Keiner will's gewesen sein: Die Angeklagten im Prozess um den totgeprügelten Johnny K. beschuldigen sich gegenseitig, entlasten aber den Hauptverdächtigen. Außerdem in der Presseschau: wie NRW die Bestandsdatenauskunft durchgeboxt hat, was Hassemer zum NSU-Verfahren sagt, die Kriminalitätsstatistik 2012 – und Tatort-Kommissare, die auch nicht alles dürfen.
Johnny K.: Vor dem Landgericht Berlin hat am Montag der Prozess um Johnny K. begonnen, der im Oktober auf dem Alexanderplatz zu Tode geprügelt wurde. Angeklagt sind sechs junge Männer – fünf von ihnen erklärten am ersten Prozesstag, sie hätten sich zwar an dem Angriff beteiligt, seien aber nicht für den tödlichen Ausgang verantwortlich. Der sechste, Onur U., galt bisher als Hauptverdächtiger, wurde aber von den anderen Angeklagten entlastet. Er habe nicht K., sondern dessen Freund Gerhard C. geschlagen, der den Angriff überlebte. Von dem Prozess berichten unter anderem die SZ (Constanze von Bullion), die taz (Plutonia Plarre) und spiegel.de (Julia Jüttner).
Die taz (Jasmin Kalarickal) führt ein Interview mit dem Kriminologen Gerhard Spiess zum Thema Jugendgewalt.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Bestandsdatenauskunft: Nach Informationen von spiegel.de (Sven Becker/Fidelius Schmid/Ole Reißmann) hat das nordrhein-westfälische Innenministerium mit übertriebenen Szenarien durchgesetzt, dass die umstrittene Bestandsdatenauskunft im Bundesrat verabschiedet wurde. Ein interner Vermerk habe darauf hingewiesen, dass ansonsten die "Internetaufklärung bei Islamisten und anderen Terroristen", sowie bei "Kinderpornographie" nicht mehr möglich sei. Den gesamten Wortlaut des Vermerks veröffentlicht netzpolitik.org (Markus Beckedahl).
Zahlungsverzug: Wirtschaftsverbände kritisieren einen Gesetzentwurf des Bundestages, der eine EU-Richtlinie zum Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr umsetzen soll. Ein "Gummiparagraph", der einen Zahlungszeitraum von mehr als dreißig Tagen zulasse, bringe im Vergleich zur bisherigen deutschen Rechtslage Nachteile. Die FR (Matthias Loke) berichtet.
Textilunternehmen in der Pflicht: Nach dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch mit mehr als tausend Toten befasst sich die taz (Hannes Koch) mit der Frage, wie Unternehmen in Deutschland dazu verpflichtet werden könnten, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Der Rückversicherer Munic Re schlage ein Gesetz vor, wonach die Unternehmen von den Zuliefererfirmen einen Nachweis über ausreichende Betriebshaftpflichtversicherungen verlangen sollen. Die Menschenrechtsorganisation ECCHR spricht sich dagegen für umfassendere und einklagbare Sorgfaltspflichten der Unternehmen aus.
Waffenrecht: Im Feuilleton der FAZ kritisiert Roman Grafe, Sprecher der Initiative "Keine Mordwaffen als Sportwaffen", das Waffengesetz und die Haltung des Bundesverfassungsgerichts. Das Schutzkonzept sei unzureichend: "Statt das Placebo-Gesetz für verfassungswidrig zu erklären, haben es die Richter durch eine Placebo-Entscheidung legitimiert".
NS und BMJ: lto.de (Claudia Kornmeier) führt ein Interview mit dem Strafrechtler Christoph Safferling zur NS-Vergangenheit des Bundesjustizministeriums. Safferling leitet mit dem Historiker Görtemaker eine Kommission, die den Einfluss von NS-Juristen im Ministerium erforschen soll.
Max Stadler: Weitere Nachrufe auf den Rechtspolitiker Max Stadler bringen die taz (Wolf Schmidt) –"ein Freiheitsfreund, ein Menschenfreund" - und internet-law.de (Thomas Stadler) – "ein Humanist und Verfechter der Bürgerrechte".
Weitere Themen - Justiz
NSU-Prozess – Interview mit Hassemer: Die SZ (Wolfgang Janisch) spricht mit dem emeritierten Rechtsprofessor und ehemaligen Verfassungsrichter Winfried Hassemer über die Erwartungen an den NSU-Prozess, den Öffentlichkeitsgrundsatz und die Wirkung des Verfahrens im Ausland. Außerdem geht es um das NPD-Verbot – auch zu einer verfassungsfeindlichen Haltung der NPD könne der Prozess Erkenntnisse bringen.
NSU-Prozess – Interview mit Can: Der türkische Verfassungsrechtler Osman Can spricht mit der taz (Marlene Halser) über den NSU-Prozess. Er habe am ersten Prozesstag den Eindruck gehabt, dass der Vorsitzende Richter "seine Sache sehr souverän macht".
50 Jahre EuGH zu "van Gend & Loos": Vor fünfzig Jahren hat der Europäische Gerichtshof mit seiner Entscheidung "van Gend & Loos" die europäische Rechtsgemeinschaft geprägt: Nicht nur die Mitgliedstaaten, auch Einzelne wie das namensgebende niederländische Transportunternehmen konnten sich demnach auf den damaligen EWG-Vertrag berufen. Reinhard Müller (FAZ) erinnert daran. Allerdings sei diese Rechtsgemeinschaft "Fliehkräften" ausgesetzt - das zeige sich zur Zeit in der Auseinandersetzung mit dem Bundesverfassungsgericht.
LG Gießen zu gehacktem Ebay-Konto: lawblog.de (Udo Vetter) berichtet knapp über eine Entscheidung des Landgerichts Gießens vom März, wonach ein Ebay-Nutzer, dessen Konto gehackt wurde, nicht für den daraus folgenden Schaden bei einem Händler haftet.
Steuerberaterkongress: Vom 51. Steuerberaterkongress in Dresden berichtet die FAZ (Manfred Schäfers). Dort sprachen sich unter anderem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und der Präsident der Bundessteuerberaterkammer, Horst Vinken, dafür aus, die strafbefreiende Selbstanzeige beizubehalten. Der Präsident des Bundesfinanzhofes, Rudolf Mellinghoff, erklärte, Bürger hätten das Recht, Lücken in Steuergesetzen zu nutzen.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Iran – Ahmadinedschad soll vor Gericht: Wie die SZ (Rudolph Chimelli) berichtet, will der iranische Wächterrat Präsident Mahmud Ahmadinedschad vor Gericht bringen. Ahmadinedschad soll im Wahlkampf einen Verwandten gefördert haben. Ihm drohten sechs Monate Haft und 74 Peitschenhiebe.
Italien- Ruby-Prozess: Im Ruby-Prozess gegen den ehemaligen italienischen Premier Silvio Berlusconi fordert die Staatsanwaltschaft sechs Jahre Haft, weil Berlusconi mit der minderjährigen Prostituierten "Ruby" Sex gehabt haben soll. Das Plädoyer der Staatsanwältin Ilda Boccassini schildert Die Welt (Tobias Beyer).
Frankreich – Carlos vor Gericht: In Paris hat der Berufungsprozess gegen Ilich Ramírez Sánchez begonnen, der sich "Carlos der Schakal" nannte und im Dezember 2011 wegen Terroranschlägen in den 1980er Jahren zu lebenlanger Haft verurteilt worden war. Dazu die SZ (Stefan Ulrich).
Ungarn – Verfassungsreform: Der britische Philosophieprofessor Edward Kanterian setzt auf verfassungsblog.de die Schwerpunkt-Reihe "Ungarn – was tun?" fort. In dem englischsprachigen Beitrag geht es um die Lehren der Weimarer Republik für die Demokratie-Krise in Ungarn und Rumänien.
Sonstiges
Kriminalitätsstatistik 2012: spiegel.de(Jörg Diehl/Benjamin Schulz) stellt die Kriminalitätsstatistik 2012 vor. Angestiegen seien Betrugsfälle bei Lastschriftverfahren und mit gestohlenen Daten von Zahlungskarten sowie Wohnungseinbrüche. Einbrecher würden dabei selten gefasst. Insgesamt ist die Kriminalitätsrate im Süden niedriger als im Rest der Republik.
Das Letzte zum Schluss
TatortWatch: Dürfen die das? Grünen-Politiker haben einen Twitter-Account namens TatortWatch eingerichtet, um darauf hinzuweisen, dass Kommissare nur im Fernsehen Verdächtige bedrohen oder einfach mal in die Wohnung einbrechen dürfen. Die Berliner Juristin Paula Riester erklärt spiegel.de das Projekt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. Mai 2013: Johnny K.-Prozess beginnt – 50 Jahre van Gend & Loos – TatortWatch . In: Legal Tribune Online, 14.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8716/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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