Der Anwalt unseres Vertrauens: Rechtsschutzversicherungen dürfen ihre Kunden belohnen, wenn sie sich von bestimmten Anwälten vertreten lassen – das entschied der BGH. Außerdem in der Presseschau: Kritik am Hauptausschuss des Bundestages, LG Berlin verurteilt NPD-Landeschef, der Gurlitt-Fall lockt Anwälte und ein Geheimdienstchef wird versuchweise überwacht.
Thema des Tages
BGH zu Anwaltswahl: Die Rechtsschutzversicherung HUK-Coburg darf ihren Kunden finanzielle Vorteile bieten, damit sie sich von einem Anwalt vertreten lassen, den die Versicherung vorschlägt. Das entschied der Bundesgerichtshof am Mittwoch. Die Welt (Kathrin Gotthold) berichtet. Demnach erklärten die Richter, nach der maßgeblichen Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs schließe das Recht auf freie Anwaltswahl solche Anreizsysteme nicht aus. Dem Kunden bleibe es überlassen auf Vorteile zu verzichten und einen anderen Anwalt zu wählen. Geklagt hatte eine Rechtsanwaltskammer, auch der Deutsche Anwaltsverein hatte die Praxis der Rechtsschutzversicherung kritisiert.
Rechtspolitik
Hauptausschuss des Bundestages: Heribert Prantl (SZ) kritisiert den "sogenannten Hauptausschuss", der die Geschäfte des Bundestages verwalten soll. Den übrigen Abgeordneten werde so "ein temporäres Berufsverbot" verordnet. Dass die große Koalition die parlamentarische Arbeit bis zur Regierungsbildung aussetze, sei eine "Missachtung der Volksvertretung". Das Verfassungsgericht sei jedoch machtlos, solange nicht geklagt werde.
Koalitionsvertrag - Europäisches Ein- und Ausreiseregister: Wie spiegel.de (Claus Hecking/Weit Medick/Severin Weiland) berichtet, sprechen sich Union und SPD im Koalitionsvertrag für ein europäisches Ein- und Ausreiseregister aus. Demnach sollen Ausländer, die nicht im Schengen-Raum leben, bei der Einreise alle zehn Fingerabdrücke hinterlassen. Diese Daten sollen mindestens sechs Monate gespeichert werden. Datenschützer reagieren entsetzt.
Koalitionsvertrag - Netzneutralität: Der Rechtswissenschaftler Florian Jäkel beschreibt auf lto.de, was der Koalitionsvertrag von Union und SPD zur Netzneutralität vorsieht. Vor allem die Vorschläge zur Bevorzugung bestimmter Dienste seien "recht unübersichtlich", aber "ausbaufähig".
Früheres Eingreifen bei Stalking: Union, SPD und die Innenminister der Länder wollen Stalking schärfer verfolgen. Wie die SZ (Kim Björn Becker) berichtet, wollen Union und SPD laut ihrem Koalitionsvertrag die Hürden für eine Verurteilung von Stalkern senken. Zudem soll es derzeit auf der Herbstkonferenz der Innenminister um eine Verschärfung des Stalking-Paragrafen gehen.
Justiz
BVerfG – NPD-Verbot: Heinrich Wefing (Die Zeit) kommentiert den Antrag der Bundesländer zum Verbot der rechtsextremen NPD. Das Bundesverfassungsgericht müsse nun "Maßstäbe für ein Parteiverbot im 21. Jahrhundert entwickeln", die Entscheidung sei "komplett offen". Wie sich die NPD gegen das Verbot wehren will, erläutert spiegel.de (Christina Hebel). Die Partei argumentiere, kein faires Verfahren zu erhalten, weil ihr Gelder aus der Parteienfinanzierung fehlten, Spitzenfunktionäre überwacht würden und Beweismaterial von V-Leuten stamme.
BAG – Arbeitnehmerüberlassung: Das Bundesarbeitsgericht wird sich in einer Verhandlung am 10. Dezember mit der Arbeitnehmerüberlassung beschäftigen und könnte dabei seine bisherige Rechtssprechung näher erläutern, so der Rechtsanwalt Gero Ludwig auf dem Handelsblatt Rechtsboard. Klärungsbedürftig seien der Begriff der vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung und die Folgen dauerhafter Überlassung - ob das Bundesarbeitsgericht auf diese Fragen eingehe, sei aber offen.
BGH zu Untervermietung: Ein Vermieter darf einem Mieter nicht deshalb kündigen, weil dieser seinen Untermieter nicht los wird. Wie der Bundesgerichtshof entschied, durfte der Vermieter zwar die Erlaubnis zur Untervermietung widerrufen, aber nicht fristlos kündigen - der Mieter konnte sich auf einen Räumungsprozess berufen, den er mit dem Untermieter führte. Das meldet spiegel.de.
OVG Bremen zu Klassenfahrt: Die taz-nord (Gernot Knödler) berichtet über die Entscheidung des Bremer Oberverwaltungsgerichts, wonach Kinder aus einer streng christlichen Familie nicht von einer Klassenfahrt befreit werden. Benno Schirrmeister (taz-nord) kommentiert, damit habe die Religionsfreiheit "gewonnen", die sei "nämlich kein Herrschaftsrecht superfrommer Eltern". Der Staat müsse ein "Einlasstüchen" öffnen, damit Kinder Familientraditionen in Frage stellen können - und damit ihre Religionsfreiheit wahrnehmen.
