Sie waren wie "siamesische Zwillinge": Christian Wulff und sein ehemaliger Sprecher Olaf Glaeseker. Jetzt stehen beide in Hannover vor Gericht, allerdings in getrennten Prozessen. Außerdem in der Presseschau: Das BVerfG zum SPD-Mitgliederentscheid, Uli Hoeneß hat seinen Strafverteidiger gewechselt, eine Anwaltskanzlei mahnt massenweise Streaming-Nutzer ab, und warum Skatspieler ein eigenes Gericht brauchen.
Thema des Tages
LG Hannover - Olaf Glaeseker: An diesem Montag beginnt am Landgericht Hannover der Korruptionsprozess gegen Olaf Glaeseker, den ehemaligen Sprecher von Christian Wulff. Glaeseker soll dem privaten Eventveranstalter Manfred Schmidt bei der Sponsorensuche für dessen Veranstaltungen geholfen haben und dafür Urlaube und Freiflüge im Wert von rund 12.000 Euro erhalten haben. Glaeseker ist wegen Bestechlichkeit angeklagt, Schmidt wegen Bestechung. Beide sagen, Geschenke und Einladungen seien Teil ihrer Freundschaft gewesen. Glaeseker will Schmidt nicht als Amtsträger geholfen haben, sondern privat. Im Februar wird in diesem Prozess auch Christian Wulff als Zeuge aussagen, der von Glaesekers Machenschaften nichts gewusst haben will. Sollte sich dies als falsch herausstellen, hätte dies auch Auswirkungen auf Wulffs Glaubwürdigkeit in seinem eigenen Korruptionsprozess. Der Prozess gegen Glaeseker soll an zwanzig Verhandlungstagen bis April laufen. Vorab berichten unter anderem die FAZ (Robert von Lucius) und der Focus (Ansgar Siemens).
LG Hannover - Chrstian Wulff: Nach fünf Verhandlungstagen des Prozesses gegen Christian Wulff wegen Vorteilsannahme zieht Gisela Friedrichsen (Spiegel) eine Zwischenbilanz: "Was ist von den Vorwurfen der Staatsanwaltschaft geblieben? Nichts. Null." Am 19. Dezember werde das Gericht sagen, wie das Verfahren weitergeht. Friedrichsen rechnet mit einem Ende als "Rohrkrepierer".
Rechtspolitik
Justiz und Medien: Eine Tagung des baden-württembergischen Justizministeriums befasste sich unter dem Titel "Live aus dem Gerichtssaal?" mit dem Verhältnis von Justiz und Medien. Diskutiert wurde über die Zulassung von Kameras im Gerichtssaal, aber auch generell über das Verhältnis von Richtern und Journalisten. Es berichteten die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) und die Montags-FAZ (Helene Bubrowski). Die Samstags-FAZ (Helene Bubrowski) meldete bereits, dass sich Bewegung bei der Frage abzeichne, ob Videobilder in einen separaten Saal innerhalb des Gerichts übertragen werden dürfen. Die Montags-taz (Christian Rath) konzentriert sich auf einen Appell von Andreas Voßkuhle, dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, zur Offenheit der Gerichte gegenüber den Medien.
Zuwenig Richter: Der Spiegel (Melanie Amann/Simone Salden/Gerald Traufetter, Zusammenfassung) berichtet über personelle Engpässe in der Justiz. In vielen Bundesländern würden die eigenen Vorgaben für die notwendigen Zahl der Richter und Staatsanwälte nicht eingehalten. Am schlimmsten sei die Situation in Nordrhein-Westfalen.
Abgeordnetenbestechung: Die Montags-SZ (Sabine Bigalke/Karl-Heinz Büschemann) beschreibt ausführlich die Peinlichkeit, dass Deutschland das UN-Anti-Korruptionsübereinkommen immer noch nicht umgesetzt habe, weil die Bestrafung der Abgeordnetenbestechung so kontrovers ist. Der Koalitionsvertrag sehe dies jetzt zwar vor, sicher sei die Umsetzung aber immer noch nicht, da Teile der CDU fürchten, dass Staatsanwälte dann den Abgeordneten vorschreiben, wie sie ihr Mandat ausüben sollen.
Doping: Am Wochenende sprach sich nun auch der Deutsche Olympische Sportbund für eine strafrechtliche Verfolgung dopender Sportler aus. Die Samstags-Welt (Jens Hungermann) stellte vorab die Entwicklung ausführlich dar.
Justiz
BVerfG zu SPD-Mitgliederentscheid: Das Votum der SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag kann weitergehen. Das Bundesverfassungsgericht lehnte eine einstwelige Anordnung ab, meldet die Samstags-taz (Christian Rath).
LVerfG Hamburg zu kleinen Anfragen: Ein CDU-Bürgerschaftsabgeordneter erzielte vor dem Hamburger Verfassungsgericht einen Erfolg gegen den Hamburger Senat. Dieser muss Auskunft auf eine kleine Anfrage des Abgeordneten geben, der wissen wollte, mit welchen Themen sich anonyme Schreiben an den Senat befassen. Der Senat hatte zunächst die Frage als zu unbestimmt abgelehnt, meldet die Montags-FAZ (Frank Pergande).
BGH zu Anwaltsempfehlung: Der Rechtswissenschaftler Christian Deckenbrock stellt auf lto.de ein Urteil des Bundesgerichtshofs von Anfang Dezember vor. Danach dürfen Rechtsschutzversicherungen ihren Kunden einen Anwalt empfehlen und dafür auch gewisse finanzielle Vorteile versprechen. Damit habe der Bundesgerichtshof eine entsprechende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs angewandt.
LSG NRW zu Hartz IV für Rumänen: Der Focus (Margarete van Ackeren) stellt die rumänische Familie vor, die Ende November mit Hilfe des Anwalts Holger Schönfeld das Urteil des Essener Landessozialgerichts erstritt, dass auch arbeitssuchende EU-Bürger Hartz IV erhalten können. In einem separaten Focus-Gastbeitrag kritisiert Buchautor Thilo Sarrazin das Urteil: "Die Zuwanderung in den deutschen Sozialstaat erfährt damit eine weitere Beschleunigung."
LG Ellwangen - KZ-Wachmann: Das Landgericht Ellwangen hat den Haftbefehl gegen Hans Lipschis aufgehoben. Der 94jährige ehemaligen KZ-Wachmann war wegen Beihilfe zum Mord im KZ Auschwitz angeklagt. Das Landgericht stellt nun wegen einer beginnenden Demenz eine fehlende Verhandlungsfähigkeit fest, meldet spiegel.de.
VG Hamburg - Dauerobservation: Das Hamburger Verwaltungsgericht wird in dieser Woche die dauerhafte Observation von entlassenen Sicherungsverwahrten für rechtswidrig erklären, prognostiziert der Focus.
LG Göttingen - Organtransplantation: Im Prozess gegen den Transplantationsmediziner Aiman O sind zwanzig von vierzig geplanten Verhandlungstagen vergangen. In dieser Woche will sich das Landgericht Göttingen mit dem Fall einer Lehrerin beschäftigen, die zunächst eine minderwertige Leber erhielt. Dabei sei es mutmaßlich darum gegangen, die Fallzahlen und damit das Renomee und die Boni des Arztes O. zu erhöhen. Am Donnerstag will das Gericht über eine Aussetzung des Haftbefehls gegen O. entscheiden, berichtet der Spiegel (Udo Ludwig/Antje Windmann). Möglicherweise werde die Anklage von versuchter vorsätzlicher Tötung auf fahrlässige Tötung abgemildert.
ArbG Darmstadt - Diskriminierung von Dicken: Das Arbeitsgericht Darmstadt verhandelt am Donnerstag über die Diskriminierungsklage einer dicken Frau, die nicht als Geschäftsführerin einer Patienten-Selbsthilfe-Vereins eingestellt wurde. Der Vorstand des Vereins hatte ihr während des Verfahrens nahegelegt, das Gewicht zu reduzieren, um Ernährungs-Tipps glaubwürdig vermitteln zu können. Juristisch gehe es um die Frage, ob Dicksein eine Behinderung ist, erläutert der Spiegel (Dietmar Hipp).
LG München I - BayLB: Am 27. Januar beginnt am Landgericht München I der Prozess gegen sieben Ex-Manager der Bayerischen Landesbank wegen dem mutmaßlich überteuerten Kauf der Hypo Group Alpe Adria. Es seien bereits mehr als fünfzig Verhandlungstage vorgesehen, meldet das Handelsblatt (Kerstin Leitel).
Uli Hoeneß - neuer Anwalt: Im bald beginnenenden Steuerhinterziehungs-Prozess gegen Bayern München-Präsident Uli Hoeneß vor dem Landgericht München II hat der Angeklagte kurzfristig den Strafverteidiger Werner Leitner aus seinem Verteidigerteam entlassen und durch Hanns W. Feigen ersetzt. Das berichtet die Samstags-SZ (Hans Leyendecker, ähnlicher Text auf sueddeutsche.de). Die Montags-taz (Beate Willms) portraitiert den neuen Anwalt Feigen.
BRAK - BFB: Die Bundesrechtsanwaltskammer wird zum Jahresende den Bundesverband der Freien Berufe verlassen, meldete die Samstags FAZ (Corinna Budras), und folgt damit dem Beispiel der Bundesärztekammer.
Recht in der Welt
IStGH - Christoph Flügge: Der Verfassungsblog (Hannah Birkenkötter) sprach mit dem deutschen Richter am Internationalen Jugoslawien-Tribunal, Christoph Flügge, über den Stand des Völkerstrafgesetzbuchs. Flügge findet, dass schon die bloße Existenz internationaler Strafgerichte ein Erfolg sei.
Großbritannien - Menschenrechte: Der Juwiss-Blog (Sinthiou Buszewski/Tim Wihl) referiert ausführlich einen Vortrag der englischen Supreme Court-Richterin Brenda Hale über das Verhältnis der englischen Justiz zu den Menschenrechten der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Schweiz - NSA-Spionage: Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat ein Verfahren gegen "unbekannt" wegen "verbotenen Handlungen für einen fremden Staat" eröffnet. Zuvor hatte der Schweizer Bundesrat die Ermächtigung erteilt. Es gehe hier wohl um Handlungen der amerikanischen und britischen Geheimdienste NSA und GCHQ, berichtet netzpolitik.org (Matthias Monroy).
Sonstiges
Porno-Abmahnungen: Die Anwaltskanzlei U + C hat in großem Stil Abmahnungen verschickt, bei denen es um das Betrachten von Videostreams der Porno-Webseite redtube.com geht. Die Abmahnungen sorgten für große Aufregung, weil das bloße Betrachten eines illegal kopierten Streams bisher nicht eindeutig als rechtswidrig gilt. Außerdem ist zweifelhaft, wie die Kanzlei an die IP-Adressen der Nutzer kam. Es analysieren unter anderem lawblog.de (Udo Vetter) und infodocc.info.
Haschisch aus dem Shop: Der Rechtsprofessor Ulrich M. Gassner prüft auf lto.de die Rechtslage zur geplanten Einrichtung einer legalen Hasch-Verkaufsstelle in einem Berliner Park. Erforderlich sei eine Genehmigung des Bundesamts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Diese sollte erteilt werden, wenn das Projekt als wissenschaftlicher Versuch ausgestaltet wird.
Das Letzte zum Schluss
Skatgericht: Der Spiegel (Jonathan Stock) stellt das Internationale Skatgericht in Altenburg vor, das die Skatregeln verbindlich auslege und jährlich rund 400 Anfragen beantworte. So wurde beispielsweise gefragt, ob ein einarmiger Mitspieler eine Mischmaschine benutzen könne. Antwort: Ja, wenn alle Mitspieler einverstanden sind. Andernfalls müsse ein Mitspieler für den Einarmigen mischen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. - 9. Dezember 2013: Wulffs "Zwilling" vor Gericht – Neuer Anwalt für Uli Hoeneß – Mysteriöse Porno-Abmahnungen . In: Legal Tribune Online, 09.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10289/ (abgerufen am: 15.05.2024 )
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