Die Staatsanwaltschaft Hannover hat Anklage gegen den ehemaligen Wulff-Mitarbeiter Olaf Glaeseker erhoben, dagegen ist sein Ex-Chef weitgehend entlastet. Außerdem in der Presseschau: Prozessauftakt im Jobcenter-Mord, Abgeordnete aus vier Fraktionen gegen parlamentarische Bestechung und wie eine Berliner Richterin lieber hinter geschlossener Saal-Tür verhandelt.
StA Hannover - Glaeseker angeklagt, Wulff entlastet: Der Sprecher des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, Olaf Glaeseker, und der Eventmanager Manfred Schmidt sind von der Staatsanwaltschaft Hannover wegen Bestechung und Bestechlichkeit angeklagt worden. Glaeseker soll Sponsoren für Veranstaltungen des Nord-Süd-Dialogs angeworben haben und im Gegenzug von Schmidt, der laut FAZ (Robert von Lucius) rund eine Million an den Veranstaltungen verdient hat, unentgeltliche Urlaubsaufenthalte in dessen Feriendomizilen und Freiflüge im Wert von 12.000 Euro erhalten haben.
Für eine Anklage gegen Christian Wulff werde der Tatverdacht dagegen nicht reichen, prognostiziert Hans Leyendecker (SZ). Nachdem gut zwanzig Ermittler über mehr als ein Jahr u.a. etwa hundert Zeugen vernommen, fast vierzig Telefonanschlüsse überprüft und drei ausländische Staaten um Rechtshilfe gebeten haben, habe sich der Anfangsverdacht der Korruption nicht erhärtet. Am Ende geht es nur noch um unerwartete Mehrkosten eines Hotelbesuchs in Höhe von 400 Euro, die der Filmproduzent David Groenewold für Wulff ohne dessen Wissen übernommen haben soll. Die beiden Fälle vergleicht Die Welt (Manuel Bewarde, Ulrich Exner, Per Hinrichs).
Es sei im Nachhinein nicht klar, was das "peinlich kleinliche Drama" gebracht habe, , kommentiert Jens Schneider (SZ). Allerdings könnte ein Prozess die Frage klären, wo die Gefahr der Bestechlichkeit beginnt. Die Annahme, der damalige niedersächsische Ministerpräsident habe seinen Mitarbeiter Glaesecker zum Gesetzesbruch animiert, könne man getrost als Unsinn bezeichnen, findet Torsten Krauel (Die Welt).
Weitere Themen – Rechtspolitik
Frauenquote: Die Bundesregierung will die von der EU-Justizministerin Viviane Reding vorgeschlagene börsennotierte Frauenquote stoppen. Geplant ist ein Frauenanteil von 40 Prozent bis 2020. Die Quotenregelung solle in Ermangelung einer europäischen Rechtsgrundlage auf nationaler Ebene geregelt werden, meint die Bundesregierung laut SZ (Cerstin Gammelin/Robert Rossmann). Man sei aus grundsätzlichen Erwägungen dagegen, weil eine EU-Frauenquote das Subsidiaritätsprinzip nicht wahre.
Fluggastdatenspeicherung: Die Abstimmung des Innenausschusses des EU-Parlamentes über die EU-Fluggastdatenspeicherung und -auswertung (EU-PNR) soll am 20. März stattfinden. Sollten sich für die Einführung dieser neuerlichen Vorratsdatenspeicherung Mehrheiten finden lassen, drohe die Total-Überwachung des Reiseverkehrs, befürchtet Alexander Sander (netzpolitik.org). Die Abstimmung gelte als wegweisend für die kommende Plenarentscheidung des EU-Parlaments.
Abgeordnetenbestechung: Die Strafvorschrift zur Abgeordnetenbestechung soll verschärft werden. Bei einer Neufassung des § 108e StGB sollen Abgeordnete bei Bestechung und Vorteilsnahme wie Beamte und Amtsträger behandelt werden. Dies sieht ein Gesetzentwurf vor, den vier Rechtspolitiker von CDU, SPD, Linken und den Grünen ausgearbeitet haben. Thomas Stadler (internet-law.de) begrüßt den Entwurf.
