Das Bundesverfassungsgericht muss klären, ob die Kita-Planung als kommunale Selbstverwaltung garantiert ist. Außerdem in der Presseschau: Die Bundesanwaltschaft hält Bus-Anschlag für Terror-Akt, ein Anwalt rät von Sex mit Mandanten ab.
Thema des Tages
BVerfG – kommunale Selbstverwaltung: Das Bundesverfassungsgericht verhandelte am Mittwoch über die Klagen von acht Kommunen (u.a. Leuna und Wittenberg) gegen das Kinderförderungsgesetz von Sachsen-Anhalt. Das Gesetz gibt den auf Kreisebene angesiedelten Jugendämtern die Aufgabe, die Qualität der Kinderbetreuung vor Ort sicherzustellen. Die Kommunen sehen sich dabei in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch) und mdr.de.
Rechtspolitik
NetzDG: Anwalt Chan-Jo Jun setzt sich auf spiegel.de differenziert mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken auseinander. Der Ansatz des Gesetzes sei richtig, dass zunächst Facebook für die Einhaltung der Gesetze im Netzwerk verantwortlich ist. Um Overblocking zu verhindern, müsse der Urheber einer beanstandeten Aussage entsprechend der BGH-Blogpost-Rechtsprechung einbezogen werden. Jun kritisiert die Eile, mit der das Gesetz forciert wird.
Pflegekinder: Das Bundeskabinett hat den Entwurf für ein Gesetz "zur Stärkung der Kinder und Jugendlichen" beschlossen. Von öffentlichem Interesse ist insbesondere eine Regelung, die Pflegekindern Schutz vor Beziehungsabbrüchen bieten soll, wenn eine Rückkehr in die leibliche Familie zunächst nicht zu erwarten war. Es berichten die SZ (Constanze von Boullion) und lto.de.
Urheberrecht: Außerdem hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf für ein Wissenschaftsurheberrecht beschlossen, das im Urheberrechtsgesetz neu geregelt werden soll. netzpolitik.org (Leonhard Dobusch) hat den Regierungsentwurf mit dem Referentenentwurf des Justizministeriums verglichen und weist einige Lobby-Erfolge der Verlage nach. Dennoch sei der Gesetzentwurf immer noch geeignet, zahlreiche etablierte Praktiken aus der Illegalität zu holen.
Justiz
BAW – BVB-Bus: Nach dem Anschlag auf einen Bus von Borussia Dortmund hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Sie geht von einem terroristischen Hintergrund aus und vermutet derzeit ein islamistisches Motiv. Das am Tatort gefundene Bekennerschreiben entspricht aber nicht der bisherigen Praxis des IS. Es berichten die SZ (Hans Leyendecker, Georg Mascolo u.a.), die taz (Christian Rath/Konrad Litschko) und swr.de (Bernd Wolf).
BAW – Anis Amri: In einem Zwischenstand zu den Ermittlungen nach dem IS-Terroranschlag von Berlin teilte die Bundesanwaltschaft laut spiegel.de mit, dass der Attentäter Anis Amri als "Einzeltäter" handelte. Geschildert werden auch seine letzten Tage vor dem Anschlag.
BVerfG zu Cum-Ex-Deals: Die Anwälte Christoph Knauer und Sören Schomburg stellen auf lto.de einen Kammer-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von Anfang März vor. Darin verwarf das Gericht eine Verfassungsbeschwerde gegen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften. Der Beschluss sei zwar ohne konkrete Begründung ergangen, ermutige jedoch zu weiteren Ermittlungen. Ausführlich wird die steuerstrafrechtliche Bedeutung der Cum-Ex-Geschäfte erklärt und die bisherige Rechtsprechung dargestellt.
BVerwG zu Bundeswehrärzten: Sanitätsoffiziere, die auf Kosten der Bundeswehr studiert hatten, dann aber vor Ablauf des vereinbarten zehnjährigen Dienstes die Bundeswehr verließen, müssen die Ausbildungskosten zurückzahlen. Dies bestätigte jetzt das Bundesverwaltungsgericht laut lto.de. Soweit die Rückforderung gestundet wird, dürfe der Bund künftig allerdings keine Zinsen mehr verlangen, da hierfür eine Rechtsgrundlage fehle.
VG Berlin zu zweckentfremdeten Wohnungen: Die taz (Klara Weidemann) berichtet über eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin von Ende März. Danach müssen Portale wie Airbnb der Berliner Verwaltung den Namen des Wohnungsanbieters mitteilen, wenn der Verdacht auf Zweckentfremdung von Wohnraum besteht. Ausführlich werden die Probleme bei der Umsetzung des Gesetzes und des Urteils geschildert.
