Vor dem Bundesarbeitsgericht geht es gleich zweimal um die Rechtsstellung von Leiharbeitern. Außerdem in der heutigen Presseschau: Ein Gesetz gegen den Abmahnwahn, Vergangenheit und Zukunft des Ehegattensplittings, Fortsetzung im Kirch-Prozess, mögliches Ende des Nürburgring-Verfahrens und Streit um Schützenvögel.
BAG zu Leiharbeit: In einer Reihe von Urteilen hat sich das Bundesarbeitsgericht zur rechtlichen Stellung von Leiharbeitern geäußert. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, ob Leiharbeiter die gleiche Entlohnung wie Stammbelegschaften verlangen können. Zumindest bei solchen Zeitarbeitern, deren Verleihfirmen keinen gültigen Tarifvertrag haben, ist dies nach einem Urteil von Mittwoch der Fall.
Geklagt hatten nach dem Bericht des Handelsblatts (Heike Anger/Axel Schrinner) frühere Zeitarbeiter, deren Arbeitgeber Tarifverträge mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice-Agenturen (CGZP) abgeschlossen hatten. Ein etwaiges Vertrauen der Arbeitgeber in die Tariffähigkeit der CGZP sei nicht schutzwürdig. Der Artikel macht darauf aufmerksam, dass die Nachzahlungspflicht Sozialversicherungsabgaben inklusive des Arbeitnehmeranteils umfasse und zitiert eine Arbeitsrechtlerin mit der Bemerkung, die Urteile stellten einen "schwarzen Mittwoch für die Zeitarbeitsbranche" dar.
Der Bericht der taz (Christian Rath) setzt einen anderen Schwerpunkt. Weil das Gericht ausdrücklich feststellte, dass etwaige arbeitsvertragliche Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Nachforderungen zu beachten seien und diese in der Regel drei Monaten betrügen, seien Nachzahlungen praktisch ausgeschlossen.
In einem weiteren Verfahren urteilte das BAG, dass Leiharbeiter bei der für die Größe des Betriebsrates maßgeblichen Beschäftigtenzahl zu berücksichtigen seien. Nach der Meldung auf lto.de revidierte das Gericht damit seine Rechtsprechung.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Anti-Abzocke-Gesetz: Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf gebilligt, mit dem die Kosten einer Abmahnung wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Urheberrechtsverletzungen im Internet der Höhe nach begrenzt werden sollen. Dies berichtet die FAZ (Justus Bender) und stellt die verschiedenen Verfahren zur illegalen Verschaffung von Filmen oder Musik aus zivilrechtlicher Sicht dar.
Thomas Stadler (internet-law) diskutiert Alternativen zum Entwurf. Sein Fazit: Die Bundesregierung habe es "nicht geschafft, einen wirklich effektiven Gesetzesvorschlag einzubringen."
Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch: Der Rechtsausschuss des Bundestages hat den Gesetzentwurf zur Stärkung der Opfer sexuellen Missbrauchs beschlossen, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch). Kernpunkt sei die Verlängerung von Verjährungsfristen für Schadensersatzforderungen von Opfern von drei auf 30 Jahre, die jedoch nicht rückwirkend gelte. Die Fristen für eine strafrechtliche Verfolgung blieben unverändert, sie würden nunmehr jedoch erst mit dem 21. Lebensjahr des Opfers zu laufen beginnen.
Susanne Höll kommentiert in der SZ hierzu, es sei "einzig und allein" der Regierungskoalition anzulasten, dass der Ausschuss sich fast zwei Jahre mit der Neuregelung beschäftigt habe. Allerdings trügen auch rot-grün geführte Länder Verantwortung für die unwürdige Behandlung von Opfern. Allein Bayern weigere sich nicht, in den ursprünglich vereinbarten Fonds zur Finanzierung von Therapien einzuzahlen.
Ehegattensplitting: Mit historischen Vorläufern des Ehegattensplittings, der gesetzlichen Einführung in den 1950er Jahren und den verfassungsgerichtlichen Grundsatzentscheidungen hierzu befasst sich die FAZ (Reinhard Müller, Manfred Schäfers) in einem ausführlichen Artikel. Angesichts der neueren Rechtsprechung wagen die Autoren die Prognose, dass einer Ausweitung des Ehgattensplittings auf Lebenspartnerschaften nicht viel entgegenstehe. Hierfür spreche zum einen, dass das verfassungsrechtlich gebotene staatliche Schutzgebot der Ehe nicht ohne weiteres die Benachteiligung anderer, vergleichbarer Lebensformen beinhalte. Allerdings hätten die jüngsten Karlsruher Entscheidungen, etwa zur Sukzessivadoption, den "Gleichstellungskurs" beider Senate belegt.
Weitere Themen - Justiz
BGH zur Sicherungsverwahrung: Der Bundesgerichtshof hat die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung eines Sexualmörders bestätigt, meldet lto.de. Die 2008 gegen den zur Tatzeit Heranwachsenden ursprünglich verhängte Sicherungsverwahrung war vom Bundesverfassungsgericht 2011 in seinem Grundsatzurteil aufgehoben worden, die erneute Anordnung entspreche jedoch den in diesem Urteil aufgestellten strengen Grundsätzen.
BGH zum Kaufrecht: Auch der Verkauf eines Fahrzeugs als Oldtimer entbindet den Verkäufer nicht von der Verpflichtung zur Überlassung im verkehrstüchtigen Zustand, entschied der Bundesgerichtshof nach einer Meldung auf lto.de.
Präsident des StGH Niedersachsen: Einer Meldung der FAZ (Robert von Lucius) zufolge hat der niedersächsische Landtag den bisherigen Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, Herwig van Nieuwland, zum Präsidenten des Niedersächsischen Staatsgerichtshof in Bückeburg gewählt. Van Nieuwland tritt die Nachfolge des Rechtsprofessors Jörn Ipsen an.
Fortsetzung im Kirch-Prozess?: Nach Darstellung des Handelsblatts (Axel Höpner/Peter Köhler) erscheint eine Fortsetzung im Rechtsstreit zwischen Deutscher Bank und den Erben des Medienunternehmers Leo Kirch möglich. Vertreter des unterlegenden Geldhauses hätten sich nach einer Analyse der schriftlichen Urteilsbegründung dazu entschlossen, beim Bundesgerichtshof eine Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben. Derweil ermittele die Staatsanwaltschaft München gegen die früheren Vorstände der Bank wegen des Verdachts des Prozessbetruges.
LG Koblenz – Nürburgringaffäre: Bereits seit mehreren Monaten verhandelt das Landgericht Koblenz zur strafrechtlichen Aufarbeitung der gescheiterten Finanzierung des Nürburgringes. Angeklagt ist u.a. der frühere rheinland-pfälzische Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) wegen Untreue. Die Zeit (Marcus Rohwetter, Dagmar Rosenfeld) sieht den Prozess nun an einem Wendepunkt. Grund hierfür seien erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit eines der Angeklagten. Dieser behaupte bislang, Deubel habe ihn gedrängt, eine Provisionsvereinbarung zugunsten eines vermeintlichen Investors zu unterschreiben.
Vereinsverbote: Über das von Bundesinnenminister Friedrich (CSU) verhängte Verbot dreier Vereine radikaler Salafisten in Hessen und Nordrhein-Westfalen berichtet die SZ (Susanne Höll). Die Vereine seien nach Darstellung des Ministeriums unvereinbar mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung und planten die Errichtung eines Gottesstaates. Die zeitgleiche Festnahme salafistischer Aktivisten in Nordrhein-Westfalen, die einen Anschlag auf den Chef der rechtsextremen Pro-NRW-Partei geplant haben sollen, stünde nach Aussagen von Sicherheitsexperten in keinem Zusammenhang zu den Vereinsverboten.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Ungarn – Verfassungsänderungen: Die jüngsten Verfassungsänderungen in Ungarn, mit denen die Kompetenzen des Verfassungsgerichts erheblich beschnitten werden, veranlassen Maximilian Steinbeis im Verfassungsblog zur Ausrufung eines Online-Symposiums. Was können die EU und ihre Mitgliedstaaten tun, wenn in einem ihrer Mitgliedstaaten die Verfassungsstaatlichkeit erodiert? Den Auftakt macht der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller. Er schlägt die Einrichtung einer ständigen Kommission vor, die "einem Gericht in mancher Hinsicht ähneln, aber […] keine Kopie eines Gerichts sein" könne. Vielmehr müsse sie die gesamte politische Landschaft einschätzen und bewerten. Ohne konkrete Sanktionen aussprechen zu können, solle die Kommission offiziell warnen, wenn Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in einem Mitgliedstaat in Gefahr seien.
USA – Datenschutz bei Google: Der Internetkonzern Google hat sich mit Staatsanwälten mehrerer US-Bundesstaaten wegen des Ausspionierens privater WLAN-Netze auf die Zahlung von sieben Millionen Dollar geeinigt schreibt das Handelsblatt (Axel Postinett). Nach Aussage des Konzerns sei die Datenschnüffelei unbeabsichtigtes Nebenprodukt der Rundfahrten von Street-View-Kamerafahrzeugen gewesen. Hierbei sei auf ungesicherte WLAN-Netze zugegriffen worden, die Daten würden nunmehr vernichtet. Schadensersatzklagen Privater seien derweil noch anhängig.
Argentinien – Lebenslang für General: Der letzte Chef der argentinischen Militärjunta ist von einem Gericht in Buenos Aires zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden, meldet die SZ (Peter Burghardt). Dem 85-jährigen Angeklagten sei vorgeworfen worden, für den Tod mehrerer Menschen in einem Folterzentrum verantwortlich zu sein. Unter den Opfern hätten sich Frauen befunden, deren im Gefängnis geborene Kinder später als sogenannte Zwangsadoptierte internationale Bekanntheit erlangten.
Sonstiges
NPD und EGMR: Die NPD ist mit ihrem Versuch, beim Bundesverfassungsgericht die Feststellung zu erreichen, sie sei nicht verfassungswidrig, gescheitert. Hiergegen will sie nun den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen. Auf lto.de befassen sich die Rechtswissenschaftler Dominik Schnieder und Sebastian Roßner mit den Erfolgsaussichten des Antrags. Ein Rechtsbehelf zur Feststellung der Konventionskonformität einer Partei kenne auch diee Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht. Äußerungen prominenter Politiker zur Verfassungswidrigkeit der NPD könnten jedoch als Eingriff in die durch Art. 11 Abs. 1 EMRK gewährleistete Parteienfreiheit zu werten sein und seien auch dem Staat zurechenbar. Allerdings sei der Staat nach der deutschen Rechtsprechung zu Warnhinweisen unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt, solche Aussagen zu treffen.
Rechtsterrorismus: Die Zeit (Wolf-Dieter Vogel) erinnert in einem längeren Beitrag an den Brandanschlag in Lübeck. Vor 17 Jahren starben dort zehn Menschen, weitere 38 wurden zum Teil schwer verletzt. Die Opfer waren überwiegend Asylbewerber. Trotz vielfacher Hinweise auf einen rechtsradikalen Hintergrund habe sich die Ermittlungstätigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaft auf einen libanesischen Bewohner des Hauses konzentriert, der jedoch in zwei Verfahren freigesprochen wurde. Seine damalige Verteidigerin halte erneute Ermittlungen für sinnlos, fordere aber die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses.
Home Office: Bei immer mehr Arbeitnehmern steht der Büroschreibtisch in den eigenen vier Wänden. Mit dem sogenannten Home Office ist nach einer Anordnung der Yahoo-Chefin Marissa Mayer beim Internet-Riesen jedoch Schluss. Anlass für Fachanwalt Thomas Hey, sich auf lto.de mit arbeitsrechtlichen Aspekten der "Tele-Arbeit" auseinanderzusetzen. Problematisch ist für den Autor die Durchsetzung des Direktionsrechts der Vorgesetzten wegen des fehlenden unmittelbaren Kontaktes zu seinen Angestellten. Deren "Führung und Förderung" werde oftmals nicht erreicht.
Das Letzte zum Schluss
Schießstandrichtlinie unter Beschuss: Der nächste Koalitionskrach steht vor der Tür: Nach einem Bericht der SZ (Robert Rossmann) nimmt das CSU-geführte Bundesinnenministerium das Vogelschießen aufs Korn. Auf Schützenfesten werde dabei auf einen Holzvogel angelegt, dessen zulässige Größe das Ministerium in einer 112 Seiten dicken Richtlinie nun erheblich beschränkte. Die hierfür vorgebrachten Sicherheitserwägungen mag die FDP nicht gelten lassen. In einem Brief an den Innenminister fordere sie Abhilfe und "Artenschutz für Schützenvögel".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage
Die juristische Presseschau vom 14. März 2013: BAG zu Leiharbeit - Kirch-Prozess ohne Ende - Ehegattensplitting mit Zukunft . In: Legal Tribune Online, 14.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8325/ (abgerufen am: 06.05.2024 )
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