Der Fall Gustl Mollath wird neu aufgerollt. Das OLG Nürnberg hat ein Wiederaufnahmeverfahren angeordnet und Mollaths sofortige Entlassung verlangt. Außerdem in der Presseschau: Der NSU-Prozess macht Sommerpause, eine Kanzlei kann auch zu gut sein, das AG München verurteilt Polizisten und britische Hundebesitzer müssen sich in Acht nehmen.
Gustl Mollath entlassen: Gustl Mollath ist aus der psychiatrischen Klinik in Bayreuth entlassen worden. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat am Dienstag die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen Mollath und seine sofortige Entlassung angeordnet. 2006 hatte das Landgericht Nürnberg Mollath wegen Schuldunfähigkeit von den Vorwürfen der Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung freigesprochen und in die Psychiatrie eingewiesen. Mit dem neuen Verfahren vor dem Landgericht Regensburg wird für 2014 gerechnet. Es berichten unter anderem die SZ (Uwe Ritzer), die FR (Christian Bommarius) und die taz (Marlene Halser).
Den juristischen Hintergrund erklärt die taz (Christian Rath). Grund für die Wiederaufnahme sei eine unechte Urkunde, die im Prozess verwendet worden war. Im kommenden Verfahren werde Mollath auf jeden Fall wieder freigesprochen, weil sich die Lage für ihn nicht verschlechtern dürfe. Offen sei, ob er wieder in die Psychiatrie eingewiesen werde.
Albert Schäffer (FAZ) sieht das als Bestätigung dafür, dass die Kontrollmechanismen der Justiz funktionieren. Heribert Prantl (SZ) ist ähnlicher Ansicht, fragt jedoch, ob Mollath auch ohne die "gewaltige öffentliche Aufmerksamkeit" freigekommen wäre. Christian Rath (taz) meint hingegen, es sehe nun zwar nach einer Selbstkorrektur der bayerischen Justiz aus, tatsächlich sei man dort aber nur einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zuvor gekommen.
Weitere Themen – Rechtspolitik
EU-Beamten: Das Europäische Parlament hat eine Reform des Beamtenstatuts beschlossen. Wie die FAZ (Hendrik Kafsack) berichtet, hatten die Mitgliedstaaten darauf gedrängt, in der Wirtschaftskrise an den Beamtengehältern zu sparen. EU-Parlament und Kommission, sowie die EU-Beamtengewerkschaften hatten sich zunächst gegen Einschnitte gewehrt. Nun kam es zu einem als "Reförmchen" betitelten Kompromiss.
Veggie-Tag: Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) kommentiert die Debatte um den Vorschlag der Grünen, einen "Veggie-Tag" in öffentlichen Kantinen in öffentlichen Kantinen einzuführen, an dem ausschließlich vegetarisches Essen serviert wird. Natürlich läge darin kein Verbot des Fleischkonsums, gerade diese Art der "modernen, sanften Regulierung" stelle jedoch eine Gefahr dar, weil sie sich parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren entzieht.
Weitere Themen - Justiz
NSU-Prozess – Sommerpause: Der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München geht in die Sommerpause und wird am 5. September weitergeführt. Die SZ (Tanjev Schultz) und spiegel.de (Julia Jüttner) berichten vom letzten Prozesstag. Hier habe sich gezeigt, dass die Ermittler im Fall des Döner-Händlers Ismail Yasar den mutmaßlichen NSU-Tätern auf der Spur waren und zwischenzeitlich einen ausländerfeindlichen Hintergrund annahmen. Die taz (Marlene Halser/Andreas Speit) und Die Welt (Hannelore Crolly) ziehen eine Zwischenbilanz. Ursula Knapp (FR) kommt in einem Kommentar zu dem Schluss, der blamable Start sei "nicht vergessen, aber er ist nicht mehr vorherrschend".
NSU-Prozess – Verteidigerin Sturm: Die FAZ (Helene Bubrowski) berichtet über die Zschäpe-Verteidigerin Anja Sturm, die anfangs forsch aufgetreten, angesichts des öffentlichen Drucks aber "vorsichtig" und "dünnhäutig" geworden sei. Sturm hatte zuvor bekannt gegeben, sie verlasse ihre Kanzlei wegen Kritik an ihrem Mandat und arbeite künftig mit ihrem Mitverteidiger im NSU-Prozess, Wolfgang Heer, zusammen.
BGH zu Haftentschädigung: Der Bundesgerichtshof hat die Klage eines ehemaligen Häftlings abgelehnt, der wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen 3.460 Euro Entschädigung vom Land Berlin verlangt hatte. spiegel.de berichtet über das Urteil vom Juli, das nun veröffentlicht wurde.
BGH zu guten Anwälten: Kann der Anwalt zu gut sein? Auf der "Recht und Steuern"- Seite der FAZ erläutert der Rechtsanwalt Günter Lange eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus Januar, der Rückerstattungen für Kapitalanleger der insolventen Göttinger Gruppe gekippt hatte. Die Anleger müssten sich die Kenntnisse der Anwaltskanzlei zurechnen lassen, die schon vor der Insolvenz von einem Zusammenbruch des Unternehmens ausgingen und ausdrücklich für ihre Expertise warben. Damit sei der Kanzlei auch bekannt gewesen, dass einzelne Rückzahlungen für die eigenen Mandanten die Insolvenzmasse insgesamt schmälerten, was andere Gläubiger benachteilige – und deshalb anfechtbar sei.
AG München zu Polizeigewalt: Der Polizist Frank W. ist wegen Körperverletzung im Amt zu zehn Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldauflage von 3.000 Euro verurteilt worden. Er hatte im Januar die 23-jährige Teresa Z. in einer Münchner Polizeizelle mit der Faust ins Gesicht geschlagen und ihr dabei Nasenbein und Augenhöhle gebrochen. Der Polizist berief sich auf Notwehr, weil die mit Handschellen fixierte Frau ihn zuvor angespuckt hatte, das Amtsgericht München zeigte sich jedoch nicht überzeugt. Die SZ (Christian Rost) und spiegel.de (Björn Hengst) berichten.
Rauchender Mieter geht in Berufung: Der Düsseldorfer Mieter Friedhelm A. will gegen das Räumungsurteil des Amtsgerichts Düsseldorf Berufung einlegen. Demnach durfte ihm die Vermieterin fristlos kündigen, weil er mit Zigarettenrauch die Nachbarn störe. Sein Anwalt kritisierte das Urteil scharf, so spiegel.de.
Anklage gegen Ex-BayernLB-Vorstände: Wie die SZ (Klaus Ott) berichtet, will das Landgericht München noch diese Woche die Anklage gegen den ehemaligen Chef der Bayerischen Landesbank, Werner Schmidt, und weitere Vorstände teilweise zulassen. Hintergrund ist das Verlustgeschäft der BayernLB mit dem Kauf der österreichischen Bank Hypo Alpe Adria im Jahr 2007. Allerdings werde das Gericht möglicherweise den wichtigsten Anklagepunkt fallen lassen – den Vorwurf, die BayernLB habe für Hypo Alpe Adria zu viel bezahlt. Das Verfahren könnte im kommenden Jahr beginnen.
Anzeige wegen NSA-Überwachung: Udo Vetter, Rechtsanwalt und Mitglied der Piratenpartei, hat für den Piraten-Politiker Wolfgang Dudda wegen der NSA-Überwachung Strafanzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft Flensburg eingereicht. Im Interview mit zeit.de (Marin Majica) erklärt Vetter, er habe damit vor allem deutsche Telekommunikationsunternehmen und Netzbetreiber im Visier. Falls diese den US-Geheimdiensten gestatteten, auf Datenleitungen zuzugreifen, sei das ein klarer Bruch des Fernmeldegeheimnisses.
Staatsanwaltschaft Münster – DNA-Tests: Nach dem Fund einer Babyleiche will die Münsteraner Staatsanwaltschaft eine DNA-Reihenuntersuchung bei rund 150 Mädchen und Frauen durchführen. Udo Vetter (lawblog.de) bemängelt, dass die öffentlich Pressemitteilung nicht darauf hinweist, dass solche DNA-Tests freiwillig sind.
Vier-Augen-Prinzip am BGH: Der Rechtsanwalt Michael Rosenthal kritisert auf lto.de das "Vier-Augen-Prinzip" bei Revisionsentscheidungen des Bundesgerichtshofs, wonach nur der Berichterstatter und der Vorsitzende die Akten lesen, während sich die anderen drei Richter die Sache mündlich vortragen lassen. Zuletzt hatte der Vorsitzende Richter Thomas Fischer vorgeschlagen, dass alle fünf Richter die Akten lesen sollten. Rosenthal schließt sich dem an und wünscht "Fischer und seinem Rebellensenat, der Nachweis möge gelingen, dass ein BGH-Senat sorgfältig arbeiten kann, ohne dass die Rechtspflege zusammenbricht".