LG Berlin verurteilt NPD-Landeschef: Der Berliner NPD-Chef Sebastian Schmidtke ist vor dem Landgericht Berlin-Tiergarten wegen Volksverhetzung, Gewaltdarstellung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Er hatte CDs vertrieben, die gegen Juden, Schwule und Schwarze hetzen. Die taz-berlin (Konrad Litschko) berichtet.
AG Bayreuth verurteilt Mollath-Sympathisanten: Thomas Stadler (internet-law.de) befasst sich mit einem Nebenschauplatz zum Mollath-Fall. Ein Sympathisant Gustl Mollaths hat das Landgericht Bayreuth in einer Email an die Poststelle als "niederträchtige Bande" bezeichnet und ist nun vor dem Amtsgericht Bayreuth wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt worden. Stadler kritisiert, dass Gericht habe die Entscheidung nicht überzeugend begründet, die Aussage müsse als von der Meinungsfreiheit geschützte Kritik betrachtet werden.
AG Nördlingen – Sexueller Missbrauch eines Gefangenen: Die SZ (Stefan Mayr) berichtet im Bayern-Teil von einem Prozess um sexuellen Missbrauch eines Gefangenen am Amtsgericht Nördlingen. Angeklagt ist eine Beamtin einer Justizvollzugsanstalt im schwäbischen Kaisheim. Der Insasse, der als Zeuge und Nebenkläger auftritt, wirke nicht wie ihr "Opfer". Er habe erklärt, mit der Beamtin einvernehmlich Sex gehabt zu haben, zudem soll er ihr damit gedroht haben, die sexuellen Kontakte öffentlich zu machen, wenn sie sich von ihm abwende. Die Beamtin habe sich vor Gericht nicht zu den Vorwürfen geäußert.
LG Ulm – Drogerie-Unternehmer vs. Schweizer Bank: Der Drogerie-Unternehmer Erwin Müller verlangt von der Schweizer Bank Sarasin Schadensersatz wegen eines fehlgeschlagenen Investments. Dabei geht es um den sogenannten Cum-Ex-Aktienhandel, mit dem Müller eine Steuerlücke ausnutzen wollte, die mit einem Gesetz von 2012 jedoch geschlossen wurde. Die SZ (Max Hägeler) schildert den Fall. Zunächst müsse das Landgericht Ulm allerdings klären, ob es zuständig ist. Sarasin wolle einen Prozess in der Schweiz.
NSU-Prozess – Vernehmung von V-Mann: Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München wurde der ehemalige V-Mann Benjamin G. als Zeuge vernommen. Er hatte dem Verfassungsschützer Andreas T. Informationen geliefert. T. war offenbar bei dem Mord an Halit Yozgat am Tatort. Die FAZ (Karin Truscheit) und spiegel.de (Gisela Friedrichsen) berichten. Die taz (Andreas Speit) führt ein kuzes Interview mit dem Anwalt Alexander Kienzle, der die Familie Yozgats vertritt. Kienzle fordert die Herausgabe der Akten zu Andreas T., die derzeit nur beim Generalbundesanwalt eingesehen werden dürfen.
Recht in der Welt
Internationaler Seegerichtshof zu Greenpeace-Aktivisten: Der Rechtswissenschaftler Sebastian Tho Pesch erläutert auf juwiss.de die Entscheidung des Internationalen Seegerichtshofs, wonach Russland die festgesetzen Greenpeace-Aktivisten gegen Kaution freilassen muss und geht dabei auch auf die scharfe Kritik des russischen Richters ein. Russland hat die Aktivisten zwar aus der Untersuchungshaft entlassen, sie dürfen jedoch nicht ausreisen.
Italien – Wahlgesetz verfassungswidrig: Der Oberste Gerichtshof Italiens hat das Wahlgesetz für verfassungswidrig erklärt. Wie spiegel.de knapp meldet, verstößt die von dem ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi eingeführte sogenannte Mehrheitsprämie gegen die Verfassung. Sie garantierte der stärksten Partei rund 54 Prozent der Sitze im Abgeordnetenhaus, auch wenn dies nicht dem Stimmanteil entsprach.
Sonstiges
Gurlitt-Fall lockt Rechtsanwälte: Peter Dittmar (Welt-Feuilleton) befasst sich mit der Rolle von Rechtsanwälten im Streit um die Kunstsammlung Cornelius Gurlitts. Ihnen gehe es vor allem um lohnende Mandate. Weil das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz hier enge Grenzen setze, arbeiteten deutsche Anwälte teilweise mit schweizerischen Firmen oder amerikanischen Anwaltbüros zusammen – so könnten Erfolgshonorare vereinbart werden.
Das Letzte zum Schluss
Überwachter Überwacher: Die Schweizer Wochenzeitung WOZ (Dominik Gross/Jan Jiràt) wollte mal ausprobieren, "was man über einen Menschen herausfinden kann, ohne dass man ihn wissen lässt, dass man etwas über ihn herausfinden will" – und hat sich dafür den Schweizer Geheimdienstchef Markus Seiler ausgesucht. Allerdings mit einigen Pannen und eher mäßigen Ergebnissen, wie die Reportage zeigt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. Dezember 2013: Versicherungen dürfen Anwalt vorschlagen – NPD-Landeschef verurteilt – Überwacher überwacht . In: Legal Tribune Online, 05.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10258/ (abgerufen am: 10.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag