Kein Austritt, aber deutliche Kritik: Die Afrikanische Union hielt einen Sondergipfel zum Internationalen Strafgerichtshof ab. Außerdem in der Presseschau: Die steuerrechtliche Gleichstellung von Homo-Paaren lässt auf sich warten, Newsportale haften für Internettrolle, eine kritische Gutachterin ärgert wilhelminische Bayern – und tot bleibt tot, jedenfalls in Ohio.
Thema des Tages
AU kritisiert IStGH: Die Afrikanische Union hat den Internationalen Strafgerichtshof auf einem Sondergipfel scharf kritisiert. Vor allem sollen amtierende Staats- und Regierungschefs künftig vor internationaler Strafjustiz geschützt werden. Das ist ein Erfolg für Kenias Präsidenten Uhuru Kenyatta, der sich ab dem 12. November vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten sollte. Ihm wird vorgeworfen, nach den kenianischen Wahlen im Jahr 2007 Gewalttaten mitorganisiert zu haben. Wie die taz (Dominic Johnson) berichtet, erklärten die Mitglieder der Afrikanischen Union aber ausdrücklich, sie wollten nicht die Verfolgung von Verbrechen verhindern, sondern vielmehr die afrikanische Justiz stärken. Auch der befürchtete Austritt zahlreicher Staaten aus dem Rom-Statut blieb aus.
Rechtspolitik
Steuerrecht für Homo-Paare: Es bleibt unklar, wie die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern mit Ehepaaren im Steuerrecht umgesetzt werden soll. Die Samstags-SZ (Claus Hulverscheidt) berichtet über einen Anwendungserlass des Finanzministeriums, der Lebenspartner weiterhin benachteilige. Sie dürften zwar künftig das Ehegattensplitting nutzen, würden aber keinen gemeinsamen Steuerbescheid erhalten und gälten weiterhin nicht als Angehörige. Dagegen meldet der Spiegel, das Bundesfinanzministerium bereite die volle steuerliche Gleichstellung vor, ein Gesetzentwurf könne kurzfristig vorgelegt werden.
Drei-Prozent-Hürde bei Europawahl: Wie der Spiegel (Dietmar Hipp, Zusammenfassung auf spiegel.de) berichtet, hat der Bundestag die Drei-Prozent-Hürde für Europawahlen beschlossen, obwohl sich Experten des Bundesinnenministeriums deutlich gegen jede Sperrklausel ausgesprochen hatten. Nun muss das Bundesverfassungsgericht über die Klagen mehrerer kleiner Parteien entscheiden. Mit einem Urteil sei frühestens im Februar kommenden Jahres zu rechnen.
Asylsystem: Die zahlreichen praktischen Probleme des Asylsystems und verschiedene Reformvorschläge beschreibt der Spiegel (Jürgen Dahlkamp/Maximilian Popp, Zusammenfassung auf spiegel.de). Vor allem sollten hochqualifizierte Flüchtlinge in Deutschland arbeiten dürfen, zudem müsse die Verteilung von Flüchtlingen nach dem Dublin-System neu organisiert werden.
Freizügigkeit in der EU: Der Rechtsanwalt Wolfram Steckbeck wendet sich auf lto.de gegen die Haltung von Innenminister Hans-Peter Friedrich zu Zuwanderern aus osteuropäischen Ländern. Friedrich hatte gefordert, härter gegen sogenannte Armutseinwanderung vorzugehen. Steckbeck betont, dass die Freizügigkeit gerade auch für Arbeitnehmer und Arbeitssuchende gelte und EU-Bürger aus einzelnen Mitgliedsstaaten nicht diskriminiert werden dürften.
Zwangslizenz für Filme: Der Macher des Films "Sophie Scholl – Die letzten Tage", Fred Breinersdorfer fordert in der Montags-SZ eine Zwangslizenz für Filme im Internet. Ähnlich wie beim Covern von Musikstücken sei dann jeder berechtigt, Kopien von Filmen im Internet anzubieten, müsse aber die Rechteinhaber angemessen an den Einnahmen beteiligen.
Justiz
EGMR zu Haftung für Nutzerkommentare: Dass Betreiber von Newsportalen für rechtswidrige Kommentare ihrer Nutzer haften, verstößt nicht gegen die Meinungsfreiheit - so der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Fall aus Estland. Zuvor hatte ein estnisches Gericht die Betreiber des Newsportals Delfi.ee dazu verurteilt, 320 Euro Schmerzensgeld an ein Fährunternehmen zu bezahlen, das in Nutzerkommentaren massiv beleidigt worden war. Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) erläutert den Fall und begrüßt die Entscheidung. Thomas Stadler (internet-law.de) befürchtet eine Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet. Außerdem verstoße die Entscheidung wohl gegen eine Richtlinie der Europäischen Union – was allerdings nicht zum Prüfungsmaßstab des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gehörte.
EuG zu Genmais-Zulassung: Die Europäische Komission hat einen Antrag zur Zulassung von Genmais rechtswidrig verschleppt. Wie die Montags-taz (Jost Maurin) berichtet, entschied das Gericht der Europäischen Union, dass die Komission den Antrag des US-Herstellers Pioneer Hi-Bred den Mitgliedstaaten hätte vorlegen müssen. Die Kommission kann Rechtsmittel zum Europäischen Gerichtshof einlegen.
LSG NRW zu Hartz-IV für EU-Bürger: Die Samstags-FAZ (Rüdiger Soldt/Corinna Budras) schildert unterschiedliche Reaktionen auf das - noch nicht rechtskräftige - Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen zu Hartz-IV-Leistungen für EU-Bürger. Der Sprecher der Unionsfraktion, Günter Krings, forderte arbeitslose EU-Bürger auf, Deutschland zu verlassen, der Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßte das Urteil und der Deutsche Städtetag geht zunächst von einer Einzelfallentscheidung aus. Bundesinnenminister Friedrich warnte in der Rheinischen Post vor einem "Anreiz für weiteren Zuzug". Torsten Krauel (Samstags-Welt) befürchtet, Deutschland werde nun zum "Kassenwart" Europas. Dass der Rechts- und Wirtschaftsraum Europa auch zu einem "Sozialraum" werde, sei zwar "im Geist des EU-Rechts logisch", müsse aber durch Beschlüsse des Europäischen Rates geschehen und nicht durch das "Vorpreschen" des Landessozialgerichts.
LG Osnabrück zu Schmerzensgeld: Eine Lehrerin muss 80.000 Euro Schmerzensgeld zahlen, nachdem sie ihrem Kollegen fälschlicherweise eine Vergewaltigung vorgeworfen hat. Dieser kam für fünf Jahre ins Gefängnis, ist jedoch mittlerweile verstorben. Seine Tochter stellte den Antrag auf Schmerzensgeld, dem das Landgericht Osnabrück in einem Versäumnisurteil statt gab - die Lehrerin, die mittlerweile wegen Freiheitsberaubung zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, war nicht vor Gericht erschienen. Das meldet spiegel.de.
Deal in der KiKa-Affäre: Die Affäre um den ehemaligen Programmgeschäftsführer des Kinderkanals könnte nach Informationen des Spiegel mit einem Deal enden. Die Erfurter Staatsanwaltschaft wolle die Ermittlungen wegen Untreue gegen eine Geldbuße von 30.000 Euro einstellen.
Streit um "Wir sind das Volk": Die Montags-taz (Michael Bartsch) schildert den Streit um die Markenrechte an dem Slogan "Wir sind das Volk". Rechtspopulisten hatten sich die Wortmarke im März dieses Jahres sichern lassen, die Stadt Leipzig hat beim Deutschen Marken- und Patentamt beantragt, den Eintrag zu löschen.
NPD-Verbotsverfahren im November: Die Bundesländer wollen den NPD-Verbotsantrag voraussichtlich im November beim Bundesverfassungsgericht einreichen, so spiegel.de. Die zuständige Bund-Länder-Arbeitsgruppe werde den Schriftsatz auf ihrer kommenden Sitzung beraten, Bundesregierung und Bundestag wollen keinen eigenen Antrag stellen.
Staatsanwaltschaft gegen Gutachterin: Die Staatsanwaltschaft München I hat versucht, die psychiatrische Sachverständige Hannah Ziegert wegen Befangenheit abzulehnen – nachdem Ziegert insbesondere die bayerische Justiz in einer Fernsehsendung kritisiert hatte. Das Landgericht Augsburg und das Landgericht München lehnten die Befangenheitsanträge ab. Die Samstags-SZ (Hans Holzhaider) berichtet ausführlich im Regional-Teil. Die Staatsanwaltschaft hatte die Befangenheitsanträge demnach auch damit begründet, dass die Süddeutsche Zeitung Ziegert unterstützt hatte – was Holzhaider (Samstags-SZ) in einem gesonderten Kommentar scharf als "wilhelminisches" Staatsverständnis angreift. Auch Thomas Stadler (internet-law.de) kommentiert, die Staatsanwaltschaft habe damit bestätigt, dass sie keine kritischen Sachverständigen wünsche.
Recht in der Welt
Frankreich – Verfassungsrat zu Fracking: Frankreich darf das Fracking zur Förderung von Erdgas verbieten. Wie die Samstags-SZ meldet, bestätigte der Verfassungsrat ein Gesetz von 2011, das die umstrittene Methode verbietet. Zugleich drohten dem Staat nun aber Schadensersatzforderungen, weil die Behörden dem US-Energieunternehmen Schuepbach zuvor Explorationsgenehmigungen erteilt hatten.
Italien – NS-Verbrecher: Die italienische Staatsanwaltschaft verfolgt weiterhin deutsche NS-Kriegsverbrecher. Wie zeit.de (Fabio Ghelli) berichtet, geht es insbesondere um 30 Fälle, in denen die Täter von italienischen Gerichten verurteilt wurden, ihre Haft aber nie antreten mussten - weil die deutschen Gerichte die Urteile nicht bestätigten oder die Haft in Deutschland nicht angetreten werden musste.
Sonstiges
"Deutschland Verbrecherland?": Der ehemalige Oberstaatsanwalt Egbert Bülles hat zusammen mit dem Focus-Autor Axel Spilcker das Buch "Deutschland Verbrecherland?" geschrieben, der Focus (Walter Schäfer) stellt es vor. Bülles warnt, Deutschland werde "zum Brennpunkt des Organisierten Verbrechens", schuld daran seien lasche Richter, Strafverteidiger, die Verfahren in die Länge ziehen, Geld- und Personalmangel in der Justiz und vor allem unzureichende Ermittlungsbefugnisse für die Staatsanwaltschaft. Bülles war bis 2012 Leiter der Abteilung für organisierte Kriminalität in Köln.
Das Letzte zum Schluss
Tot bleibt tot: Ein Toter sitzt quicklebendig in einem Gerichtssaal in Ohio, sein Totenschein kann aber trotzdem nicht aufgehoben werden. Seine Frau freut's, so muss sie nämlich keine Sozialleistungen zurück zahlen. Über den Fall eines Mannes, der jahrzehntelang verschwunden war und die strikte Ohio'sche Rechtslage, die Änderungen des Totenscheins nur innerhalb von drei Jahren vorsieht, berichtet spiegel.de.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 12. - 14. Oktober 2013: Afrikanische Union gegen IStGH – Steuerrecht und Homo-Paare – Haftung für Nutzerkommentare . In: Legal Tribune Online, 14.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9791/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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