Weitere Themen – Recht in der Welt
Europäischer Haftbefehl: Wie die SZ (Javier Cáceres) berichtet, hat die EU-Justizkommissarin Viviane Reding Kroatien aufgefordert bis zum 23. August die Bestimmungen zum Europäischen Haftbefehl umzusetzen. Insbesondere soll das Land eine Gesetzesänderung zurücknehmen, die als "Lex Perkovic" verhindert, dass der ehemalige Geheimdienstler Josip Perkovic an Deutschland ausgeliefert wird. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Perkovic im Zusammenhang mit dem Mord an einem jugoslawischen Dissidenten 1983.
Ungarn - Lebenslang nach Mordserie an Roma: Ein Gericht in Budapest hat zwei Männer zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt, die 2008 und 2009 in Ungarn sechs Angehörige der Roma-Minderheit ermordet hatten. Das Gericht ging von rassistisch motivierten Straftaten aus. Die SZ (Cathrin Kahlweit) und die taz (Ralf Leonhard) berichten. Cathrin Kahlweit (SZ) meint in einem gesonderten Kommentar, das Urteil könne "nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Fragen offen bleiben." Das sieht Ralf Leonhard (taz) ähnlich, die wahrscheinliche Verstrickung der Geheimdienste sei noch nicht mal angesprochen worden. spiegel.de (Keno Verseck) führt ein Interview mit dem ungarischen Bürgerrechtler Aladár Horváth.
Russland – Michail Chodorkowski: Der ehemalige Unternehmer und Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski hatte am Dienstag um eine frühzeitige Entlassung aus dem Straflager gebeten. Das Oberste Gericht in Moskau verkürzte die Strafe jedoch lediglich um zwei Monate. Demnach müsste Chodorkowski im Mai 2014 freikommen, allerdings werde möglicherweise ein weiterer Prozess vorbereitet. Die Welt (Julia Smirnova) berichtet.
Türkei – Ergenekon-Prozess: Die FAZ (Michael Martens) befasst sich mit dem Urteil gegen die sogenannten Ergenekon-Verschwörer in der Türkei. Ihnen bleibe nun noch der Weg zum Kassationsgerichtshof in Ankara und zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
USA – Fort Hood-Prozess: Vor einem Militärgericht in Texas hat der Prozess gegen den mutmaßlichen Terroristen Nidal Hasan begonnen. Der ehemalige Armeepsychiater soll 2009 in der Militärbasis Fort Hood 13 Soldaten erschossen haben. spiegel.de (Sebastian Fischer) berichtet.
Sonstiges
Supergrundrecht Sicherheit: Der Rechtswissenschaftler Benjamin Rusteberg befasst sich auf juwiss.de mit der Debatte um ein "Supergrundrecht" auf Sicherheit. Rusteberg schließt sich im Ergebnis der einhelligen Meinung an, wonach das Grundgesetz kein solches Grundrecht kennt. Zugleich betont er, Grundrechte und sonstige Verfassungsgüter müssten kategorial voneinander unterschieden werden.
Kommunistische Verbrechen: Thomas Thiel (FAZ-Feuilleton) schildert die Aufarbeitung kommunistischer Verbrechen in osteuropäischen Staaten am Beispiel der Prozesse gegen tschechische Grenzsoldaten.
Das Letzte zum Schluss
Vorsicht bissiger Hund: Wie die SZ (Christian Zaschke) berichtet können die Briten über Änderungen des "Dangerous Dogs Acts" abstimmen und damit (unverbindlich) kund tun, welche Haftstrafen Hundehalter bekommen sollten, wenn ihr Tier einen Menschen beißt. In Frage komme auch ein "lebenslänglich". Für schärfere Strafen habe sich jedenfalls schon die Gewerkschaft CWU (Communication Workers Union) ausgesprochen – im Namen der Postboten.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. August 2013: Mollath ist frei – NSU-Prozess geht in die Pause – Münchner Polizist verurteilt . In: Legal Tribune Online, 07.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9303/ (abgerufen am: 30.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag