Ein angebliches Suchportal verweist immer auf die gleiche Kanzlei in Münster – jetzt rügt der Anwaltverein wettbewerbswidrige Werbung. Außerdem in der Presseschau vom Wochenende: Debatte um Suizidhilfe, zu lange Untersuchungshaft, Plädoyers im Fall Mollath, neuer Ärger für Ecclestone, Ex-CIA-Jurist über Folter, ein Affe ohne Urheberrecht und ein Banker ohne Ticket.
Thema des Tages
Irreführende Kanzleiwerbung: Die Vizepräsidentin des Deutschen Anwaltvereins, Astrid Auer-Reinsdorff, hat die "wettbewerbswidrige Werbung" einer Kanzlei kritisiert. Das meldet der Spiegel. Auf der Internetseite Aerzte-Aerger.de seien, scheinbar neutral, kompetente Anwälte für Patientenrechte empfohlen worden. Tatsächlich habe die Liste jedoch lediglich auf Hans-Georg König, Partner der Kanzlei König, Strässer & Partner verwiesen, später auch auf einen weiteren Mitarbeiter. An der Kanzlei ist auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Christoph Strässer beteiligt, der laut Spiegel erklärte, er habe von der Internetseite nichts gewusst.
Rechtspolitik
Europäische Integration: Der ehemalige Verfassungsrichter Dieter Grimm schreibt in einem Gastbeitrag für die Montags-FAZ über die Weiterentwicklung der Europäischen Union. Das Demokratieproblem liege in der "Verselbständigung" von Kommission und Europäischen Gerichtshof. Mehr Befugnisse für das EU-Parlament könnten daran nichts ändern, hier fehle die gesellschaftliche Basis. Wichtig seien dagegen starke nationale Parlamente.
Beihilfe zum Suizid: Die Samstags-FAZ (Andreas Mihm) führt ein Interview über Sterbehilfe mit Frank Ulrich Montogmery, Präsident der Bundesärztekammer. Montogmery spricht sich dafür aus, Organisationen die Beihilfe zum Suizid zu verbieten. Für Ärzte seien strafrechtliche Regelungen nicht notwendig, weil das Berufsrecht die Suizidhilfe bereits ausschließe. Dagegen erklärt Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) in einem kurzen Interview mit dem Spiegel (Peter Müller – Zusammenfassung auf spiegel.de) die Rechtslage für Ärzte sei unübersichtlich. Hintze fordert klare Regeln, um ärztlich assistierten Suizid zu ermöglichen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand sagt allerdings gegenüber der Montags-Welt (Matthias Kamann), die Union setze auf Strafen für Vereine und Ärzte. Der Bundestag soll im kommenden Jahr über eine Strafrechtsreform beraten.
Kinderrechte: Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig will Kinderrechte im Grundgesetz verankern und die Regelungen für Pflegekinder im Bürgerlichen Gesetzbuch ändern. Die Pläne erläutert der Spiegel (Horand Knaup/Ann-Katrin Müller - Zusammenfassung auf spiegel.de). Während das Elternrecht bisher stark ausgeprägt sei, solle damit das Kindeswohl künftig besser berücksichtigt und die Pflegefamilie gestärkt werden.
Rüstungsexporte: Ist die Kontrolle von Rüstungsexporten verfassungskonform? Der Spiegel (Gerald Traufetter – Zusammenfassung auf spiegel.de) gibt Bedenken von Rechtsanwälten und Staatsrechtlern wieder. Derzeit berät das Bundesverfassungsgericht in einem Organstreitverfahren, ob das Parlament umfassend informiert werden muss, wenn der Bundessicherheitsrat über Rüstungsexporte entscheidet. Möglich sei aber auch, dass sich die Richter grundsätzlich zum Verfahren bei Rüstungsexporten äußern und Neuregelungen notwendig werden.
Kopftuch für Beamtinnen: Ob Musliminnen im Staatsdienst ein Kopftuch tragen dürfen, ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Für die Bundesbehörden hat das Innenministerium im Juli klar gestellt, dass religiöse Symbole grundsätzlich erlaubt sind. Der Spiegel (Matthias Bartsch/Dietmar Hipp und andere) gibt einen Überblick. Das Bundesverfassungsgericht wird voraussichtlich im kommenden Jahr Kopftuchverbote der Länder überprüfen.
Kosten für Polizeieinsätze: Reinhard Müller (Samstags-FAZ) erwägt im Leitartikel, ob die Bundesländer den Fußballvereinen bestimmte Polizeieinsätze in Rechnung stellen dürften und sollten – so wie derzeit in Bremen geplant. Grundsätzlich sei zwar der Staat für die Sicherheit verantwortlich, insbesondere dürfe – etwa bei Demonstrationen – niemand durch drohende Kosten abgehalten werden, seine Grundrechte wahrzunehmen. Allerdings sei es bei besonderen Risiken legitim, die Vereine zu beteiligen.
Justiz
BVerfG zu Untersuchungshaft: Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss die bayerische Justiz gerügt, weil sie einen Angeklagten zu lange in Untersuchungshaft festgehalten hat. Der junge Mann ist wegen Vergewaltigung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung angeklagt und seit knapp einem Jahr in Untersuchungshaft, sein Fall sollte im September vor der Jugendkammer verhandelt werden. Nun muss er vorerst freigelassen werde. Das berichtet die Samstags-SZ (Klaus Ott) im München-Teil.
BVerfG – al-Motassadeq: Der Rechtsanwalt von Mounir al-Motassadeq hat Verfassungsbeschwerde eingelegt, nachdem der Bundesgerichtshof die vorzeitige Haftentlassung abgewiesen hat. Motassadeq wurde als Helfer der Anschläge vom 11. September 2001 zu einer Haftstrafe von 15 Jahren verurteilt. Die Montags-taz-nord (Kai von Appen) berichtet.
LG Regensburg - Plädoyers im Fall Mollath: Im Prozess gegen Gustl Mollath vor dem Landgericht Regensburg haben die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung am Freitag die Plädoyers gehalten. Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl wirft Mollath Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung vor, er habe seine damalige Frau massiv angegriffen und Autoreifen zerstochen, dabei sei er voll schuldfähig gewesen. Verteidiger Gerhard Strate erklärte hingegen, die Vorwürfe von Mollaths Frau seien unglaubwürdig. In jedem Fall wird Mollath einen Freispruch erhalten, weil er nicht schlechter gestellt werden darf als in dem Prozess von 2006, in dem er wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und in die Psychiatrie eingewiesen worden war. Mollath selbst bat um einen "Freispruch mit bester Begründung". Berichte vom Prozesstag finden sich in der Samstags-FAZ (Helene Bubrowski), der Samstags-taz (Lisa Schnell), der Samstags-SZ (Hans Holzhaider – München-Teil), der Samstags-Welt (Christian Eckl) und auf spiegel.de (Björn Hengst). Der Spiegel (Beate Lakotta) schildert unter dem Titel "Mollaths Welt", wie Mollath versuchte, auch den angeblichen Schwarzgeldskandal und Intrigen seiner Frau zum Thema des Prozesses zu machen.
LG Würzburg – Autobahnschütze: Am Montag beginnt vor dem Landgericht Würzburg der Prozess gegen den sogenannten Autobahnschützen Michael K. Der Kraftfahrer soll zwischen 2008 und 2013 wahrscheinlich mehr als 700 Mal aus seinem LKW heraus auf andere Fahrzeuge geschossen haben, so die Samstags-SZ (Hans Holzhaider). Die Anklage liste 147 Fälle auf, die ihm nachgewiesen werden könnten, in fünf Fällen gehe es um versuchten Mord.
StA München - Anklage gegen HRE-Manager: Wie der Spiegel (Zusammenfassung auf spiegel.de) knapp meldet, will die Münchner Staatsanwaltschaft in den kommenden Wochen Anklage gegen die ehemaligen Führungskräfte der Immobilienbank Hypo Real Estate erheben. Die Manager sollen die Lage des Unternehmens in der Finanzkrise falsch dargestellt haben, der Vorwurf der Untreue sei allerdings fallen gelassen worden.
Einstellung für Ecclestone: Der Focus (Christoph Elflein) berichtet unter Berufung auf "Insider", im Bestechungsprozess gegen Formel-1-Chef Bernie Ecclestone vor dem Landgericht München habe die Justiz "auf fast 300 Millionen Euro gehofft", Ecclestone habe zunächst aber nur 50 Millionen Euro geboten. Auf die Zahlung von 100 Millionen Dollar habe er sich schließlich eingelassen, weil ein Freispruch angesichts der Beweislage zwar wahrscheinlich, aber nicht gänzlich sicher erschien. In einem Gastbeitrag für die FAS erläutert der Rechtsanwalt Rainer Hamm, wie sich die Einstellung gegen Geldauflage in den letzten Jahrzehnten entwickelt habe. Der Fall Ecclestone sei keine Klassenjustiz, zeige aber generell, dass die Strafjustiz dazu neige, Regeln auszureizen und zu umgehen.
Ecclestone drohen Klagen: Der Strafprozess wegen Schmiergeldzahlungen ist zwar eingestellt worden, dem Formel-1-Chef Bernie Ecclestone könnten aber noch zivilrechtliche Prozesse drohen. Wie zeit.de meldet, hat die Bayerische Landesbank angeblich ein Angebot Ecclestones abgelehnt, wonach die Bank gegen Zahlung von 25 Millionen Euro auf eine Schadensersatzklage verzichten sollte. Auch die Montags-FAZ (Rüdiger Köhn) berichtet. Die Samstags-SZ (O.K.) merkt an, dass außerdem die Constantin Medien, eine Firma aus dem Kirch-Medienkonzern, 100 Millionen Euro von Ecclestone verlangen will.
Peter Gauweiler: Die Samstags-SZ (Klaus Ott) porträtiert Peter Gauweiler, CSU-Politiker, Mitglied des Bundestages mit vielen Fehlzeiten, Münchner und "einer der schillerndsten Wirtschaftsanwälte in Deutschland". Gauweiler vertritt mit der Sozietät Bub, Gauweiler & Partner unter anderem die Constantin Medien im Streit mit Formel-1-Chef Bernie Ecclestone. Er wisse "die Bühne bei der Justiz genauso zu nutzen wie in der Politik".
Richterliche Unabhängigkeit: Wie weit reicht richterliche Unabhängigkeit? Helene Bubrowski (FAS) kritisiert, dass manche Richter sich ungern etwas sagen lassen und ihre Unabhängigkeit so weit verstehen, dass sie Urteile in Reimform verfassen. Problematisch sei auch, dass Richter in eigener Sache entscheiden – so habe die deutsche Justiz nationalsozialistisches Justizunrecht nicht aufgearbeitet. Dennoch dürfe die richterliche Unabhängigkeit nicht gesetzlich eingeschränkt werden, Kontrollinstanz sei vielmehr die Öffentlichkeit.
Recht in der Welt
USA – CIA-Justiziar im Interview: Der Spiegel (Holger Stark) spricht mit John Rizzo, bis 2009 Chefjurist des US-Geheimdienstes CIA. Rizzo hat Vernehmungsmethoden wie das Waterboarding genehmigt. Im Interview erklärt er, er sei nicht sicher gewesen, ob diese Methoden gegen Anti-Folter-Richtlinien verstießen, habe aber nicht riskieren wollen, dass der CIA bei einem weiteren Anschlag zu zögerliches Handeln vorgeworfen worden wäre.
Südafrika – Oscar Pistorius: spiegel.de (Bartholomäus Grill) schildert den letzten Verhandlungstag im Mordprozess gegen Sprintstar Oscar Pistorius und das "rhetorische Feuerwerk" von Verteidiger Barry Roux, der seinen Mandanten im Plädoyer als verletzlichen Menschen beschrieb. In der Tatnacht sei Pistorius aus Angst vor Einbrechern außer sich gewesen, seine Freundin Reeva Steenkamp habe er versehentlich erschossen.
Sonstiges
Stille SMS: Die Sicherheitsbehörden verschicken seit Jahren in großem Ausmaß sogenannte "stille SMS", um Standortdaten abzufragen. Das Problem sei allerdings nicht die Menge, sondern dass es dafür keine Ermächtigungsgrundlage gebe, so lto.de (Claudia Kornmeier). Schließlich würden die Daten nicht nur abgefragt, sondern durch die SMS erst erzeugt – das aber ist in der Strafprozessordnung so nicht geregelt.
Google als Hilfssheriff: Der Spiegel (Sven Becker/Markus Brauck und andere) erklärt, wie Google Emails durchsucht und in den USA damit als "Hilfssheriff" Kinderpornografie aufdeckt. In Deutschland sei es den Strafverfolgungsbehörden allerdings verboten, ohne individuellen Anfangsverdacht solche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Affen-Selfie und Urheberrecht: Wer hat das Urheberrecht, wenn ein Affe ein Selfie knipst? Der Affe jedenfalls nicht, erklärt der Rechtsanwalt Niklas Haberkamm auf lto.de, der Fotograf, dem die Kamera gehörte allerdings wohl auch nicht. Udo Vetter (lawblog.de) betont, der Fotograf müsse zwar nicht unbedingt selbst den Auslöser drücken, es reiche aus, dass er die Umstände für das Foto arrangiert – hier hatte der Fotograf aber erzählt, er habe das Affen-Selfie nicht geplant.
Das Letzte zum Schluss
Banker ohne Ticket: Ein Londoner Hedgefonds-Manager ist jahrelang mit einem falschen Ticket zur Arbeit gefahren, um sich einen Teil der Kosten zu sparen. Inzwischen musste er 43.000 Pfund an die Zuggesellschaft zurück zahlen - und ist seinen Job los. Warum er sich von seinem Jahresgehalt von mehr als einer Millionen Pfund kein richtiges Ticket leisten konnte, weiß auch die Montags-Welt (Nina Trentmann) nicht.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. bis 11. August 2014: Kanzlei auf Mandantenfang – Plädoyers im Fall Mollath – Ärger für Ecclestone . In: Legal Tribune Online, 11.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12850/ (abgerufen am: 08.05.2024 )
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