LG Ravensburg zu Angriff im Gefängnis: Das Landgericht Ravensburg hat laut spiegel.de einen Strafgefangenen zu vier Jahren zusätzlicher Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Der Täter hatte einem mitgefangenen Dreifachmörder mehrfach ins Gesicht getreten. Der Mörder tötete sich kurze Zeit später selbst.
OLG Köln – 1. FC Köln-Domain: In Umsetzung eines Vergleichs, der vor dem Oberlandesgericht Köln geschlossen worden war, erhält der Verein 1. FC Köln zwar die Domain www.fc.de, muss aber dem bisherigen Inhaber 20.000 Euro zahlen. Das Kürzel "FC" stehe dem Verein nicht als Namensrecht zu, weil es auch vieles andere bedeuten könne, berichtet lto.de (Maximilian Amos/Pia Lorenz).
Recht in der Welt
Türkei – Verfassungsreferendum: Der SWR-Radioreport Recht (Max Baur) schildert im Gespräch mit dem Anwalt und Türkei-Experten Christian Rump anschaulich die Auswirkungen der geplanten Verfassungsreform, über die in der Türkei am Sonntag abgestimmt wird.
Frankreich – Präsident: Im Vorfeld der französischen Präsidentschaftswahl im Mai erläutert der Akademische Rat Nikolaus Marsch auf verfassungsblog.de die Rolle des französischen Präsidenten. Dieser sei nur dann sehr mächtig, wenn seine Partei gleichzeitig die Mehrheit in der Nationalversammlung stellt und ihn auch als politischen Führer akzeptiert. Beides sei weder bei Emmanuel Macron noch bei Marine Le Pen zu erwarten.
Brasilien – Korruption: Der Oberste Gerichtshof Brasiliens hat Korruptionsermittlungen gegen acht Minister, 24 Senatoren und 39 Abgeordnete öffentlich gemacht. Es geht um die Annahme von Bestechungsgeldern des Baukonzerns Odebrecht, Geldwäsche und illegale Parteienfinanzierung. Mit Anklagen wird erst im nächsten Jahr gerechnet. Es berichten die SZ (Boris Herrmann) und die taz (Andreas Behn).
Juristische Ausbildung
Verschwundene Klausuren: Die Zivilrechts-Examensklausuren von 36 Bremer Jura-Studenten sind auf dem Postweg zum Korrektor verloren gegangen. Die Post entschuldigte sich für das Malheur. Die betroffenen Studenten können nun entweder eine Ersatzklausur schreiben oder sie akzeptieren die Durchschnittsnote ihrer anderen fünf Examensklausuren als Gesamtnote für das Staatsexamen, so spiegel.de.
Sonstiges
Intelligente Videoüberwachung: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat angekündigt, dass er ab dem 3. Quartal am Bahnhof Berlin-Südkreuz zwei Modellversuche durchführen will. Zum einen soll die Leistungsfähigkeit moderner Gesichtserkennungs-Software getestet werden. Zum anderen sollen gefährliche Situationen (etwa stehengelassene Gegenstände) automatisch erkannt werden, so die taz (Christian Rath) und netzpolitik.org (Anna Biselli).
Ausländische Politiker, deutsche Grundrechte: Der Rechtsprofessor Georgios Gounalakis erläutert in der FAZ, dass ausländische Politiker in Deutschland nur dann keinen Grundrechtsschutz genießen, wenn sie in Ausübung ihres staatlichen Amtes agieren. Äußert sich der Amtsträger in Deutschland hingegen in privater Funktion oder als Politiker seiner Partei, könne er sich wie jedermann auf die deutschen Grundrechte berufen.
Republik und Grundgesetz: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Daniel Benrath skizziert auf juwiss.de, welcher normativ-integrative Gehalt dem Republik-Begriff im Grundgesetz zukommen kann. "Grundsätzlich kann keiner Bürgerin und keinem Bürger die Teilhabe am Staat als öffentlicher Angelegenheit versperrt werden."
Das Letzte zum Schluss
Sex mit Mandanten: Der Blog fachanwalt-fuer-it-recht (Ralf Möbius) erläutert, dass es grundsätzlich nicht strafbar ist, wenn Anwälte und Anwältinnen Sex mit ihren Mandanten und Mandantinnen haben. Am Ende rät er aber doch eher davon ab: "Seriöse Anwälte sind in der Regel verheiratet, haben Familie, kennen ihr Metier und gefährden ihren Ruf nicht mit Bettgeschichten unter ihrem Niveau."
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Nach den Feiertagen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 13. April 2017: BVerfG und kommunale Selbstverwaltung / Ermittlungen zum Dortmund-Bus / Sex mit Mandanten . In: Legal Tribune Online, 13.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22654/ (abgerufen am: 27.04.2024 )
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