Das LG München I hat Ritter Sport Recht gegeben und den Schokoladentest der Stiftung Warentest deutlich gerügt. Außerdem in der Presseschau: doch kein "No-Spy"-Abkommen, EU-Leitfaden für Sozialleistungen, Selbstanzeigen-Reform, Prokon angezeigt, Scheinselbständigkeit beim Bundestag, US Supreme Court verhandelt Senatsblockade und ein Parkplatzstreit vor Gericht.
Thema des Tages
LG München I zu Ritter Sport: Das Landgericht München I hat die vom Schokoladenhersteller Ritter Sport gegen die Stiftung Warentest erwirkte einstweilige Verfügung in einem Eilverfahren zunächst bestätigt. Die Stiftung darf demnach nicht mehr behaupten, eine bestimmte Schokoladensorte enthalte entgegen den Angaben auf der Verpackung kein "natürliches", sondern ein "künstliches" Vanille-Aroma, berichten SZ (Daniela Kuhr) und taz (Svenja Bergt). Wie die FAZ (Henning Peitsmeier/Susanne Preuß/Thiemo Heeg) hervorhebt, habe der Richter die Stiftung dafür gerügt, dass sie in ihrem Testbericht die Gründe für ihre dem Testurteil zugrundeliegenden Erwägungen nicht offengelegt habe. Darin liege, so der Rechtsprofessor Roland Schimmel auf lto.de, gar eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung zur Warentests. Ungewissheiten im Tatsächlichen wie in der Rechtsauslegung müssten demnach benannt werden.
Der Krisenforscher Frank Roselieb rät der Stiftung im Interview mit der taz (Wolfgang Mulke), auf eine Berufung zu verzichten und die Testkriterien zu verbessern. Daniela Kuhr (SZ) meint, in dem nur auf den ersten Blick "lächerlich" wirkenden Streit gehe es neben der Frage, mit welchen Angaben geworben werden dürfte, auch um die Glaubwürdigkeit der Stiftung Warentest – weswegen diese auch bereits Berufung eingelegt habe. Svenja Bergt (taz) identifiziert als zugrundeliegendes Problem die Gesetzeslage, die es der Lebensmittelindustrie ermögliche "zu tricksen".
Rechtspolitik
Kein "No-Spy"-Abkommen: Wie die SZ (Hans Leyendecker/Georg Mascolo) auf Seite Eins berichtet, droht das geplante "No-Spy"-Abkommen zwischen den USA und Deutschland zu scheitern. Nach Auskunft deutscher Regierungsmitglieder verweigerten die USA sogar die Zusage, auf das Abhören von Regierungsbeamten zu verzichten. Die Verbitterung in deutschen Verhandlungskreisen darüber sei groß. Offiziell dauerten die Verhandlungen aber noch an.
Heribert Prantl (SZ) findet die Haltung der USA "entlarvend". Sie zeige, dass die Nato-Verteidigungsgemeinschaft offenbar nicht die Verteidigung rechtsstaatlicher Grundsätze zum Ziel habe, die Terror-Abwehr nur als Vorwand für Spionage diene und sich die USA für "über dem Gesetz stehend" hielten.
Vorratsdatenspeicherung: Innen- und Justizministerium haben einem Bericht der FAZ (Günter Bannas) zufolge nach wie vor keine Einigung hinsichtlich des Vorgehens zur Vorratsdatenspeicherung erzielt; nun solle das Thema auf der Klausurtagung des Bundeskabinetts in der kommenden Woche besprochen werden.
Reinhard Müller (FAZ) kritisiert das "traditionelle Geplänkel" zwischen Innen- und Justizressort zur Vorratsdatenspeicherung, das nur "bestimmte Fangruppen" be-, aber "nicht der Sache" diene. Es sei "armselig, kaninchenhaft auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu warten". Vielmehr müsse der Gesetzgeber jetzt tätig werden und das wichtige "Instrument zur Bekämpfung von schwerer Kriminalität" durch eine "geeignete und angemessene Regelung" umsetzen.
EU-Leitfaden für Sozialleistungen: EU-Sozialkommissar Lázló Andor hat am Montag den neuen Leitfaden der Kommission zur Arbeit im EU-Ausland vorgestellt, mit dem die Behörde auf die Diskussion über den Zugang zu Sozialleistungen und die Auswirkungen der Freizügigkeit reagieren wollte. Der Leitfaden fasse dabei allerdings bloß die geltende Rechtslage zusammen, berichtet die SZ (Daniel Brössler). Auch die FAZ (Nikolas Busse) und die taz (Eric Bonse/Barbara Dribbusch) berichten.
