Das BAG hat Beobachter überrascht und in einem Grundsatzurteil zur Leiharbeit zugunsten der Arbeitgeber entschieden. Außerdem in der Presseschau: Ex-Verfassungsrichter Kirchhof im Gespräch, Schmiergeld kostet Ex-Siemens-Vorstand 15 Millionen, Urteil gegen Brustimplantate-Hersteller und Antworten auf zentrale Fragen zur Weihnachtszeit am Arbeitsplatz.
Thema des Tages
BAG zu Dauer-Leiharbeit: Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Grundsatzurteil entschieden, dass Leiharbeiter auch dann, wenn ein Unternehmen sie über Jahre hinweg von seiner eigener Tochterfirma entleiht, keinen Anspruch auf eine Übernahme in die Stammbelegschaft des Unternehmens haben. Das Gericht betonte zwar, dass der Einsatz von Leiharbeitern laut Gesetz nur "vorübergehend" erlaubt sei. Es legte aber weder eine Höchstdauer fest, noch sah es sich in der Lage, Sanktionen für ein Fehlverhalten zu erlassen – die vorzusehen sei Sache des Gesetzgebers. Ausführlich berichtet neben SZ (Thomas Öchsner) und FAZ (Corinna Budras) auch die Badischen Zeitung (Christian Rath). Einen Überblick über das Urteil gibt auch das Handelsblatt (Bernd Kupilas).
Corinna Budras (FAZ) begrüßt die "kluge Zurückhaltung" des Gerichts, das "klar und uneitel" "den Ball an den Gesetzgeber zurückgespielt" habe. Thomas Öchsner (SZ) betont, dass das Urteil zeige, dass wirtschaftspolitische Panikmache vor Leiharbeits-Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts unangebracht sei. Er begrüßt das Urteil und sieht die künftige Regierung auf einem guten Weg, gegen Missbrauch in der Leiharbeit gesetzgeberisch tätig zu werden. Budras (FAZ) ist da skeptischer, da der Koalitionsvertrag die Frage der Rechtsfolge bei Verstößen nach wie vor offen lasse.
Rechtspolitik
Justizpolitik und Selbstverwaltung: Reinhard Müller (FAZ) beklagt den überraschend geringen Stellenwert der Justiz- und Rechtspolitik in Deutschland und kritisiert gleichzeitig Forderungen des Deutschen Richterbunds nach einer Selbstverwaltung der Justiz. Diese berge die Gefahr, "eine Kaste heranzuzüchten, die mehr und mehr die Bodenhaftung verliert." Gleichzeitig plädiert er für eine bessere Finanzierung des Justizsektors als eines "entscheidenden Standortfaktors".
Investitionsschutz und Freihandel: Auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ spricht sich der Rechtsanwalt Christoph von Burgsdorff für die Einbeziehung eines Investitionsschutzabkommens in das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA aus. Ein solches Abkommen würde "die Rechte deutscher Unternehmen in den Vereinigten Staaten stärken und ihnen damit größere Rechtssicherheit verschaffen."
EU – kein Recht auf Schwangerschaftsabbruch: Das Europaparlament hat einen Entschließungsantrag des Frauenausschusses für ein europaweites Recht auf Schwangerschaftsabbruch und obligatorischen Sexualkundeunterricht abgelehnt, meldet die taz.
Europa-GmbH: Ebenfalls auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ stellen die Rechtsanwälte Daniel Berg und Marc Hauser die durch den schwarz-roten Koalitionsvertrag aktualisierten Bemühungen zur Schaffung einer europäischen GmbH vor. Einzelne nationale Gesellschaftsformen hätten sich bislang nicht durchsetzen können; insbesondere auch die britische "Limited" sei "wieder auf dem Rückzug".
Kirchhof im Gespräch: Das Handelsblatt (Sven Afhüppe /Hans-Jürgen Jakobs) unterhält sich mit dem ehemaligen Verfassungsrichter Paul Kirchhof über die verfassungsrechtliche Schuldenbremse, die Euro- und Schuldenkrise, einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Zinserträge, die Finanzmarktregulierung und die in seinen Augen erforderliche Reform des Steuerrechts.
Justiz
EuGH – Vorratsdatenspeicherung: Nach einem Bericht der Welt (Manuel Bewarder) will der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof am Donnerstag sein Gutachten zur Vereinbarkeit der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit der Europäischen Grundrechtecharta vorstellen. Das Ergebnis des Gutachtens sei völlig offen. Der Artikel gibt auch noch einmal einen Überblick über die juristische und politische Auseinandersetzung um die Vorratsdatenspeicherung.
BGH zu Flugzeiten: Der Bundesgerichtshof hat auf eine Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands entschieden, dass Pauschalreise-Anbieter sich die endgültigen Flugzeiten nicht offenhalten dürfen. Das benachteilige Reisende unzumutbar, berichtet die FR (Ursula Knapp) über die Urteilsbegründung.
BGH zu Anwaltswerbung: Der Bundesgerichtshof hat nach einer Meldung der FAZ das Verbot für Anwälte, einzelfallspezifische Mandatswerbung zu betreiben, "milde" ausgelegt. Demnach darf ein Rechtsanwalt potentielle Mandanten anschreiben, wenn er von einem konkreten Beratungsbedarf weiß – solange der Adressat nicht "belästigt, genötigt oder überrumpelt" werde.
VerfG NRW zu Wohngeldrückzahlungen: 17 nordrhein-westfälische Kommunen sind vor dem nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshof mit ihrer Klage gegen die Wohngeld-Rückzahlungsforderungen des Landes gescheitert. Das zugrundeliegende Gesetz verstoße nicht gegen die kommunale Selbstverwaltung, so das Gericht laut FAZ (Reiner Burger). Hintergrund sei die Rückforderung von Zuvielzahlungen gewesen, die sich nach einer gerichtlich erzwungenen Neufestlegung des Verteilungsschlüssels ergeben hatten.
OLG Frankfurt – Suhrkamp-Streit: Wie die SZ (Ziel) im Feuilleton knapp berichtet, hat der Suhrkamp-Gesellschafter Hans Barlach in der Berufungsverhandlung seinen Antrag auf Stundung der Gewinnforderung seiner Mitgesellschafterin, der Unseld-Familienstiftung, auf dringendes Anraten des Oberlandesgerichts Frankfurt zurückgenommen. Während er in der ersten Instanz noch gewonnen habe, habe ihm das Berufungsgericht nun "Aussichtslosigkeit" bescheinigt.
LG München zu Siemens-Schmiergeldskandal: Das Landgericht München hat den ehemaligen Siemens-Vorstand Heinz-Joachim Neubürger wegen des konzerneigenen Schmiergeldskandals zur Zahlung von 15 Millionen Euro Schadensersatz verurteilt. Über das hinsichtlich der Schadensersatzhöhe überraschende Urteil berichten das Handelsblatt (Axel Höpner) und spiegel.de (Dinah Deckstein).
LG Lübeck zu Psychiatrie-Ärztin: Das Landgericht Lübeck hat eine Psychiatrie-Ärztin wegen fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen, weil diese einen psychisch Kranken aus der Klinik entlassen und dieser darauf seine Mutter getötet hatte. Die Ärztin habe es versäumt, den Mann vor der Entlassung noch einmal zu untersuchen, berichtet spiegel.de (Hendrik Ternieden) von der Urteilsbegründung.
StA Bochum – Lebensversicherungs-Steuerbetrug: Nach einem Bericht der Welt (Anne Kunz) hat die Staatsanwaltschaft Bochum Ermittlungen gegen Kunden der Commerzbank aufgenommen, die über den Abschluss von Lebensversicherungen zur bloßen Kapitalanlage Steuerhinterziehung begangen haben sollen. Ermittelt werde auch gegen die Versicherungsgesellschaft; unter Umständen könnte aber auch die Bank selbst noch ins Visier der Staatsanwaltschaft kommen.
