Es wurde das erwartete "Ja, aber"-Urteil. Das BVerfG hat seine Eilentscheidung zum ESM verkündet. Außerdem in der Presseschau: Die Pläne der EU-Kommission zur Verschärfung der Bankenaufsicht, Schadensersatz wegen überlanger Verfahrensdauer, Ermittlungen gegen den VfL Wolfsburg und ein Anwalt erhält komische badische Akten.
BVerfG zu Eurorettung: Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Eilentscheidung die deutsche Beteiligung am Eurorettungsschirm ESM grundsätzlich gebilligt und die Anträge der Kläger weitgehend zurück gewiesen.
Allerdings müsse die Bundesregierung bei der Ratifizierung des ESM-Vertrages durch völkerrechtliche Vorbehalte sicher stellen, dass die Rechte des Parlaments gewahrt bleiben. So dürfe die bisher vereinbarte Haftungsgrenze von 190 Milliarden Euro nicht ohne die Zustimmung des Bundestages erhöht werden. Zudem müssen die Informationsrechte des Bundestages und des Bundesrates trotz der für alle ESM-Mitarbeiter geltenden Schweigepflicht beachtet werden.
Einen Überblick über die Geschehnisse in Karlsruhe und die Reaktionen in der Politik geben die SZ (Claus Hulverschmidt) und die FAZ (Friedrich Schmidt). Die FR (Ursula Knapp) und die taz (Christian Rath) fassen das Urteil übersichtlich zusammen. Die wichtigsten Punkte der Entscheidung erläutert die SZ (Wolfgang Janisch/Heribert Prantl/Ronen Steinke) in Fragen und Antworten. Wie der völkerrechtliche Vorbehalt im Ratifikationsverfahren umgesetzt werden kann, erklärt die FAZ (Reinhard Müller). Die Frage, inwiefern das Verfassungsgericht in der noch ausstehenden Hauptverhandlung auf etwaige Kompetenzüberschreitungen der Europäischen Zentralbank eingehen könnte, behandeln die FAZ (Joachim Jahn/Werner Mussler) und die taz (Christian Rath).
Die überwiegend positiven Reaktionen im Bundestag schildern die SZ (Nico Fried) und die FAZ (Günter Bannas), aus dem Europäischen Parlament berichtet die FAZ (Nikolas Busse). Die FTD geht auf die erfreuten Reaktionen an der Börse ein. Die Zeit (Mark Schieritz/Marc Brost/Heinrich Wefing/Matthias Geis/Uwe Jean Heuser) befasst sich in Fragen und Antworten mit den Folgen des Urteils für Deutschland und Europa. Der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio erklärt in einem Gastbeitrag für die Zeit, warum er die Souveränität der Nationalstaaten in Europa grundsätzlich nicht gefährdet sieht.
Bei den Kommentatoren stößt die Entscheidung weniger auf Zustimmung. Für "kraftlos" hält Heribert Prantl (SZ) das Urteil: "Das bisher eher unbescheidene Verfassungsgericht bescheidet sich nun". Er vermutet, dass die Verfassungsrichter erstmals eine Frage dem Europäischen Gerichtshof vorlegen werden, wenn es in der Hauptverhandlung auch um die Europäische Zentralbank geht. Damit sei der "Martinszug um", Karlsruhe werde "sein Licht ausblasen". Auch Wolfgang Janisch (SZ) beschreibt herbstlichen Nieselregen und den "melancholischen Aspekt des Urteils". Das Bundesverfassungsgericht müsse seine "Wächterrolle" mit den europäischen Gerichten teilen, die hohen Erwartungen der mehr als 37.000 Kläger habe es nicht erfüllen können. In forscheren Tönen konstatiert Thomas Darnstädt (spiegel.de), dass "das Staatstheater von Karlsruhe seine besten Zeiten hinter sich hat", für die großen Entscheidungen in Europa sei der Europäische Gerichtshof zuständig, außerdem übernehme das Europäische Parlament zunehmend mehr Verantwortung. Christian Rath (taz) kritisiert, dass das Verfassungsgericht in der Hauptverhandlung die Politik der Europäischen Zentralbank thematisieren will und damit weiterhin für Unruhe sorge. Reinhard Müller (FAZ) sieht das Verfassungsgericht hingegen auf seiner bisherigen Linie, eine enge verfassungsrechtliche Kontrolle der europäischen Integration sei auch künftig sichergestellt. Der Staatsrechtslehrer Joachim Wieland zeigt sich in einem Beitrag für lto.de ebenfalls zufrieden mit der Entscheidung. Das Gericht habe einen "goldenen Mittelweg" gefunden.
Weitere Themen – Rechtspolitik
EU-Bankenaufsicht: Die Europäische Kommission will die Bankenaufsicht ausweiten. EU-Kommissionspräsident Barroso sprach sich am Mittwoch für eine stärkere Kontrolle der Europäischen Zentralbank über die Banken in den Mitgliedsstaaten aus. Die SZ (Andrea Rexer/Markus Zydra) berichtet über den Vorschlag, der auf deutscher Seite auf Kritik stößt. Fragen und Antworten zu den Plänen der Kommission stellt die FTD (Mark Schrörs/André Kühnlenz) zusammen.
PID-Verordnung: Wie spiegel.de berichtet, haben sieben Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen in einem Brief an Gesundheitsminister Bahr den Entwurf für eine Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik kritisiert. Sie werde dem Ziel des zugrundeliegenden Gesetzes, die PID auf Ausnahmefälle zu begrenzen, nicht gerecht.
Urheberrecht: Thomas Stadler (internet-law.de) kritisiert den kürzlich vorgelegten Gesetzentwurf der Berliner Piratenfraktion zum Urheberrecht. Darin fehle insbesondere ein Vorschlag zur Neuregelung des Urhebervertragsrechts, auch zum Thema Open Access herrsche "komplette Fehlanzeige".
Weitere Themen - Justiz
NSU-Untersuchungsausschuss: Der Skandal um die vom Militärischen Abschirmdienst zurückgehaltene Akte über den Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds", Uwe Mundlos, weitet sich aus. Nun steht auch Verteidigungsminister de Maizière in der Kritik. Die Welt (Manuel Bewarder/Uwe Müller) berichtet ausführlich und verlinkt Teile der umstrittenen Akte.
Überlange Verfahrensdauer: Das Oberlandesgericht Bremen hat einer Frau 3.000 Euro Entschädigung zugesprochen, weil ein Strafverfahren gegen sie acht Jahre gedauert hat. Die taz (Simone Schnase) berichtet im "Bremen"-Teil über den Prozess.
BAG zu Überstunden: Die Rechtsanwältin Sandra Urban-Crell befasst sich auf dem Handelsblatt Rechtsboard mit einer Reihe von Urteilen des Bundesarbeitsgerichts zur Pauschalabgeltung von Überstunden.
AGG und Stellensuche: Juristische Auseinandersetzungen um diskriminierende Stellenausschreibungen schildert die SZ (Catrin Gesellensetter) im "Geld"-Teil. Unternehmen müssten mit Klagen abgelehnter Bewerber rechnen.
Prozess gegen Busentführer: Vor dem Landgericht Frankfurt am Main hat der Prozess gegen Thomas F. begonnen, der zahlreiche Raubüberfälle begangen und im Dezember 2011 einen Linienbus entführt haben soll. Wie die FR berichtet, geht es um 19 Straftaten, darunter schwerer Raub, schwere räuberische Erpressung und schwerer Menschenraub. F. kündigte ein Geständnis an.
Ermittlungen gegen VfL Wolfsburg: Die SZ (Klaus Ott) berichtet von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart im Umfeld des Fußballclubs VfL Wolfsburg. Gegen zwei Führungskräfte aus der VW-Einkaufssparte und gegen drei ehemalige Mitarbeiter der Telekom-Tochter T-Systems sei Anklage wegen Bestechung und Bestechlichkeit erhoben worden, weil VW die Lieferanten in unzulässiger Weise zum VfL-Sponsoring gedrängt haben soll. Nun solle der VW-Einkaufsvorstand und VfL-Aufsichtsratschef Garcia Sanz vor dem Stuttgarter Landgericht als Zeuge aussagen.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Ungarn – Prozess gegen Stalinist: Die taz (Ralf Leonhard) berichtet von einem Prozess gegen den früheren ungarischen Innenminister Béla Biskú, der an der Niederschlagung des Volksaufstandes von 1956 beteiligt gewesen sein soll. Damit stehe zum ersten Mal ein Repräsentant des stalinistischen Regimes vor Gericht.
Sonstiges
Anwältin von NSU-Opfer: Die taz.nord (Andreas Speit) spricht mit der Rechtsanwältin Angela Wierig, die die Schwester des vom "Nationalsozialistischen Untergrund" ermordeten Süleyman Tasköprü vertritt, darüber, wie belastend die Ermittlungen für die Angehörigen der Opfer sind.
Das Letzte zum Schluss
Badische Akten: Der Rechtsanwalt Lars Nozar wundert sich auf seinem "Dr. Nozar Rechtsanwälte"-Blog über die mit Bindfaden zusammen gehaltenen Akten, die ihm das Landgericht Konstanz zugesandt hat.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. September 2012: Eilentscheidung zum ESM – EU-Pläne zur Bankenaufsicht – Überlange Verfahrensdauer . In: Legal Tribune Online, 13.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7068/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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