Roland Preuss (SZ) kritisiert, dass der angekündigten "Leitfaden gegen Sozialmissbrauch" allenfalls "Leitfransen" vorgebe. Die entscheidenden Fragen müssten "die europäischen Richter" beantworten. Günther Nonnenmacher (FAZ) rechnet erst nach den Europawahlen wieder mit "mehr Rationalität" in der Debatte. Ruth Berschens (Handelsblatt) findet die Diskussion "zum schämen". Das EU-Recht lasse es längst zu, das bloße Abkassieren von Sozialleistungen zu verhindern – nach einer individuellen Anspruchsprüfung. Barbara Dribbusch (taz) hält die praktischen Auswirkungen selbst eines die deutsche Gesetzeslage in Frage stellenden Urteils des Europäischen Gerichtshofs für äußerst begrenzt und Hysterie deswegen für unangebracht.
Selbstanzeige im Steuerrecht: Die Regierungskoalition will die Regeln für die Selbstanzeige im Steuerrecht verschärfen. Das Handelsblatt (Donata Riedel) berichtet über eine der Zeitung vorliegende Empfehlung der Steuerabteilungsleiter von Bund und Ländern, wonach künftig unter anderem die Steuererklärungen der letzten zehn Jahre vollständig korrigiert werden müssen, um Straffreiheit zu erlangen. Im Interview mit dem Handelsblatt (Axel Schrinner) bestätigt der Rechtsanwalt Herbert Olgemöller das nach wie vor große Interesse von Mandanten an Selbstanzeigen.
Unterdessen plädiert der Rechtsanwalt Karsten Randt im "Finanzmarkt und Geldanlage"-Teil der FAZ dafür, steuerrechtliche Selbstanzeigen nicht weiter zu komplizieren, sondern vielmehr Anreize zur einfachen Korrektur von Falschangaben zu setzen. Nicht bei jedem Fehler in einer Steuererklärung handele es sich um bewusst verschwiegenes Auslandsvermögen. Klaus Volk (Handelsblatt) sieht den Staat dagegen in der "Moralfalle" – einerseits wolle er das Steuergeld kassieren, andererseits schaffe er Wege, die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige auszuhebeln.
Verbraucherschutz: Das Handelsblatt (Silke Kersting) stellt die Erwartungen der Verbraucherschützer an den neuen Justiz- und Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD) zusammen. Prioritär sei "die Ausgestaltung der digitalen Welt, die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und die Einführung der Marktwächter", wird Holger Krawinkel, Leiter Verbraucherpolitik beim Verbraucherzentrale Bundesverband, zitiert.
EU-Kompetenzgerichtshof: Auf lto.de wendet sich der Rechtsprofessor Joachim Wieland gegen die CSU-Forderung nach der Einrichtung eines EU-Kompetenzgerichtshofs. Viel wichtiger sei die politische Kontrolle der EU-Institutionen durch Opposition, Medien und Bevölkerung.
Justiz
SG Berlin – Scheinselbständig für Bundestag? Ist das Umherfahren eines Infomobils des Deutschen Bundestags eine selbständige Honorartätigkeit oder doch eher eine abhängige Beschäftigung? Darüber verhandelt laut einem Bericht der Welt (Florian Kain) am heutigen Dienstag das Berliner Sozialgericht in einem Streit zwischen dem Parlament und der Deutschen Rentenversicherung.
VG Berlin – Hooligan-Sympathisant: Das Tragen eines der Hooligan-Szene zuzurechnenden Trikots kann auf die fehlende charakterliche Eignung für den gehobenen Polizeidienst hinweisen. Das hat laut blog.beck.de (Markus Stoffels) das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.
OLG Hamm zu Schlagloch: Das Land Nordrhein-Westfalen muss für den durch ein Schlagloch auf einer Autobahn entstandenen Schaden an einem Pkw aufkommen. Das hat das Oberlandesgericht Hamm einer Meldung von lto.de zufolge entschieden.
StA Lübeck – Prokon: Wie die SZ (Markus Balser) berichtet, beschäftigt sich inzwischen auch die Lübecker Staatsanwaltschaft mit dem von Insolvenz bedrohten Windkraftfinanzier Prokon. Die Behörde prüfe aufgrund mehrerer Anzeigen, "ob ein Anfangsverdacht wegen Betruges und weiterer Wirtschaftsdelikte besteht oder nicht". Die taz (Hermannus Pfeiffer/Janto Rössner) betont allerdings, dass es sich auch schlicht um leichtsinnige Anleger handeln könne.
LG München – Hoeneß: Im März beginnt vor dem Landgericht München II der Steuerhinterziehungsprozess gegen den FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß. Unter Berufung auf die Bild-Zeitung berichtet die FAZ (Henning Peitsmeier/Joachim Jahn), dass die Staatsanwaltschaft Hoeneß in sieben Fällen anklage; weitere Fälle seien bereits verjährt. Anscheinend gehe die Staatsanwaltschaft also nicht von einem "besonders schweren Fall" aus, bei dem die Verjährungsfrist nicht fünf, sondern zehn Jahre betrage. Auch das Handelsblatt (Axel Höpner) berichtet.
LG Schwerin – Joggerin-Prozess: Im Prozess um die Tötung einer Joggerin vor dem Landgericht Schwerin hat der Angeklagte nun laut FAZ (Frank Pergande) durch seinen Verteidiger überraschend doch eine Erklärung vorlegen lassen. Danach habe er die Frau nicht töten, sondern nur verletzen wollen, um ins Gefängnis zu kommen.
Recht in der Welt
StA Wien – Infinus-Ermittlungen: Wie das Handelsblatt (Massimo Bognanni) berichtet, steht dem in Untersuchungshaft sitzenden Vorstand des Finanzdienstleisters Infinus, Rudolf O., neues Ungemach ins Haus. Neben der Dresdener ermittele nun auch die Wiener Staatsanwaltschaft gegen ihn – wegen Geldwäsche. Er soll erschwindelte Anleger-Gelder in zwei Lebensversicherungen bei einem Wiener Versicherungsunternehmen investiert haben.
USA – Supreme Court verhandelt Senatsblockade: Der Verfassungsblog (Maximilian Steinbeis) beschäftigt sich mit einem Verfahren vor dem US Supreme Court zu sogenannten "Urlaubsernennungen" durch Präsident Obama, mit denen dieser die Blockadepolitik der Republikaner-Opposition bei der Ernennung von Bundesbeamten zu durchbrechen versucht.
IStGH – Großbritannien: Am Dienstag berichtet auch die FAZ (Jochen Buchsteiner) über die von Menschenrechtlern beim Internationalen Strafgerichtshof eingereichte Anzeige mehrerer britischer Militärführer. Während die Vorwürfe ihrer Natur nach nicht neu seien, überrasche aber ihre Zahl.
Sonstiges
Ach, Europa: Die SZ veröffentlicht heute in ihrem Feuilleton einen Beitrag des letzte Woche verstorbenen Ex-Verfassungsrichters und Strafrechtlers Winfried Hassemer zur Entwicklung der Europäischen Union. Einen "Seufzer", wie der Autor selbst schreibt – der sich, vom "Traum" des geeinten Europa nach dem Zweiten Weltkrieg und der Verteidigung zivilisatorischer Errungenschaften wie Friede, Freiheit und Rechtsstaat ausgehend, mit der aktuellen Krise Europas auseinandersetzt, das seinen Glanz verloren habe, ja "in Not" sei. Einen Ausweg sieht Hassemer darin, das durch die Krise auf das rein Ökonomische reduzierte "Zerrbild" Europas hinter sich zu lassen und "das vollständige Bild Europas wieder herzustellen". Dabei müsse Europa nicht neu gedacht, aber institutionell neu ausgestattet werden.
Kirchliches Arbeitsrecht: Vor dem Hintergrund der Insolvenz des von der katholischen Kirche gehaltenen Weltbild-Verlags stellt die SZ (Sibylle Haas) die Besonderheiten des kirchlichen Arbeitsrechts und die vor allem gewerkschaftliche Kritik daran vor.
Das Letzte zum Schluss
Parkplatzstreit: Was man nicht alles vor Gericht bringen kann: lawblog.de (Udo Vetter) berichtet über die Auseinandersetzung zweier Parkplatzinhaberinnen vor dem Amtsgericht München. Die eine hatte der anderen eine Unterlassungserklärung zugestellt, mit der sie erreichen wollte, dass die andere immer mindestens 50 Zentimeter Abstand zu dem von ihr geparkten Auto hält. Ohne die Richterin: Die ging davon aus, dass ein Parkplatz grundsätzlich der ganzen Breite nach genutzt werden darf.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie in der Printausgabe oder im jeweiligen E-Paper.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. Januar 2014: Ritter Sport gewinnt – No zu "No-Spy" – Prokon angezeigt . In: Legal Tribune Online, 14.01.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10649/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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