Daten sei jedoch "mit der Idee einer freiheitlichen Gesellschaft kaum zu vereinbaren". Wie "im IT-Zeitalter Kriminalitätsbekämpfung und Datenschutz" miteinander vereinbart werden könne, lasse sich indes Urteilen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs entnehmen.
EU-Erbrechtsverordnung: Das Handelsblatt (Melanie Rübartsch) stellt Einzelheiten der im Sommer in Kraft tretenden EU-Erbrechtsverordnung vor. Ab dem Stichtag 17. August sei für grenzüberschreitende Erbfälle regelmäßig der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers entscheidend für die Bestimmung des anwendbaren Erbrecht. Sollten dennoch nationale Besonderheiten wie etwa das Berliner Testament des deutschen Erbrechts Beachtung finden, müsse dies gesondert testamentarisch festgelegt werden.
Justiz
BVerfG zu Kopftuch-Verbot: In einem Essay erkennt Henryk M. Broder (Welt) in dem am Freitag veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit eines pauschalen Kopftuch-Verbotes "eine Naivität, wie man sie sonst nur in Positionspapieren von Anthroposophen findet". Mitnichten sei es Aufgabe von Verfassungsrichtern, "Ideale festzulegen". Im Versuch, diesen in "einer ideologisch aufgeladenen Entscheidung" zu entsprechen, habe das Gericht die negative Ausprägung der Religionsfreiheit, das Recht, "keine Religion zu haben und von religiösen Zwängen verschont zu bleiben", außer Acht gelassen.
OLG Oldenburg zu Sachmangel: Wer bei einem 135.000 Euro teuren Luxuswagen das sogenannte Raucherpaket bestellt, darf die Ausstattung mit eingebautem und beleuchtetem Aschenbecher erwarten und muss sich nicht mit einer im Getränkehalter montierten Dose zufrieden geben. Dies entschied im Gegensatz zur Vorinstanz das Oberlandesgericht Oldenburg und ermöglichte damit der rauchenden Klägerin die begehrte Rückabwicklung des Kaufvertrages. spiegel.de berichtet.
LG Traunstein zu "Kollegah": Das vor dem Landgericht Traunstein gegen den Rapper "Kollegah" angestrengte Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung ist gegen Leistung einer Geldauflage gemäß § 153a Strafprozessordnung eingestellt worden. Der vormalig Angeklagte, im zivilen Leben Jura-Studierender in Mainz, hatte die Disco-Schlägerei eingeräumt, aber Notwehr behauptet, schreibt lto.de.
LG Paderborn – Zigarettenschmuggel: Eine international agierende Gruppe mutmaßlicher Zigarettenschmuggler muss sich ab dem heutigen Dienstag vor dem Landgericht Paderborn verantworten. Unter Leitung eines nordrhein-westfälischen Spediteurs soll die Gruppe in einer belgischen Fabrik durch zur Arbeit gezwungene Moldawier und Rumänen Zigaretten hergestellt und anschließend vor allem in Deutschland verkauft haben. Der mutmaßliche Steuerschaden belaufe sich auf zwölf Millionen Euro, schreibt die Welt (Marco Tripmaker).
AG Tiergarten zu Entführung: Nun berichtet auch zeit.de (Katharina Miklis) in einer ausführlichen Reportage über den Fall des in Berlin aufgewachsenen libanesischen Jugendlichen Nasser, der wegen seiner Homosexualität von Familienangehörigen entführt wurde.
AG Augsburg – Georg Schmid: Mit einem emotionalen Schlusswort des angeklagten Georg Schmid ging der vor dem Amtsgericht Augsburg geführte Prozess gegen den CSU-Politiker zu Ende. Die Staatsanwaltschaft plädierte wegen Sozialbetrugs und Steuerhinterziehung für eine Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung, schreibt die SZ (Stefan Mayr) in ihrem Bericht, der zudem Zeugenaussagen widergibt. Das Urteil werde am Mittwoch verkündet.
Berliner Tunnelraub: Mittels eines 50 Meter langen Tunnels erbeuteten bislang unbekannt gebliebene Täter vor zwei Jahren die Inhalte zahlreicher Schließfächer einer Berliner Bank. Die SZ (Verena Mayer) berichtet über die bislang erfolglosen Bemühungen eines Anwalts, die Bank zu einer pauschalen Entschädigung der betroffenen Kunden zu bewegen. Weil die wenigsten eine sogenannte Schließfachversicherung abgeschlossen hatten, halte das Geldinstitut bislang an aufwendigen Einzelfallprüfungen fest.
FA für Vergaberecht: Nach einer Meldung von lto.de hat die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer am Montag die Einführung eines neuen Fachanwaltstitels beschlossen. Neben den bereits bestehenden 21 Fachanwaltsbezeichnungen solle es künftig auch Fachanwälte für Vergaberecht geben, wenn das Bundesjustizministerium den Beschluss nicht innerhalb von drei Monaten beanstandet.