StA Augsburg – Gurlitt-Ermittlungen: Das Handelsblatt (Jan Keuchel) berichtet über den Stand der strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt und erläutert, inwieweit er sich wegen Unterschlagung und Steuerhinterziehung strafbar gemacht haben könnte.
BRAK tritt aus: Die Bundesrechtsanwaltskammer will Ende 2014 aus dem Bundesverband der freien Berufe austreten. Nachdem die Architektenkammer 2011 ausgetreten war und sowohl die Bundesärztekammer als auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung zum Jahresende ihren Austritt erklärt hatten, stelle man die Berechtigung des Verbands in Frage die freien Berufe zu vertreten, erklärt BRAK-Vizepräsident Ekkehart Schäfer im Interview mit lto.de (Claudia Kornmeier). Die FAZ (Andreas Mihm) berichtet über die Vorgänge und die Reformbemühungen des Verbands.
Syndikusanwälte gegen Rentenversicherung: Im Rahmen der "Themenwoche Unternehmensjuristen" beschäftigt sich lto.de (Johanna Strohm/Pia Lorenz) mit der Auseinandersetzung von als Rechtsanwälten zugelassenen Unternehmensjuristen mit der Deutschen Rentenversicherung um ihre Befreiung von der Versicherungspflicht. Eine einmal ausgesprochene Befreiung gelte nach einem Urteil des Bundessozialgerichts von 2012 nämlich nur bezogen auf die zum Befreiungszeitpunkt ausgeübte Tätigkeit – das bringe Unsicherheiten beim Tätigkeitswechsel innerhalb des Unternehmens oder beim Arbeitgeberwechsel mit sich.
Porno-Abmahnungen: lawblog.de (Udo Vetter) berichtet über Neuigkeiten bezüglich der Massen-Abmahnungen von Nutzern des Porno-Videoportals redtube.com. Zum einen seien Trittbrettfahrer auf den Zug aufgesprungen und versenden Abmahn-E-Mails mit zudem möglicherweise Trojaner-verseuchten Anhängen. Außerdem seien auch die echten Abmahnungen wegen eines Formfehlers wohl unwirksam: Die beigefügte Unterlassungserklärung gehe nämlich über das abgemahnte Verhalten hinaus, ohne die Adressaten darüber gesondert aufzuklären. Diese "schnöden handwerklichen Mängel" attestiert auch internet-law.de (Thomas Stadler). Die SZ (Johannes Boie) gibt noch einmal eine Übersicht über den Vorgang. Bislang gehe noch kein Betroffener gerichtlich gegen die Abmahnung vor; aber das sei wohl nur eine Frage der Zeit.
Aktenbeschlagnahme Deutsche Bank: Die FAZ (Henning Peitsmeier/Markus Frühauf) berichtet über die Verfassungsbeschwerde des ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann gegen die Aktenbeschlagnahme durch die Münchner Staatsanwaltschaft. Der Artikel gibt außerdem einen Überblick über die gegen weitere ehemalige Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder laufenden Ermittlungen der Behörde wegen Prozessbetrugs. Auch die Welt (Sebastian Jost) berichtet über die Verfassungsbeschwerde.
Recht in der Welt
Frankreich – Brustimplantate: Jean-Claude Mas, der Inhaber des Brustimplantate-Hersteller PIP, ist von einem Gericht in Marseille wegen schwerer Täuschung und Betrug zur Höchststrafe von vier Jahren Haft verurteilt worden. Sein Unternehmen hatte für die Herstellung von Brustimplantaten billiges Industriesilikon verwendet. Der in einem Zivilprozess auf Schadensersatz verklagte TÜV Rheinland trat als Nebenkläger auf. FAZ (Christian Schubert), SZ (Christian Wernicke), Welt (Sascha Lehnartz) und taz (Rudolf Balmer/Heike Haarhoff) berichten.
Rudolf Balmer (taz) meint, dass das Urteil die mangelnde Kontrolldichte bei Schönheitsprodukten zwar offenlege, aber nicht abstellen könne. Dafür sei eine wirksame Aufsicht nötig, weswegen das anhängige Schadensersatzverfahren gegen den TÜV Rheinland das "spannendere" Verfahren sei.
Großbritannien – Soldatenmord-Prozess: Die FAZ (Jochen Buchsteiner) berichtet über den vor einem Londoner Gericht stattfindenden Mordprozess um einen im Mai brutal getöteten britischen Soldaten. Der Hauptangeklagte, ein zum Islam konvertierter Brite nigerianischer Abstammung, stilisiere sich vor Gericht als "Soldat Allahs".
Völkerstrafrecht: juwiss.de (Hannah Birkenkötter) führt anlässlich des 20jährigen Jubiläums des UN-Jugoslawientribunals mit dem dort beschäftigten deutschen Richter Christoph Flügge ein Interview zur Entwicklung des Völkerstrafrechts und dessen aktuellen Herausforderungen.
Russland – Amnestiegesetz: Über ein von Russlands Präsident Putin in die Duma eingebrachtes Amnestiegesetz berichtet die FAZ (Michael Ludwig). Danach sollen vor allem Kleinkriminelle und Mütter von noch nicht volljährigen Kindern freikommen. Davon könnten möglicherweise auch zwei Pussy-Riot- und die 30 internationalen Greenpeace-Aktivisten profitieren.
USA – Bilfinger muss wegen Korruption zahlen: Das Mannheimer Industriedienstleistunsgunternehmen Bilfinger muss an US-Behörden wegen Bestechungen in Nigeria 32 Millionen Dollar Strafe zahlen. Darauf habe sich das Unternehmen mit dem US-amerikanischen Justizministerium geeinigt, berichtet die FAZ (Bern Freytag). Bilfinger solle in einem Gemeinschaftsunternehmen mit einem texanischen Pipeline-Bauer nigerianische Regierungsvertreter bestochen haben, um an Bauaufträge zu kommen.
Frankreich – Stammeskunst-Versteigerung: Das Handelsblatt (Olga Grimm-Weissert) berichtet über die bislang erfolglosen Versuche einer Menschenrechtsorganisation, in Paris die Versteigerung nordamerikanischer Stammeskunst zu verhindern. Das Gericht habe am Montag einen Eilantrag abgelehnt, weil sowohl das französische als auch das US-amerikanische Recht den Verkauf von in Privateigentum befindlichen Kultgegenständen erlaube. In den USA sei allerdings der Verkauf aus öffentlichen Sammlungen verboten.
Sonstiges
Finanzhai in Auslieferungshaft: Die SZ (Hans Leyendecker/Klaus Ott) bringt am heutigen Mittwoch ein einseitiges Porträt des seit neun Monaten in Italien in Auslieferungshaft sitzenden berüchtigten Finanzinvestors Florian Homm. Gegen den schwer an Multipler Sklerose Erkrankten liege ein Auslieferungsersuchen der USA wegen Wertpapier- und Überweisungsbetrug vor.
Das Letzte zum Schluss
Weihnachten am Arbeitsplatz: Muss ich an der Betriebsweihnachtsfeier teilnehmen? Bin ich versichert, wenn ich dort alkoholbedingt einen Unfall habe? Und darf mein Chef mir das Anzünden einer Weihnachtskerze verbieten? Über diese und andere zentrale Fragen rund um Weihnachten am Arbeitsplatz gibt die Rechtsanwältin Nathalie Oberthür im Interview mit spiegel.de (Anja Tiedge) Auskunft.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie in der Printausgabe oder im jeweiligen E-Paper.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. Dezember 2013: Dauer-Leiharbeit sanktionslos – Schmiergeld kommt teuer – Höchststrafe für Brustimplantate-Pfusch . In: Legal Tribune Online, 11.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10318/ (abgerufen am: 17.05.2024 )
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