Hessische Justizbehörden haben den Gründungsversuch einer rechtsextremen Strafgefangenenhilfe auffliegen lassen und ermitteln wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Außerdem in der Presseschau: Verfassungsrichter Gaier will effizientere Prozessordnung, unbegrenzte Mietbürgschaft, Bomben-Shirt in Frankreich– und wie Körbchengrößen schadensersatzpflichtig werden.
Rechtsextreme Gefangenenhilfe: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt und das Landeskriminalamt Hessen ermitteln wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung und der Gründung einer Ersatzorganisation für eine 2011 verbotenen Gefangenenhilfevereinigung. Mehrere inhaftierte Rechtsextreme sollen versucht haben, ein bundesweites Netzwerk zur Unterstützung rechter Gefangener, die "AD Jail Crew" zu etablieren. Die FAZ (Thomas Holl/Peter Carstens/Karin Truscheit) und die taz (W. Schmidt/A. Speit) berichten.
Peter Carstens setzt sich in der FAZ allgemein mit dem Phänomen "ideologisch geprägter Gefangenenhilfe" auseinander. Diese solle die Resozialisierung verhindern und die Täter weiter an die Szene binden. Kai Schlieter (taz) weist dagegen in scharfem Ton darauf hin, dass es im deutschen Justizvollzug größere Skandale als Nazi-Netzwerke gebe – über die aber kaum ein Medium berichte.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Prozessrechtsreform: In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt fordert der Bundesverfassungsrichter Reinhard Gaier eine umfassende Reform des deutschen Prozessrechts, um der zunehmenden Zahl von Rechtsstreitigkeiten effizienter Herr werden zu können. So schlägt er die Aufnahme von Adjudikationen im Baurecht und die stärkere Einbeziehung der Parteien in die Sachverhaltsaufklärung im Zivilprozess vor.
EU und EMRK: Heute berichtet auch die taz (Christian Rath) ausführlich über den möglichen künftigen Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention und erläutert die anvisierte Funktionsweise des Beitritts sowie das vorgesehene Verhältnis des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Der Beitritt werde allerdings wohl "noch einige Jahre" dauern.
Weitere Themen – Justiz
BGH zu Musiklehrer-Kündigung: Einem Mieter, der ohne Zustimmung seines Vermieters in der Wohnung Musikunterricht gibt, darf wegen Überschreitung der üblichen Wohnnutzung gekündigt werden. Das hat am gestrigen Mittwoch der Bundesgerichtshof entschieden, meldet die SZ. Auch auf lto.de findet sich eine kurze Meldung.
BGH zu Mietbürgschaften: Wer für einen Mieter bürgt, haftet unbegrenzt für dessen Miete – und nicht etwa nur für drei Monatsmieten, die Obergrenze für Mietkautionen. Dies hat nach Meldungen von SZ und lto.de der Bundesgerichtshof entschieden.
BGH zu "Ready To Fuck": Die Wortfolge "Ready To Fuck" ist nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs wegen Verstoßes gegen die guten Sitten keine eintragungsfähige Marke, so internet-law.de (Thomas Stadler).
BFH zu Bankenhaftung: Bankmanager haften dem Fiskus nicht für mutmaßlich entgangene Steuern aus anonymen Kapitaltransfers ihrer Bankkunden. Die bloße Tatsache eines anonymen Kapitaltransfers reiche nicht, um mit hinreichender Überzeugung von einer Steuerhinterziehung ausgehen zu können, so der Bundesfinanzhof laut FAZ (Joachim Jahn). In dem Fall wussten die Steuerbehörden von anonymen Kapitaltransfers, hatten aber teilweise die dahinter stehenden Anleger nicht ermitteln können und dafür die Bank in Haftung genommen. Auch lto.de berichtet.
BVerwG zu Tiefflügen: Anerkannten Naturschutzverbänden muss vor der Genehmigung von Tiefflügen der Bundeswehr über Schutzgebieten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden, wenn diese zu erheblichen Beeinträchtigungen führen können. Das hat laut einer Meldung von lto.de das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
VG Oldenburg zu Kamera-Attrappen: Ausgeschaltete Überwachungskameras oder Kamera-Attrappen fallen nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg nicht unter das Bundesdatenschutzgesetz und damit nicht in die Zuständigkeit der Datenschutzbehörden. Gegen den bloßen Eindruck von Überwachung müssten sich Betroffene vor Zivilgerichten zur Wehr setzen, so das Gericht laut lawblog.de (Udo Vetter).
LG Düsseldorf zu Vestcorp: Das Landgericht Düsseldorf hat eine vom Vorstand des Beteiligungsunternehmens Vestcorp einberufene Hauptversammlung verboten. Die untersagte Versammlung hätte einer von einem Minderheitenaktionär durchgesetzten Hauptversammlung zuvorkommen sollen. Hintergrund seien Vorwürfe um illegale Machenschaften des Vorstands und des Aufsichtsrats, berichtet die FAZ (Joachim Jahn).
AG Lüneburg zu Schotter-Aufruf: Jan van Aken, Bundestagsabgeordneter der Linken, ist vom Amtsgericht Lüneburg zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er in den Augen des Gerichts zum "Schottern" und damit öffentlich zu einer Straftat aufgerufen hat. Der Abgeordnete habe das Urteil auf seiner Website veröffentlicht, meldet die taz.
AG Dresden zu Funkzellenabfrage: netzpolitik.org veröffentlicht einen Beschluss des Amtsgerichts Dresden, in dem dieses die massenhafte Funkzellenabfrage anlässlich der Nazi-Demonstration in Dresden im Februar 2011 für rechtmäßig erklärte – es bestätige damit seine Rechtsprechung auch gegenüber verfassungsrechtlich besonders geschützten Abgeordneten.
NSU-Prozess – Medienöffentlichkeit: Wie die SZ meldet, hat der Vorsitzende Richter im NSU-Prozess, Manfred Götzl, sein Vorgehen bei der Vergabe der Presseplätze in einer Stellungnahme gegenüber dem Bundesverfassungsgericht verteidigt. Er habe sich mangels alternativer sachlicher Differenzierungskriterien für das neutrale Verteilungsprinzip der Gleichbehandlung aller Medien entschieden. Mehrere "Pannen" bei der Information der Medienvertreter ergäben sich laut spiegel.de hingegen aus der Stellungnahme der Pressesprecherin des Gerichts.
Max Steinbeis (verfassungsblog.de) versucht sich dagegen in einer medientheoretisch informierten Antwort auf die Frage, warum das Gericht so agiert, wie es agiert.
NSU-Prozess – die Mitangeklagten: Die Zeit (Christian Fuchs/Daniel Müller; Özlem Topçu) portraitiert in einem dreiseitigen Dossier André Eminger und Carsten S., die beiden Mitangeklagten von Beate Zschäpe.
OLG Frankfurt – Verbreitung von Kinderpornografie durch Verteidiger: Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Hauptverhandlung gegen einen Strafverteidiger eröffnet, der seinem wegen Besitzes von Kinderpornographie angeklagten Mandanten die gesamte Ermittlungsakte mitsamt der kinderpornographischen Bilder überlassen hatte. lawblog.de (Udo Vetter) berichtet ausführlich und rechnet mit einer Verurteilung.
Wulff-Ermittlungen: Die SZ (Hans Leyendecker) gibt einen Einblick in den "Ermittlungsexzess" gegen Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff. Das Wort sei angesichts der erfolgten Ausforschungen keine "bösartige Schmähkritik, sondern eine Zustandsbeschreibung". Christian Bommarius (FR) hofft denn auch darauf, dass das Gericht eine mögliche Anklage gar nicht erst zulässt.
Als "besonnen" portraitiert die FAZ (Robert Von Lucius) dagegen den hannoverschen Oberstaatsanwalt Clemens Einterbäumer, der für das Verfahren zuständig ist.
KG Berlin – Prozess gegen mongolischen Agenten: Vor dem Berliner Kammergericht soll am heutigen Donnerstag die Hauptverhandlung gegen den mongolischen Ex-Agenten Bat Khurts wegen Verschleppung und gefährlicher Körperverletzung beginnen, berichtet die SZ (Christoph Giesen). Allerdings sei fraglich, ob der Angeklagte sich dem Prozess stellen werde. Er war 2011 vom Bundesgerichtshof nach Auslieferung aus Großbritannien mangels dringenden Tatverdachts auf freien Fuß gesetzt worden und in die Mongolei zurückgekehrt.
AG Vechta – Dioxinskandal: Die SZ (Charlotte Frank) berichtet vom ersten Verhandlungstag im Dioxinskandal-Prozess vor dem Amtsgericht Vechta. Angeklagt seien zwei Mitarbeiter eines Futtermittelvertriebs, die verseuchtes Futtermittel auch dann noch weiterverkauft haben sollen, als sie von der Kontamination schon wussten. Es sei "vieles zum Kopfschütteln" in diesem Prozess, nicht zuletzt bestehe der Verdacht, dass hier "nur Bauernopfer" vor Gericht stünden – die Ermittlungen gegen die Manager des Fettherstellers Harles und Jentzsch, von dem das verseuchte Fett ursprünglich stammte, seien mittlerweile eingestellt.
Klagen auf Kita-Plätze: Die taz (Simone Schmollack) liefert einen "Faktencheck", was beim ab 1. August möglichen Einklagen eines Kita-Platzes zu beachten ist.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Schweiz – wohl kein NSU-Prozess: Die FAZ (Jürgen Dunsch) rechnet mit einer Einstellung der Ermittlungen der schweizerischen Behörden im Zusammenhang mit dem NSU. Die Ermittlungen gegen zwei Schweizer, die den deutschen Rechtsterroristen eine Waffe beschafft haben sollen, hätten keine hinreichenden Beweise erbracht.
USA – Steuerabkommen mit EU-Staaten: Die SZ (Cerstin Gammelin) erläutert, wie die USA mittels des Foreign Account Tax Compliance Act (FACTA) und Verhandlungen die EU-Staaten zum Abschluss von Abkommen zur Steuerfluchtbekämpfung mittels Datenaustausches drängen.
China – Ex-Minister angeklagt: In China ist der ehemalige Eisenbahnminister Liu Zhijun wegen Korruption und Machtmissbrauchs angeklagt worden, meldet die SZ. Der Fall gelte als Test für die Entschlossenheit der Regierung bei der Korruptionsbekämpfung.
Frankreich – Bomben-T-Shirt: In Paris ist eine Mutter freigesprochen worden, die ihrem dreijährigen Sohn zum Vorschulbesuch ein T-Shirt mit den Aufdrucken "Ich bin eine Bombe" und "Jihad, geboren am 11. September" angezogen hatte. Es sei nicht nachweisbar, dass die Frau mit dem T-Shirt ein Verbrechen habe verherrlichen wollen – ihr Sohn heiße Jihad und sei am 11. September geboren, so das Gericht laut spiegel.de.
Sonstiges
Russland verletzt UN-Resolution: Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum weist in einem Gastbeitrag für die SZ eindringlich darauf hin, dass Russland mit seinem Vorgehen gegen Nichtregierungsorganisationen eine Menschenrechts-Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1998 verletze. Diese damals von Russland unterstützte Resolution garantiere unter anderem ausdrücklich das Recht, Mittel für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte zu erbitten.
Oben-ohne-Protest: Im Interview mit lto.de (Ludwig Hogrebe) erläutert die Strafrechtswissenschaftlerin Gabriele Kett-Straub anlässlich des Oben-ohne-Protests der Gruppe Femen gegen Wladimir Putin auf der Messe Hannover die Straftatbestände der Erregung öffentlichen Ärgernisses und des Exhibitionismus in Deutschland – wobei letzterer nur für Männer gelte.
Das Letzte zum Schluss
Schadensersatz für Körbchengröße: Eine schwedische Damenwäsche-Kette ist zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden, weil das Unternehmen seine Mitarbeiterinnen dazu angehalten hatte, ihre Körbchengröße auf ihrem Namensschild anzugeben. Die Praxis des Unternehmens sei sexuell diskriminierend und verletze die Mitarbeiterinnen in ihrer Würde, so das Gericht laut spiegel.de.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 11. April 2013: Rechtsextreme Gefangenenhilfe – Verfassungsrichter will Prozessrechtsreform – Schadensersatz für Körbchengröße . In: Legal Tribune Online, 11.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8501/ (abgerufen am: 26.05.2024 )
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