Wie gut sind Gutachten in familienrechtlichen Verfahren? Eine Untersuchung deckt Mängel auf. Außerdem in der Presseschau: Der Deutsche Richerbund will mehr Unabhängigkeit für Staatsanwälte, der EuGH äußert sich zu Urlaubsansprüchen bei Kurzarbeit und die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Sachsen LB Vorstände, EADS-Manager – und gegen einen Wirt aus der Lindenstraße.
Gutachter am Familiengericht: Der FAS (Katrin Hummel) liegt ein Untersuchungsbericht der Universität Tübingen vor, der die Qualität von Gutachten in familienrechtlichen Verfahren in Frage stellt. Demnach hatten 16 Prozent der befragten Elternteile angegeben, es seien Falschgutachten angefertigt worden. In dem Bericht heißt es weiter, zahlreiche Gutachter seien nicht ausreichend qualifiziert, es entstehe der Eindruck, dass Sympathie-Gutachten geschrieben würden. Zudem werde ein Großteil der Gutachten über die private "Gesellschaft für wissenschaftliche Gerichts- und Rechtspsychologie" vergeben. Kritiker bemängelten die enge Vernetzung der Firma mit den Familiengerichten. Der Deutsche Richterbund und die Bundesrechtsanwaltskammer sprachen sich gegenüber der FAS dafür aus, in familienrechtlichen Verfahren öffentlich bestellte Sachverständige einzusetzen.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Sicherungsverwahrung: Die Reform der Sicherungsverwahrung sorgt weiter für Diskussionen. Einen Überblick über die vom Bundestag beschlossenen Änderungen und die Reaktionen in der Politik gibt die Samstags-taz (Christian Rath). Der Strafrechtsprofessor Johannes Feest fordert auf lto.de, über die Abschaffung der Sicherungsverwahrung nachzudenken. Das vom Bundesverfassungsgericht formulierte "Abstandsgebot", wonach sich die Sicherungsverwahrung deutlich vom Strafvollzug unterscheiden muss, lasse sich letzlich nicht umsetzen.
Die bayerische Justizministerin Beate Merk kritisiert die Entscheidungen des Verfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Gespräch mit der Samstags-SZ (Heribert Prantl). Sie fordert eine nachträgliche Sicherungsverwahrung.
NPD-Verbot: Die Montags-SZ (Susanne Höll) nimmt an, dass sich die Innenminister von Bund und Ländern auf ihrer Herbsttagung am 5. Dezember für einen neues NPD-Verbotsverfahren aussprechen werden.
Klagerecht für Umweltverbände: Der Bundestag hat mit einer Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfs-Gesetzes die Klagerechte von Umweltverbänden erweitert, berichtet die Samstags-taz (Christian Rath). Zugleich sei jedoch der Eilrechtsschutz eingeschränkt worden. Hintergrund der Reform ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom Mai 2011.
DRB fordert Unabhängigkeit für Staatsanwälte: Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Christoph Frank, fordert mehr Unabhängigkeit für Staatsanwälte. Das – selten genutzte – Weisungsrecht der Justizminister, die damit Einfluss auf Verfahren nehmen können, müsse abgeschafft werden. Das meldet lto.de.
Weitere Themen - Justiz
EuGH zu Urlaubanspruch bei Kurzarbeit: Der Europäische Gerichtshof hat sich mit den Urlaubsansprüchen von Kurzarbeitern befasst. Demnach steht das Unionsrecht Regelungen nicht entgegen, die vorsehen, dass sich der Urlaubsanspruch im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung verringert. Das gilt auch für die so genannte "Kurzarbeit Null" – wer von der Arbeitspflicht freigestellt ist, erwirbt demnach auch keine Urlaubsansprüche. beck.de (Markus Stoffels) erläutert die Entscheidung.
OVG Rheinland-Pfalz zu Krippenplätzen: Die Stadt Mainz muss die Kosten für eine private Krippe übernehmen, weil sie einem zweijährigen Kind keinen städtischen Krippenplatz anbieten konnte. Über die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz berichtet spiegel.de. In Rheinland-Pfalz gilt der Rechtsanspruch auf Krippenplätze für Zweijährige bereits seit dem 1. August 2010, bundesweit soll ab dem 1. August 2013 ein Rechtsanspruch bestehen. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde zugelassen.
LG Hof – Zigarettenschmuggel: Vor dem Landgericht Hof findet ein Verfahren um Zigarettenschmuggel statt, das "ein politischer Sprengsatz erster Güte" hätte werden können, so die Samstags-SZ (Florian Hassel). Die Justiz vermeide aber Fragen nach den Hintermännern des Angeklagten Srecko Kestner. Der hatte offenbar in früheren Aussagen erklärt, der ehemaligen Premierminister und Präsident Montenegros, Milo Djukanovic, habe das milliardenschweren Schmuggelgeschäft mitorganisiert.
LG Bielefeld – Mordprozess: Der Spiegel (Beate Lakotta) berichtet ausführlich von einem Prozess vor dem Landgericht Bielefeld, in dem ein 19-Jähriger zu zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt wurde. Er soll, verkleidet mit einer Horrormaske, seine Nachbarin erstochen haben. Der Mann bestreitet die Tat.
Ermittlungen gegen Sachsen LB Vorstände: Die Staatsanwaltschaft Leipzig könne weitere ehemalige Vorstände der Landesbank Sachsen anklagen, vermutet der Spiegel (Steffen Winter). Ein Gutachten der Kanzlei Freshfields und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte werfe ihnen Fehler bei der Bewältigung der Krise der Bank vor, die mit dem Verkauf an die Landesbank Baden-Württemberg endete. spiegel.de bringt dazu eine Vorabmeldung.
Ermittlungen gegen EADS: Wie der Spiegel (Jürgen Dahlkamp/Dinah Deckstein/Jörg Schmitt/Gerald Traufetter) berichtet, ermittelt die Staatsanwaltschaft München gegen mehrere amtierende und ehemalige Manager des Rüstungskonzerns EADS. Im Zusammenhang mit einer Schmiergeldaffäre um den Verkauf von Eurofightern nach Österreich werde ihnen gemeinschaftliche Bestechung und Untreue vorgeworfen. Eine Vorabmeldung gibt es dazu auf spiegel.de.
NSU-Ermittlungen: Die Samstags-SZ (Hans Leyendecker/Tanjev Schultz) berichtet über acht weitere mutmaßliche Helfer des Nationalsozialistischen Untergrunds, gegen die noch Anklagen erhoben werden könnten – oder auch nicht, etwa weil ihnen keine Straftaten nachgewiesen werden können oder weil die Straftat der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verjährt ist.
Zschäpes Anwälte: spiegel.de (Jörg Diehl) stellt die Strafverteidiger von Beate Zschäpe vor: Pflichtverteidiger Wolfgang Heer sowie Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Sie reize wohl vor allem die historische Bedeutung des Verfahrens.
Polizeigewalt: Jennifer Zimmermann (FR) kritisiert, dass Fälle von Polizeigewalt in Deutschland selten ausreichend aufgeklärt würden. Das zeige auch eine Studie von Amnesty International aus dem Jahr 2010.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Argentinien – Vollstreckung gegen Chevron: Ein argentinisches Gericht hat alle Vermögensteile des US-amerikanischen Ölkonzerns Chevron in Argentinien beschlagnahmen lassen. Chevron war zuvor in Ecuador wegen schweren Umweltschädigungen zu Entschädigungszahlungen von mehr als 19 Milliarden Dollar verurteilt worden. Die Montags-FAZ (mos) schildert den Fall, der weitere Vollstreckungsklagen nach sich ziehen könnte.
USA – Einigung im Patentkrieg: Apple hat sich mit Konkurrent HTC auf ein Patentabkommen geeinigt, beide Unternehmen wollen ihre Klagen zurückziehen. Nun stelle sich die Frage, ob ein ähnlicher Kompromiss auch mit Samsung erzielt werden kann, heißt es im Handelsblatt (Axel Postinett).
England – Bankenskandale: In London häufen sich die Bankenskandale, nun steht die Großbank HSBC im Verdacht der Steuerhinterziehung. Die Montags-FAZ (Bettina Schulz) gibt einen Überblick über die Ereignisse. In einem gesonderten Kommentar sieht Bettina Schulz (Montags-FAZ) die Finanzbranche damit unter Druck: Die Strafverfahren "tun den Banken weh und müssen den Aktionären erklärt werden, denn juristische Auseinandersetzungen sind teuer".
Mazedonien – Gesetz gegen "Asylreisen": Mazedonien hat ein Gesetz erlassen, mit dem so genannte Asylreisen untersagt werden sollen. Wer Personen "anwirbt oder ermutigt" in einen EU-Staat einzureisen, um dort Asyl zu beantragen, müsse demnach mit Haftstrafen rechnen, berichtet die Montags-FAZ (Michael Martens).
Das Letzte zum Schluss
Lindenstraßen-Wirt unter Verdacht: Der Schauspieler Hermes Hodolides, bekannt als Restaurant-Besitzer in der ARD-Serie "Lindenstraße", steht unter Betrugsverdacht. Er soll zusammen mit Komplizen Gebrauchtwagen gekauft, Fahrzeugpapiere gefälscht und die Autos zu überteuerten Preisen weiterverkauft haben, meldet die FR. Nun ermittele die Kölner Staatsanwaltschaft.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 10. bis 12. November 2012: Wenig Qualität bei Gutachten – Unabhängigkeit für Staatsanwälte – Ohne Arbeit kein Urlaub . In: Legal Tribune Online, 12.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7517/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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