Recht in der Welt
Griechenland - Euro-Austritt: Rechtliche Schwierigkeiten bei einem möglichen Austritt Griechenlands aus dem Euro-Währungs-System beschreibt Rechtsprofessor Christoph Herrmann (verfassungsblog.de). Gerade weil das Unionsrecht weder konkrete Bestimmungen zur Wiedereinführung einer nationalen Währung in einem vormaligen Euro-Teilnehmerstaat noch solche zu einem rechtssicheren Ausscheiden aus dem multinationalen Währungssystem vorsehe, würde ein derartiger Schritt "auf Jahre erhebliche Rechtsunsicherheit in Griechenland mit sich bringen."
Griechenland – Reparationen: Als Thema des Tages setzt sich die SZ in mehreren Beiträgen mit an die Bundesrepublik gerichteten griechischen Forderungen nach Reparationen auseinander. (Stefan Ulrich) stellt Athener und Berliner Rechtsauffassungen dar und schreibt, dass eine Entscheidung des obersten griechischen Gerichtshofs zur deutschen Entschädigungspflicht wegen eines Massakers in Distomo bislang am zumindest bei schwersten Menschenrechtsverletzungen umstrittenen Grundsatz der Staatenimmunität scheitere. (Joachim Käppner) legt dar, welche deutschen Entschädigungsleistungen nach Griechenland und in andere Länder geflossen sind.
Peru – RWE: Ein peruanischer Bergführer hat über seine deutsche Anwältin den Energieversorger RWE zur Finanzierung von Schutzmaßnahmen gegen die Auswirkungen des Klimawandels aufgefordert. Seinem Haus in den Anden drohe die Überflutung durch eine Gletscherschmelze, schreibt die taz (Bernhard Pötter). Der Energieversorger sei durch den von ihm betriebenen Ausstoß von Kohlendioxid hierfür mitverantwortlich und müsse daher etwa 20.000 Euro leisten.
China – Organhandel: Im vergangenen Jahr wurde das chinesische Politbüro-Mitglied Zhou Yongkang wegen des Vorwurfs des Machtmissbrauchs verhaftet. Nach Informationen der FAZ (Petra Kolonko) soll der Politiker als Leiter der Parteikommission für Recht und Politik einen Regierungsbeschluss zur Beendigung der Praxis, Hingerichteten Organe zu entnehmen, hintertrieben und sich an derartigen Geschäften bereichert haben.
Pakistan – Todesstrafe: Einem 25-jährigen Pakistaner droht in wenigen Tagen die Hinrichtung. Der Mann soll als 14-jähriger ein Kind ermordet haben, schreibt spiegel.de (Hasnain Kazim). Er habe die Tat nach mehrjähriger Folter gestanden, das Geständnis seitdem aber mehrfach widerrufen. Bis zu einem Terror-Anschlag durch die Taliban vor zwei Jahren sei in Pakistan die Todesstrafe nicht mehr vollstreckt worden.
Sonstiges
Steuerrechtliche Musterklagen: focus.de (Martina Simon) weist auf die Möglichkeit hin, sich durch einen Einspruch gegen den Steuerbescheid unter Verweis auf entsprechende Aktenzeichen auf beim Bundesfinanzhof anhängige Musterverfahren anzuschließen und nennt Beispiele.
Geschwindigkeitsübertretungen: Fälle, in denen Geschwindigkeitsübertretungen durch einen rechtfertigenden Notstand gerechtfertigt sein können, beschreibt focus.de (Michael Winter) unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung.
Magna Charta: In ihrem Feuilleton berichtet die SZ (Alexander Menden) über die große Ausstellung "Magna Charta – Gesetz, Freiheit, Vermächtnis" in der Londoner British Library. Der "Grundstein" des angelsächsischen Rechtssystems feiert im kommenden Juni den 800. Jahrestag seiner Ratifizierung, der Beitrag zeichnet die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Dokumentes nach.
Roland Freisler: In der Rubrik Politische Bücher bespricht die FAZ (Klaus A. Lankheit) "Der Hinrichter. Roland Freisler – Mörder im Dienste Hitlers", eine "biographische Skizze" aus der Feder Helmut Ortners, die sich im wesentlichen mit dem unheilvollen Wirken Freislers als Präsident des Volksgerichtshofs beschäftigt.
Das Letzte zum Schluss
Hilfsbereitschaft: Seine Hilfsbereitschaft für einen Freund kam einem Bremer teuer zu stehen. Wie bild.de berichtet, wollte der Mann am Sonntag auf einer Bremer Polizeidienststelle Fahrzeugschlüssel in Empfang nehmen, die seinem Freund nur wenige Stunden zuvor wegen drogenbedingter Ausfallerscheinungen abgenommen worden waren. Die aufmerksamen Beamten stellten allerdings auch bei ihm Drogenkonsum fest. Ein dritter Freund konnte die Schlüssel schließlich nüchtern in Empfang nehmen – um sie offenbar an den ursprünglichen Fahrer weiterzureichen. Der wurde dann am Nachmittag erneut am Steuer erwischt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 17. März 2015: Haftstrafe für Kunst-Betrug – Kopftuch und Neutralität – Reparationsforderungen aus Griechenland . In: Legal Tribune Online, 17.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14966/ (abgerufen am: 11.05.2024 )
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