Das neue Kabinett von Angela Merkel steht. Aber wer ist eigentlich dieser Justizminister? Außerdem in der Presseschau: Wahlrechtsreformen gefordert, Justizaffäre in Brandenburg, EuG verbietet Gentechnik-Kartoffel, bayerische Justiz fällt zuviele Fehlurteile, und Nachbarn, die ein bißchen zu fest an die Scheibe geklopft haben.
Thema des Tages
Justizminister Heiko Maas: Heiko Maas (SPD) soll neuer Bundesjustizminister werden. Ein Jurist, "bei dem man in der Biografie nachschauen muss, um zu erfahren, dass er wirklich einer ist", so Heribert Prantl (Montags-SZ) in seinem Porträt. Maas, bisher stellvertretender Ministerpräsident des Saarlandes, habe sich rechtspolitisch noch nicht hervorgetan, sei aber ein strebsamer und wendiger Berufspolitiker und für die große Koalition "geradezu prädestiniert".
Rechtspolitik
Wahlsystem: Der Politikwissenschaftler Florian Grotz erläutert in der Montags-FAZ die kurz vor der Bundestagswahl erfolgte Wahlrechtsreform, ihre Unzulänglichkeiten und Vorschläge für ein neues Wahlsystem, das die Ausgleichsmandate stärker eindämmt.
Drogenprohibition: Nachdem im November mehr als hundert Strafrechtsprofessoren die strafrechtliche Verfolgung von Drogenkonsum kritisiert hatten, greift der Rechtsanwalt Oliver Tolmein in der Montags-FAZ das Thema auf. In ihrer Resolution hatten die Strafrechtler gefordert, das Betäubungsmittelgesetz zu überprüfen. Beispiele aus anderen Ländern würden zeigen, dass liberalere Regelungen möglich und sinnvoll seien.
Brandenburgs Justizminister zurückgetreten: Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linkspartei) ist am Samstag zurückgetreten. Er war in einer Affäre um die Begünstigung eines Gefangenen unter Druck geraten. Der frühere Strafverteidiger soll sich für einen ehemaligen Mandanten eingesetzt haben, der wegen Vergewaltigung in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg/Havel saß und nicht in ein anderes Gefängnis verlegt werden wollte. Es berichten die Montags-SZ (Constanze von Bullion) und die Montags-taz. In einem gesonderten Kommentar greift Constanze von Bullion (SZ) das Verhalten Schöneburgs scharf an und warnt vor einem Brandenburger "Sumpf".
Justiz
EuGH zu Lebenspartnerschaften: Auf dem Handelsblatt Rechtsboard erläutert die Rechtsanwältin Andrea Mehrer das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, der am 12. Dezember erneut bestätigt hat, dass eine rechtlich vorgesehene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft nicht gegenüber einer Ehe benachteiligt werden darf. In dem Fall ging es um ein französisches Unternehmen, das einem Angestellten Vergünstigungen verweigert hatte, die Eheleuten gewährt werden. Das Urteil wirke sich auch auf die rechtliche Situation in Deutschland aus, der französische "pacte civil de solidarité" sei insofern mit der deutschen eingetragenen Lebenspartnerschaft vergleichbar.
EuG zu Gentechnik-Kartoffel: Die gentechnisch veränderte Kartoffel Amflora darf in der EU nicht mehr angebaut werden. Das entschied das Gericht der Europäischen Union und gab damit einer Klage Ungarns statt. Grund sind formale Fehler der EU-Kommission im Rahmen des Zulassungsverfahrens. Die Entscheidung wird allerdings wenig praktische Auswirkungen haben, der Chemiekonzern BASF hat den Anbau der Kartoffel bereits eingestellt. Es berichten unter anderem die Samstags-FAZ (Corinna Budras/Hendrik Kafsack) und die Samstags-Welt (Claudia Ehrenstein – kürzere Fassung auf welt.de)
BGH zu Goldbären-Werbung: Was müsen Unternehmen beachten, deren Werbung sich auch an Kinder wendet? Nachdem das Oberlandesgericht Köln hier einen strengen Maßstab angelegt hat, hob der Bundesgerichtshof die Entscheidung nun auf und erklärte eine Werbung des Süßwarenherstellers Haribo für zulässig. Sie richte sich zwar an Kinder, zugleich aber auch an Erwachsene, so dass hier kein besonders strenger Sorgfaltsmaßstab einzuhalten sei. Der Rechtsanwalt Marc Zain erläutert auf lto.de die Entscheidung. Sie stehe für die werbefreundliche Tendenz des BGH.