Weitere Themen - Justiz
NSU-Prozess: Der Platzmangel für Zuschauer im "Jahrhundertprozess" wird vielfach kritisiert. Bereits zu Beginn des Prozesses wurde die Möglichkeit der bildhaften Übertragung des Prozesses in einen separaten "Medienarbeitsraum" diskutiert. Das OLG München verneint diese Option mit einem Hinweis auf die Verletzung des § 169 Gerichtsverfassungsgesetz. Dies sei aber nicht zwingend: Unter bestimmten Voraussetzungen wäre eine Übertragung durchaus möglich, meint Martin W. Huff (lto.de), so bei der Verwendung einer statischen Kamera, die lediglich eine "erweiterte Saalöffentlichkeit" im Gegensatz zu einer öffentlichen Übertragung nach außen herstellen würde.
LG Düsseldorf – Jobcenter-Mord: Vor dem Landgericht Düsseldorf hat der Prozess gegen den 52-jährigen Mann begonnen, der eine 32-jährige Mitarbeiterin eines Jobcenters erstochen haben soll – angeblich weil er befürchtete, das Amt wolle seine Daten verkaufen, nachdem er eine Datenschutzerklärung unterschrieben hatte, berichtet die FAZ (Reiner Burger).
LG Göttingen – Göttinger Gruppe: Im Fall der Göttinger Gruppe wird eine neue Klagewelle erwartet. Es geht um einen der größten Fälle von Anlagebetrug in Deutschland. Der Finanzkonzern hatte Hunderttausenden Kleinanlegern ein angebliches Steuersparmodell verkauft - dahinter steckte jedoch ein Schneeballsystem. Innerhalb weniger Tage sind schon 2000 neue Schadenersatzklagen lastwagenweise vor das Landgericht gefahren worden, berichtet die SZ (Andreas Jalsovec) in ihrem Geld-Teil.
LG Bonn zu Zivilklagen gegen Sal. Oppenheim: Einem Bericht der FAZ (Joachim Jahn) zufolge, hatte die Klage der "Harald und Hilde Neven DuMont Stiftung" gegen die Privatbank Sal. Oppenheim vor dem Landgericht Bonn keinen Erfolg. Das Gericht konnte keine Aufklärungsmängel erkennen. Damit zeichne sich ab, dass auch andere wohlhabende Kläger, die mit Immobilienfonds der Privatbank Verluste erlitten hatten, bei der Justiz keine großen Erfolgsaussichten haben.
OLG Düsseldorf zu Netzkostenbefreiung: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes für unwirksam erklärt, die eine Netzkostenbefreiung für stromintensive Unternehmen vorsah: Für die Verordnung fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage, so das Gericht laut FR (Jacob Schlandt). Parallel dazu leitete die EU- Kommission ein Verfahren wegen illegaler Beihilfen gegen Deutschland ein.
FG Düsseldorf zu Spenden ins Ausland: Wer Spenden an gemeinnützige Organisationen in der EU steuerlich absetzen will, muss deren Gemeinnützigkeit dem Finanzamt nachweisen, entschied das Finanzgericht Düsseldorf. Das Gericht räume ein, dass es Auslandsspenden damit nicht gerade vereinfachte, denn der Nachweis sei schwer zu führen, berichtet lawblog.de (Udo Vetter).
BFH zu Dienstwagen: Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass die "Ein-Prozent-Regelung" verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Danach müssen Arbeitnehmer auch weiterhin die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung als Arbeitslohn mit monatlich einem Prozent des Bruttolisten-Neupreises versteuern. Ob der Arbeitgeber tatsächlich den ausgewiesenen Bruttolistenneupreis bezahlt hat, spiele keine Rolle, referiert das Handelsblatt (Katharina Schneider) das Urteil.
OLG Hamm zu unechtem "Renoir": Das Oberlandesgericht Hamm spricht einem Geschäftsmann, dessen bei der Staatsanwaltschaft verwahrtes Gemälde nicht mehr auffindbar war, keinen Schadenersatz zu. Der Kläger hatte 32 Millionen Euro verlangt, weil es sich bei dem Bild, das im Rahmen eines Betrugsverfahrens sichergestellt wurde, um einen echten Renoir gehandelt habe. Nach Ansicht des OLG sprach aber mehr dafür, dass es sich um einen Nachdruck handelte. so dass der Kläger nun auch die hohen Prozesskosten selbst tragen muss, meldet lto.de.
