Schwarzarbeit ist schon lange verboten. Der BGH entschied nun, dass für Aufträge "ohne Rechnung" auch kein Wertersatz mehr verlangt werden kann. Außerdem in der Presseschau: die Vorratsdatenspeicherung nach dem Urteil des EuGH, Prozessauftakt im Fall Peggy, der bayerische Justizminister zur Einigung im Fall Gurlitt und ein Sonderangebot mit empfindlichen Folgen.
Thema des Tages
BGH zu Schwarzarbeit: Handwerker, die Arbeiten "schwarz", d.h. ohne ordnungsgemäße Rechnung erbringen, haben nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch bei ordnungsgemäßer Leistung keinen Anspruch auf Bezahlung. Nach Ansicht des Gerichts sei der gesamte Vertrag wegen eines Verstoßes gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit nichtig, schreiben SZ (Wolfgang Janisch), FAZ (Joachim Jahn) und taz (Christian Rath). Die Karlsruher Richter seien damit von ihrer früheren Rechtsprechung abgerückt, die beiderseitige Leistungen noch saldiert habe. Im vergangenen Jahr hatte das Gericht bereits entschieden, dass Kunden bei Schwarz-Aufträgen keine Gewährleistungsansprüche geltend machen könnten.
Nach Wolfgang Janisch (SZ) war dieser Abschied von einer "menschlich verständlichen, aber rechtlich verqueren Linie" überfällig. Der Rechtsstaat könne nicht einerseits Beteiligte an Schwarzarbeit mit Bußen und Strafen überziehen, andererseits aber für einen gerechten Ausgleich sorgen. Auch Joachim Jahn (FAZ) begrüßt das Urteil. Ein Rechtsstaat, der sich nicht aufgeben wolle, müsse seine Gesetze auch durchsetzen. Zu beklagen sei, dass sich die Justiz nicht immer an die Vorgaben des Gesetzgebers halte, Urteile zum Hartz IV-Bezug von Ausländern seien hierfür "ein schlechtes Beispiel."
Rechtspolitik
Europa: Aus Anlass der in einem guten Monat stattfindenden Wahlen zum Europaparlament beleuchtet die SZ (Daniel Brössler/Javier Caceres) Geschichte, Arbeitsweise und Kompetenzen der Volksvertretung der EU. Gerade in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode habe sich diese auch international, etwa in der Auseinandersetzung zum Urheberrechtspakt Acta, bewährt. Ein weiterer Beitrag (Thomas Kirchner) zeichnet die gewachsenen Befugnisse des Europaparlaments nach, das seit dem Vertrag von Lissabon im Jahr 2009 in vielen Bereichen, etwa auch Justiz, im sogenannten Mitentscheidungsverfahren neben den Mitgliedstaaten gleichwertiger Gesetzgeber sei. Ein Grund für die dennoch kontinuierlich sinkende Wahlbeteiligung könnte dagegen im nach wie vor nicht "vollwertigen" Status des Parlaments liegen. Nach wie vor besitze es kein eigenes Initiativrecht für Gesetze, seine Abgeordneten würden auch immer noch ihre Herkunftsländer und nicht die europäische Öffentlichkeit vertreten.
Vorratsdatenspeicherung: Die Welt (Manuel Bewarder) berichtet über ein Treffen der SPD-Innenminister mit Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), bei dem sich erstere für eine Beibehaltung der Vorratsdatenspeicherung unter Berücksichtigung der durch den Europäischen Gerichtshof entwickelten Maßstäbe ausgesprochen hätten.
Kinderpornografie: Das von Heiko Maas (SPD) geleitete Bundesjustizministerium hat einen Entwurf zur Verschärfung von Strafvorschriften im Zusammenhang der Kinderpornografie fertiggestellt, berichtet die Welt (Thorsten Jungholt/Andreas Maisch). Die durch den Fall Edathy angestoßene Reform diene auch der Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern. Sie sehe unter anderem eine Strafbarkeit des gewerbsmäßigen Handels mit Nacktaufnahmen von Kindern vor, zudem solle etwa auch das sogenannte Grooming, ein gezieltes "Anwerben" von Kindern in Chatforen unter Strafe gestellt werden.
Bundeswehr im Inneren: Aus Anlass von Medienberichten zu einer Verfassungsänderung, mit der die in Artikel 35 Grundgesetz geregelten Voraussetzungen eines Streitkräfteeinsatz im Inneren erleichtert werden sollen, stellt Rechtsanwalt Robert Glawe für lto.de die Hintergründe eines solchen Katastropheneinsatzes, etwa gegen gekaperte Flugzeuge, vor und erinnert an einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012, nach dem die Verwendung spezifisch militärischer Mittel in derartigen Fällen nicht vollends ausgeschlossen werden könne. Den "Fingerzeig" dieses Beschlusses in Richtung eines Verzichts auf eine Kollegialentscheidung der Bundesregierung greife der jetzige Entwurf auf, es sei allerdings zu fragen, ob nicht auch eine Entscheidungsbefugnis der Verteidigungsministerin delegierbar sein sollte.
Spiegel.de (P. Müller/V. Medick/J. Schindler) berichtet derweil, dass sich die Regierungsspitze darauf verständigt hat, die Grundgesetzänderung vorerst nicht weiterzuverfolgen.
Justiz
EuGH zu Vorratsdatenspeicherung: In einem Kommentar zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung gibt Jasper von Altenbockum (FAZ) zu bedenken, dass nicht die Speicherung selbst vom Gericht gerügt wurde, sondern die Missachtung der Verhältnismäßigkeit. Der Autor erinnert an einen vergleichbaren Entscheidungstenor des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2010 und erkennt in der gegenwärtigen Debatte zur vermeintlichen staatlichen "Sammelwut" ein maßgebliches Hindernis auf dem Weg zu einer gesetzlichen Regelung, die unter strikter Beachtung der gerichtlich formulierten Voraussetzungen für die befristete Datenspeicherung Maßstäbe auch für private Unternehmen setzen könnte.
EuGH zu Privatkopien: Der Europäische Gerichtshof hat zur Auslegung der Urheberrechts-Richtlinie entschieden, dass Privatkopien nur dann zulässig sein können, wenn sie aus legalen Quellen stammen. Nationale Vorschriften, die nicht zwischen derartigen "legalen" Privatkopien und solchen, die aus nachgeahmten oder gefälschten Werken stammten, unterschieden seien damit europarechtswidrig, schreibt Thomas Stadler (internet-law.de) und sieht damit auch § 53 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz "auf dem Prüfstand."
EuGH zu "Monsterbacke": Auf eine Vorlage des Bundesgerichtshofs (BGH) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass der auf dem Joghurt "Monsterbacke" eines deutschen Herstellers verwendete Slogan "So wichtig wie das tägliche Glas Milch" als gesundheitsbezogene Aussage zu werten sei. Der Spruch falle damit unter eine EU-Richtlinie, die Informationen zu ausgewogener Ernährung verlangt, schreibt die SZ (Robert Gast). Der BGH müsse nun prüfen, ob die Voraussetzungen der Richtlinie durch den Hersteller erfüllt seien.
BGH – Suhrkamp: Die vom Landgericht Berlin im vergangenen Jahr zurückgewiesene sofortige Beschwerde des Suhrkamp-Minderheitsgesellschafters Hans Barlach gegen die Genehmigung des Insolvenzplanes des Verlages ist mittlerweile im Wege einer Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof anhängig. Dies berichtet die FAZ (Sandra Kegel) im Feuilleton und bezeichnet die zu entscheidende Frage des Verhältnisses von Gesellschafts- und Insolvenzrecht als "das juristische Grundproblem dieses juristischen Großkonflikts." Mit einer baldigen Entscheidung sei dennoch nicht zu rechnen.
OLG München – NSU-Prozess: Über den vor dem Oberlandesgericht München laufenden Prozess gegen Beate Zschäpe und andere berichtet die Welt (Per Hinrichs, erweiterte Online-Version). Die erneut als Zeugin vorgeladene Friseurin Mandy S. habe als mutmaßliche Unterstützerin des Trios "geradezu bizarre" Erklärungen abgeliefert, gleichsam sei das Gericht angesichts des Schweigens der Angeklagten und geschredderter Verfassungsschutzakten auf Zeugen wie sie angewiesen. Ein Beweisantrag eines Nebenklagevertreters aus der vergangenen Woche hätte zudem belegt, dass die britische Kriminalpolizei Scotland Yard deutsche Ermittler 2004 auf einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund des Kölner Bombenattentats hingewiesen habe.
LG Bayreuth – Fall Peggy: Über den Prozessauftakt am Landgericht Bayreuth im Wiederaufnahmeverfahren zum Fall der 2001 mutmaßlich getöteten Peggy berichtet die FAZ (Karin Truscheit). Der Artikel schildert die Lebensumstände des angeklagten Ulvi K., der in seinem fränkischen Heimatort als "Dorfdepp" galt und die verschlungenen Wege seines mittlerweile widerrufenen Geständnisses. Die SZ (Hans Holzhaider) berichtet im Bayern-Teil darüber hinaus auch über eine Zeugenaussage eines zur vermeintlichen Tatzeit Neunjährigen, der das Opfer auch noch nach dem vom Landgericht Hof in der früheren Verhandlung festgestellten Todeszeitpunkt gesehen haben will, aber danach von der Polizei unter Druck gesetzt worden sei, diese Aussage zu widerrufen. Spiegel.de (Gisela Friedrichsen) berichtet ebenfalls.
Rechtsprofessor Henning Ernst Müller (beck.blog.de) fasst vor Prozessbeginn die polizeilichen und gerichtlichen Ermittlungs- und Aufklärungspannen im Fall zusammen und konstatiert, dass der Fall nach jenem von Gustl Mollath erneut geeignet sei, "das Vertrauen in die bayerischen Ermittlungsbehörden und die Justiz auf eine harte Probe zu stellen".
Dividendensteuerhinterziehung: Die SZ (Klaus Ott) beschreibt in einem längeren Artikel, wie die Ermittlungen von Finanzbehörden wegen mutmaßlich betrügerischem Handel von Aktien mit und ohne Dividendenanspruch durch eine Vereinbarung einer Schweizer Privatbank mit einem mutmaßlichen Erpresser behindert werden. Gegen Zahlung einer guten Million Euro habe Letzterer sich verpflichtet, sein Wissen um die fragwürdigen Deals niemanden und insbesondere auch nicht "Finanz- oder Aufsichtsbehörden" zu offenbaren.
Annette Schavan: Die frühere Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) wird keine Rechtsmittel gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, in dem der Entzug ihres Doktortitels für rechtmäßig erklärt wurde, einlegen. Dies meldet welt.de. Die Bundestagsabgeordnete sei nach wie vor davon überzeugt, dass ihr der Titel zu Unrecht aberkannt worden sei.
Vermietung von Ferienwohnungen: In ihrer Immobilien-Beilage informiert die SZ (Andrea Nasemann) unter Berufung auf höchstrichterliche Entscheidungen über rechtlichen Hindernisse bei der Vermietung von Wohnungen an Touristen. Derartige Praktiken könnten auch für Wohnungseigentümer durch kommunale Zweckentfremdungsverbote illegal sein.
Recht in der Welt
Ungarn – EuGH/EGMR: Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu einer ungarischen Verfassungsänderung, mit der die Amtszeit des Datenschutzbeauftragten des Landes verkürzt wurde, analysiert Hannes Rathke (juwiss.de) vor allem im Hinblick auf die zugrundeliegende Richtlinie. Die gegen die Regierung Orban gerichtete Entscheidung unterstreiche den fortwährenden Diskurs über einen neuen Mechanismus für den Schutz der Rechtsstaatlichkeit in der EU. Rechtsprofessorin Renata Uitz (verfassungsblog.de) befasst sich in einem englischsprachigen Beitrag mit der EuGH-Entscheidung sowie einer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur staatlichen Registrierung von Kirchen in Ungarn.
Litauen – Passives Wahlrecht: Der 2004 durch das litauische Verfassungsgericht verfügte lebenslange Entzug des passiven Wahlrechts des zuvor des Amtes enthobenen Präsidenten Rolandas Paksas verstößt nach einer Entscheidung des UN-Menschenrechtsausschusses in Genf gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte. Die angegriffene Entscheidung sei durch mangelnde Objektivität geprägt, zudem verstoße das aus Anlass der Amtsenthebung geänderte Wahlgesetz gegen das Rückwirkungsverbot, berichtet die taz (Reinhard Wolff). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe den dauerhaften Entzug des Wahlrechts bereits 2011 als unverhältnismäßig bezeichnet.
Ruanda – Völkermord: In Ruanda ist der erste Prozess wegen Völkermord gegen einen von einem westlichen Land ausgelieferten Angeklagten eröffnet worden, berichtet die taz (Simone Schlindwein). Weitere Auslieferungen stünden bevor, sie seien als Anerkennung der eingeleiteten Justizreform im Lande einzuordnen.
Sonstiges
Edward Snowden: In einem Beitrag zu den möglichen Themen einer Aussage des Whistleblowers Edward Snowden vor dem NSA-Untersuchungsausschuss schreibt die SZ (J. Goetz/G. Mascolo/H. Leyendecker), dass die Bundesregierung unter allen Umständen verhindern wolle, dass dem Enthüller ein Bleiberecht in Deutschland gewährt wird. Zudem liege seit dem vergangenen Sommer ein Festnahmeersuchen der US-amerikanischen Regierung vor.
Heribert Prantl (SZ) bezeichnet die "Einladung, Vorladung und Anhörung" Snowdens als "Vitalitätsprobe für die Institution U-Ausschuss". Wenn die Bundesregierung meine, dass von dem Enthüller keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seinen, nehme sie verbotenerweise eine Beweiswürdigung vorweg. Snowdens Forderung nach freiem Geleit sei "kein unbilliges Verlangen", die Verweigerung einer Auslieferung in die USA immer noch rechtlich möglich und politisch geboten. Ordne sich die Regierung in dieser Frage der "Supermacht" USA unter, dann "zieht das Recht womöglich den Kürzeren".
Cornelius Gurlitt: In ihrem Feuilleton interviewt die SZ (Heribert Prantl) den bayerischen Justizminister Winfried Bausback (CSU) zu der in dieser Woche erreichten Einigung bezüglich der Kunstwerke Cornelius Gurlitts. Der Minister äußert sich zu der Entscheidung der Augsburger Staatsanwaltschaft, die Beschlagnahme der Bilder zunächst zu beantragen und nun aufzuheben, seinem Einfluss auf diese Entscheidungen und die getroffene Vereinbarung, streitet ab, dass die Einigung eine Einstellung des gegen Gurlitt gerichteten Ermittlungsverfahrens wegen Steuerhinterziehung beinhaltet und hält den vom Freistaat vorgelegten Entwurf eines Raubkunst-Rückgabe-Gesetzes auch angesichts der neuen Entwicklung nicht für überflüssig.
Das Letzte zum Schluss
Sonderangebot: Weil sie sich ein Kleid für den Abschlussball ihrer High School leisten wollte, bot eine kalifornische Schülerin bei einem Kuchenverkauf Mitschülern auch "mit Marihuana versetzte Backwaren," sogenannte Haschkekse, an. Ein Gericht verurteilte die 19-Jährige dafür zu neun Tagen Freiheitsentzug und vier Jahren Bewährung. Nach Bericht der FAZ (Christiane Heil) ist das Unheil für die jugendliche Bäckerin damit noch nicht beendet. Die gebürtige Mexikanerin befand sich mit einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung im Land, ihr droht nun die Abschiebung.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. April 2014: Schwarzarbeit umsonst – Wiederaufnahme im Fall Peggy – Bausback zu Gurlitt . In: Legal Tribune Online, 11.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11668/ (abgerufen am: 11.05.2024 )
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