LG Hannover – Christian Wulff: "Musste man Wulff anklagen"? Diese Frage diskutieren Frank Lüttig und Wolfgang Kubicki in zwei Beiträgen für den Focus. Lüttig, der die Generalstaatsanwaltschaft Celle leitet und den Hannoveraner Ermittlern damit vorgesetzt ist, hält die Anklage für richtig und betont, Staatsanwälte seien "allein der Wahrheitsfindung und eben nicht der Effizienz verpflichtet". Kubicki, Rechtsanwalt und FDP-Politiker, hält das Verfahren dagegen für einen "rechtsstaatlichen Exzess".
LG Bielefeld – Herztransplantation: Die taz (Heike Haarhoff) berichtet über den Fall eines herzkranken Patienten, den das Herzzentrum Nordrhein-Westfalen nicht auf die Transplantationsliste aufnehmen wollte, weil er kein Deutsch spreche. Der in Peine lebende irakische Flüchtling klagt nun vor dem Landgericht Bielefeld auf Schmerzensgeld. Weil die Gerichte im zunächst keine Prozesskostenhilfe bewilligten, hatte sein Anwalt Cahit Tolan das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet. Die Karlsruher Richter gaben dem Mann in einem Beschluss vom Februar dieses Jahres Recht.
Rechtsstreit um Erbe NS-Verfolgter: Der Spiegel (Steffen Winter) berichtet über einen Rechtsstreit um das Erbe der jüdischen Familie Sabersky. Der US-amerikanische Strafverfolger Peter Sonnenthal und seine Verwandten wollen 84 Hektar Land im brandenburgischen Teltow zurück erhalten, das die Familie 1933 offenbar unter dem Druck nationalsozialistischer Verfolgung verkaufen musste. Der Streit dauert bereits 22 Jahre und beschäftigte mehrmals das Verwaltungsgericht Potsdam und das Bundesverwaltungsgericht und liegt mittlerweile beim Bundesverfassungsgericht.
Abmahnungen wegen Porno-Streams: Die WamS (Benedikt Fuest/Lars-Martin Nagel) erläutert das Geschäftsmodell der Kanzlei Urmann und Collegen, die zur Zeit massenhaft Abmahnungen an Nutzer von Pornostreams verschickt. Der Rechtsanwalt Christian Solmecke erklärt in einem kurzen Bericht des Focus (Alexander Wendt), wer abgemahnt wurde und das geforderte Geld gezahlt habe, könne Schadensersatz vom Land Nordrhein-Westfalen verlangen. Das Landgericht Köln hätte die Adressen der Computernutzer so nicht herausgeben dürfen. Der Wirtschaftsinformatik-Professor Oliver S. Lazar erklärt auf lawblog.de was "progressive download" ist - nur in bestimmten Fällen werde bei einem Stream zugleich eine Kopie erstellt. Johannes Boie (Montags-SZ) kommentiert, Abmahnungen sollten eigentlich Gerichte entlasten – stattdessen werde die Justiz missbraucht, so dass sich die Abmahnindustrie bereichern könne.
Ermittlungen gegen Porsche und Piëch: Nach Informationen der Samstags-FAZ (Christoph Ruhkamp) hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart die Ermittlungen gegen den früheren Aufsichtsrat der Porsche-Dachgesellschaft Porsche SE abgeschlossen. Den Beschuldigten - darunter der Porsche-Aufsichtsratvorsitzende Wolfgang Porsche und der VW-Aufsichtsratvorsitzende Ferdinand Piëch - werde Beihilfe zur Marktmanipulation im Zuge des Übernahmekampfs von Porsche und VW vorgeworfen.
Bayerische Justiz: "Systemfehler" – unter diesem Titel kritisiert ein Bericht des Spiegel (Dietmar Hipp/Conny Neumann) die bayerische Justiz. Hier komme es besonders häufig zu spektakulären Wiederaufnahmeverfahren, Angeklagte hätten nach Ansicht von Strafverteidigern und Richtern einen schweren Stand. Das liege an der Nähe zwischen Staatsanwälten und Richtern, an politischem Druck und an mangelnder Kontrolle durch den Bundesgerichtshof. Der Bericht nennt als Beispiele unter anderem den Mordfall Peggy, der derzeit neu aufgerollt wird, den Fall des Bauern Rudolf Rupp, dessen Familie auf Grund falscher Geständnisse verurteilt wurde und den Fall Mollath.
Peter Müller im Interview: Die WamS (Jochen Gaugele/Thorsten Jungholt) spricht mit dem Verfassungsrichter Peter Müller über die große Koalition und die Rechte der Opposition, die Drei-Prozent-Klausel, den SPD-Mitgliederentscheid, direkte Demokratie und die Kritik aus Berlin an der Rolle des Bundesverfassungsgerichts.
Rainer Griesbaum im Interview: In der Wochenend-Beilage der Samstags-SZ (Annette Ramelsberger) findet sich ein ganzseitiges Interview mit Rainer Griesbaum, bis Ende des Jahres noch Stellvertreter des Generalbundesanwalts und Leiter der Abteilung Terrorismus. Er spricht über seine Erinnerungen an die RAF-Prozesse der 1970er Jahre, seinen Werdegang bei der Bundesanwaltschaft, aktuelle Terrorismus-Gefahren – und seine Liebe zu schnellen Autos.
30 Jahre Volkszählungsurteil: Dem 30. Jahrestag des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts widmet auch netzpolitik.org (Anna Biselli) einen Bericht. Jost Müller-Neuhof (tagesspiegel.de) kommentiert, angesichts der zahlreichen Überwachungsskandale sei das historische Urteil zwar von der Realität überholt, sein Grundsatz gelte jedoch weiterhin. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gelte es zu verteidigen.
50 Jahre Auschwitz-Prozess: Peter Reichel (Samstags-Welt) rezensiert Devin O. Pendas Buch "Der Auschwitz-Prozess. Völkermord vor Gericht". Vor fünfzig Jahre fand der erste Auschwitzprozess vor dem Landgericht Frankfurt statt, angeklagt waren Mitglieder der Lagermannschaft des Vernichtungslagers Auschwitz.
Recht in der Welt
Belgien – Sterbehilfe bei Kindern: Das belgische Oberhaus hat sich vorige Woche mehrheitlich für einen Gesetzesentwurf ausgesprochen, der aktive Sterbehilfe bei unheilbar kranken Kinder ermöglichen soll. Im Mai 2014 soll das Unterhaus entscheiden. Die Samstags-SZ (Lisa Riesner) und die FR (Peter Riesbeck) berichten.
Rumänien – Antisemit als Verfassungsrichter nominiert: Die rumänische Regierung hat den Rechtsanwalt und Politiker Lucian Bolcas für den Posten eines Verfassungsrichters nominiert und stößt damit auf scharfe Kritik. Bolcas war jahrelang stellvertretender Vorsitzender der ultranationalistischen, antisemitischen Partei PRM, so spiegel.de (Keno Verseck).
Türkei – "Mehmet" verurteilt: Muhlis Ari, der in Deutschland als mehrfacher Straftäter unter dem Namen "Mehmet" bekannt wurde, ist in der Türkei in erster Instanz wegen Raubes und Freiheitsberaubung zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Er soll einen Überfall auf einen 63-jährigen Münchner inszeniert haben, dem er offenbar mehrere tausend Euro schuldet. Gegenüber spiegel.de bezeichnet Aris Anwalt die Umstände der Verurteilung als "dubios", Ari sei selbst Opfer des Überfalls gewesen.
Sonstiges
Hoffmann-Riem zu "Mein Kampf": Der ehemalige Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem äußert sich in einem Kurzinterview im Spiegel zu der Debatte um die Neuauflage von Adolf Hitlers "Mein Kampf". Bei einer wissenschaftlich kommentierenden Ausgabe sei die Wissenschaftsfreiheit zu beachten. Ob eine Veröffentlichung der Originalausgabe heute noch volksverhetzend sei, müsse gesondert geprüft werden.
Mahnbescheide: Was Verbraucher und Unternehmen beachten müssen, wenn kurz vor Jahresende noch Mahnbescheide im Briefkasten landen, erklärt die Montags-Welt (Berrit Gräber).
Das Letzte zum Schluss
Nachtleben in Berlin-Neukölln: Der eine dreht die Musik auf, der andere schlägt kurzerhand die Scheibe ein – für kanzlei-hoenig.de (Carsten R. Hoenig) auch eine Möglichkeit zur Mandatsakquise: "Haut rein, Jungs und Mädels!". Interessant werde es schließlich erst, wenn Beleidigungen und Körperverletzungen dabei seien.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. - 16. Dezember 2013: Maas soll Justizminister werden – Kritik an bayerischer Justiz – Griesbaum im Interview . In: Legal Tribune Online, 16.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10365/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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