beA darf nicht ohne Zustimmung empfangsbereit geschaltet werden. Außerdem in der Presseschau: langjährige Kettenbefristungen von Arbeitsverträgen in der Wissenschaft können mißbräuchlich sein, Berliner Zweckentfremdungsverbot ist verfassungsgemäß.
Thema des Tages
AGH Berlin zum beA: Der Anwaltsgerichtshof Berlin hat in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) untersagt, die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer (beA) für die Antragsteller ohne deren Zustimmung empfangsbereit einzurichten. Das berichtet lto.de (Pia Lorenz). Die BRAK hatte angekündigt, die Postfächer, die sie nach § 31a BRAO für alle Kammermitglieder einzurichten hat, so zu konstruieren, dass ohne eine weitere Mitwirkung der Postfachinhaber Nachrichten dort eingehen können. Mehrere Rechtsanwälte hatten sich dagegen gewandt, dass auf diese Weise faktisch die Verpflichtung zur Nutzung des beA geschaffen wird, ohne dass es eine entsprechende gesetzliche Regelung gibt. Ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums sieht zwar ausdrücklich eine Pflicht vor, die für die Nutzung des beA erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten und den Zugang von Nachrichten zu ermöglichen. Diese Verpflichtung soll jedoch erst ab 2018 gelten.
Rechtspolitik
Länderfinanzausgleich: Mit den Vorschlägen der Länder zum Finanzausgleich und der ablehnenden Reaktion des Bundes darauf befasst sich der Staatsrechtler Stefan Korioth in der FAZ. Das Vakuum nach dem gescheiterten Ländervorstoß sollte genutzt werden, um die notwendigen Reformen zu diskutieren.
Erbschaftsteuer: Cerstin Gammelin (SZ) beklagt die halbherzigen Versuche, die Erbschaftsteuer zu reformieren. Im Handelsblatt fordert Gerd Maas (Verband der Familienunternehmer) gleich die komplette Abschaffung der Steuer.
BND-Gesetz: Den Entwurf des BND-Gesetzes, auf den sich Innen-, Justiz- und Kanzleramtsminister geeinigt haben, stellt die SZ (Benedikt Peters/Ronen Steinke) vor. EU-Staaten, deren Bürger sowie Institutionen sollen danach weiter ausgeforscht werden dürfen. Lediglich Wirtschaftsspionage werde fortan untersagt.
Asylrecht: Die FAZ (Jasper von Altenbockum) weist darauf hin, dass bei der Diskussion über die Qualifizierung als sicherer Herkunftsstaat nicht vergessen werden sollte, dass ohnehin nur ein sehr kleiner Teil der Asylbewerber anerkannt wird. Durch die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat würden dagegen die Verfahren deutlich beschleunigt und Möglichkeiten zur Rückführung verbessert.
Teilhabegesetz: Der Text von Rechtsanwalt Oliver Tolmein in der FAZ zur vielfältigen Kritik an dem geplanten Teilhabegesetz ist nun online verfügbar.
Stalking: Nach welchen Mustern Stalking funktioniert, beschreibt die taz (Simone Schmollek). In ihrem separaten Kommentar kritisiert sie die Pläne des Justizministers als zu nachsichtig mit den Tätern.
Justiz
BAG zur Kettenbefristung: Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags trotz Vorliegens eines Sachgrunds für die Befristung nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam sein kann. Das berichtet die taz (Christian Rath). Im zugrundeliegenden Fall wurde eine wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Leipzig 22 Jahre lang auf der Grundlage von befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt. Allerdings haben die Erfurter Richter eine langjährige Kettenbefristung von Arbeitsverträgen in der Wissenschaft nicht für grundsätzlich rechtsmissbräuchlich erklärt, vielmehr müssten Zeiten, die der wissenschaftlichen Qualifizierung dienten, besonders berücksichtigt werden. zeit.de (Tina Groll) bezeichnet die Entscheidung als "richtig und überfällig". Denn trotz der Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes habe sich die Situation für Mitarbeiter an deutschen Hochschulen nicht entspannt.
VG Berlin zum Zweckentfremdungsverbot: Das Verwaltungsgericht Berlin hat festgestellt, dass das in Berlin geltende Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum verfassungsgemäß ist. Die Kläger, Vermieter von Ferienwohnungen, sahen sich in ihrer Berufs- und ihrer Eigentumsfreiheit verletzt. Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) weist auf die ähnlich Rechtslage in Hamburg hin, auch dort gelte ein Zweckentfremdungsverbot. Die Auswirkungen für die Vermieter von Ferienwohnungen beschreibt zeit.de (Bastian Brauns), und die SZ (Hannah Beitzer/Verena Mayer) stellt u.a. die Frage, wem die Stadt gehöre. Für Ralf Schönball (Tsp) gibt es "kein Recht auf Billigtourismus im Kiez", entsprechend deutlich spricht er sich in einem Kommentar für das Zweckentfremdungsverbot aus, will aber eine Lücke im Gesetz öffnen.
VerfGH Thüringen zu Bodo Ramelow: Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass der Ministerpräsident des Freistaats Thüringen die Rechte des thüringischen Landesverbands der NPD auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes verletzt hat. Darauf weist focus.de hin. Ramelow hatte in einem Interview im vergangenen Jahr gesagt, "dass es wirklich keine Gemeinsamkeiten auf der Basis von NPD-Anträgen geben darf (...). Die Nazis werden damit aufgewertet". Der NPD-Landesverband hatte dies als eine Art Boykottaufruf des Regierungschefs gegen NPD-Vertreter in Thüringer Kommunalparlamenten gewertet und Organklage erhoben. Die Entscheidungsgründe fasst die FAZ (Claus Peter Müller) zusammen.
BVerfG zum Beamtenstatus bei der Telekom: Die FAZ (Hendrik Wieduwilt) weist auf einen jetzt veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes hin, mit dem die Klage eines Fernmeldeamtsrates nicht zur Entscheidung angenommen wurde. Der Beamte hatte sich dagegen gewandt, in ein Tochterunternehmen versetzt zu werden, wo er Nichtbeamten unterstellt war. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die Nachfolgeunternehmen der Post beliehen seien und damit Dienstherrenbefugnisse ausübten. Die Regelungen der Postnachfolge seien eine zulässige Fortentwicklung des Beamtenrechts.
BGH - ebay: Die SZ (Wolfgang Janisch) berichtet vom laufenden Ebay-Verfahren vor dem BGH. Es geht um so genannte Abbruchjäger, die häufig mit mehreren Accounts darauf lauern, dass eine Aktion vorzeitig abgebrochen wird, um dann einen Schadensersatz geltend zu machen. Die Richter hätten in der mündlichen Verhandlung erkennen lassen, dass sie diesem mißbräuchlichen Treiben einen Riegel vorschieben könnten, so auch die FAZ (Martin Gropp).
BFH zu Kindergeld: Anspruch auf Kindergeld kann nur derjenige Elternteil haben, bei dem das Kind wohnt. Das gilt auch, wenn der betreuende Elternteil im Ausland lebt. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes stellt lto.de dar.
OLG Düsseldorf - Sky: Der Pay-TV-Sender Sky hat laut focus.de und tagesschau.de beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde gegen das Bundeskartellamt eigelegt. Dieses hatte gefordert, dass künftig nicht mehr ein einzelner Sender die Rechte an allen Bundesligaspielen erwerben dürfe. Sky wendet sich gegen diese so genannte "No Single Buyer Rule". handelsblatt.de erläutert den Sachverhalt und die Hintergründe.
BGH zu Pechstein: Die Zeit (Hans Werner Kilz/ Daniel Müller) rollt noch einmal die Vorgeschichte des BGH-Urteils im Fall Pechstein auf. In der FAZ fordern Rechtsanwalt Christian Duve und Karl Ömer Rösch eine Reform der Schiedsgerichtsbarkeit des Sports. Maßnahmen wie die Ermöglichung öffentlicher Verhandlungen sowie mehr Transparenz bei der Veröffentlichung von Schiedssprüchen seien geeignet, der Skepsis gegenüber der Sportschiedsgerichtsbarkeit zu begegnen.
OLG München - NSU-Prozess: Vom mittlerweile 288. Verhandlungstag berichtet spiegel.de (Wiebke Ramm). Es ging um Carsten S. und seinen Beitrag an der Beschaffung einer Waffe, mit der neun Menschen erschossen wurden.
LG München - BR24-App: Die FAZ meldet auf der Medienseite, dass der Rechtsstreit zwischen dem Bayerischen Rundfunk und Zeitungsverlegern um die BR24-App durch eine Unterlassungserklärung des BR beendet wurde. Die Verleger hatten dem BR im vergangenen Jahr vorgeworfen, mit der App in der damaligen Form den Rundfunkstaatsvertrag zu verletzen.
BGH zu Achenbach: Der Bundesgerichtshof hat die sechsjährige Haftstrafe gegen den Kunstberater Helge Achenbach wegen Betruges bestätigt und die Revision verworfen, teilen lto.de und SZ mit.
Recht in der Welt
Österreich - Wahlanfechtung: Die FPÖ will die Wahl zum Bundespräsidenten, die der Grünen-Politiker Alexander Van der Bellen vor seinem Konkurrenten von der FPÖ, Norbert Hofer, gewonnen hatte, vor dem Verfassungsgerichtshof anfechten. Das berichtet focus.de. Cathrin Kahlweit (SZ) sieht auch einen Nutzen in der Anfechtung: Es habe zu viele Unregelmäßigkeiten, formale Fehler und Schlampereien, vor allem bei der Auszählung der Briefwahlstimmen gegeben. Georg Löwisch (taz) meint, dass sich die Klage für die FPÖ auf jeden Fall lohne. Die FAZ (Stephan Löwenstein) porträtiert den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes Gerhart Holzinger.
Sonstiges
Flüchtlingskriminalität: Die Zahl der durch Flüchtlinge begangenen Straftaten geht zurück, berichten u.a. Hbl (Till Hoppe/Dietmar Neuerer) und spiegel.de. Frank Specht (Hbl) weist darauf hin, dass die Flüchtlingskriminalität sinkt, die Zahl der Anschläge auf Asylunterkünfte aber auf hohem Niveau verharrt.
Erbengemeinschaft: Anton Steiner (focus.de), Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht e.V. und Fachanwalt für Erbrecht, gibt praktische Tipps zur Streitvermeidung bei der Erbengemeinschaft. Wenn es keine Einigung der Erben gibt, wird der Nachlass versteigert.
Das Letzte zum Schluss
Blühende Landschaften: Wie ein ehemals geflügelzüchtender Brandenburger erst in das Hanfgeschäft einsteigt und dann vor der Strafkammer 25 des Landgerichts Berlin landet, beschreibt anschaulich die FAZ (Klaus Ungerer).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/pf
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 9. Juni 2016: AGH zum Anwaltspostfach / BAG zur Kettenbefristung / VG zur Wohnungszweckentfremdung . In: Legal Tribune Online, 09.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19587/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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