VG Karlsruhe zu Doktortitel: Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat die Klage der FDP-Politikerin Koch-Mehrin gegen den Entzug ihres Doktortitels abgewiesen, meldet die SZ. Eine Begründung liege noch nicht vor.
Debatte um Voßkuhle: Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts dürfe zwar durchaus in einer vertraulichen Runde mit Journalisten plaudern, so Heinrich Wefing (Die Zeit). Allerdings schade er damit dem Ruf des Verfassungsgerichts, dem die Bürger auch gerade deshalb vertrauen, weil die 16 Richterinnen und Richter nicht als politische Individuen wahrgenommen werden, sondern als weitgehend anonymes Gericht. Zurückhaltung sei daher im eigenen Interesse geboten.
Weitere Themen – Recht in der Welt
Schweiz – Managergehälter: Rechtsprofessor Tim Drygala analysiert auf lto.de die Initiative "Gegen die Volksabzockerei", die am Sonntag bei einer Volksabstimmung in der Schweiz angenommen wurde. Danach sollen künftig die Aktionäre die Höhe von Manager-Gehälter bestimmen, Die Schweizer Lösung könnte Deutschland als Vorbild dienen, meint Drygala.
Ungarn – Verfassungsänderung: Bezüglich der Verfassungsänderung, die kommenden Montag im ungarischen Parlament beschlossen werden soll, hat der Generalsekretär des Europarats, Throbjörn Jagland, erneut Bedenken geäußert, berichtet die FAZ (Stephan Löwenstein). Geplant ist die Wiedereinführung von Übergangsbestimmungen, die das Verfassungsgericht Ende vergangenen Jahres annulliert hatte. Dies erwecke den Eindruck, dass die Regierung ihre parlamentarische Zweidrittelmehrheit nutzen wolle, um das Verfassungsgericht zu überstimmen, so Jagland.
Ukraine – Timoschenko: Das oberste Verwaltungsgericht hat dem wichtigsten Anwalt der Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko die parlamentarische Immunität entzogen, meldet Die Welt. Zur Begründung führte das Gericht an, er sei gleichzeitig als Anwalt und Abgeordneter tätig gewesen. Der Anwalt wirft den Behörden eine planmäßige Behinderung der Verteidigung der inhaftierten Oppositionspolitikerin vor.
Sonstiges
EU-Kommission zu Microsoft: Die EU-Kommission hat eine Geldbuße in Höhe von 561 Millionen Euro Strafe gegen Microsoft verhängt. Microsoft hatte seinen Kunden seinen firmeneigenen Browser "aufgezwungen", indem bei der Aktualisierung des Betriebssystems Windows 7 ein so genanntes "Auswahlfenster" ausgelassen wurde, über das Anwender auch Browser von Konkurrenten hätten auswählen können. Dabei hatte sich der US-Konzern gerade hierzu der EU-Kommission gegenüber verpflichtet – und sich dann nicht daran gehalten, schildert die SZ (Javier Cáceres). Der EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia hatte den Bruch der Zusage über ein Jahr nicht bemerkt, weil Microsoft selbst von dessen Vorgängerin Neeli Kroes mit der Kontrolle beauftragt war, mokiert sich Werner Mussler (FAZ).
Das Letzte zum Schluss
Gericht verhandelt lieber privat: Die Lehrerin einer Oberschule in Prenzlauer Berg hat das Geld ihrer Schüler, welches für eine Klassenfahrt gedacht war, veruntreut. Sie wurde vom Amtsgericht Tiergarten zu einer milden Geldstrafe verurteilt. Über ihre Motive ist die Öffentlichkeit jedoch im Unklaren, denn die neun Journalisten und zwei Rechtsreferendare, die vor dem Gerichtssaal auf den Beginn der Verhandlung warteten, hatten scheinbar allesamt überhört, wie die Richterin ihre "Freunde von der Presse" angeblich hereingebeten hatte, berichtet die taz (Uta Eisenhardt).
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/as
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. März 2013: Wulff wird wohl nicht angeklagt – Stromfresser werden nicht befreit – Voßkuhle wird weiter kritisiert . In: Legal Tribune Online, 07.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8281/ (abgerufen am: 12.05.2024 )
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