Netzneutralität im Koalitionsvertrag: Keine Wunder erwarten

von Dr. Florian Jäkel

04.12.2013

Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag auch über Netzneutralität im Internet verständigt. Herausgekommen sind dabei einige Allgemeinplätze und Redundanzen, merkwürdige Forderungen an Mobilfunkanbieter, aber auch der ausbaufähige Vorschlag eines Nebeneinander von gesteuerten Diensten und neutraler Datendurchleitung, meint Florian Jäkel.

Wunder darf man von Koalitionsverträgen üblicherweise nicht erwarten. So beginnen die Parteien ihre Vereinbarung über Netzneutralität denn auch sicherheitshalber mit Allgemeinplätzen: "Der Erhalt des offenen und freien Internets, die Sicherung von Teilhabe, Meinungsvielfalt, Innovation und fairer Wettbewerb sind zentrale Ziele der Digitalen Agenda. Der diskriminierungsfreie Transport aller Datenpakete im Internet ist die Grundlage dafür."

Auch wenn hieran wenig Gewagtes zu erkennen ist – zu beanstanden ist es auch nicht. Das Gleiche gilt für die Forderung, sicherzustellen, "dass Provider ihre eigenen inhaltlichen Angebote und Partnerangebote nicht durch höhere Datenvolumina oder schnellere Übertragungsgeschwindigkeit im Wettbewerb bevorzugen".

Bundesnetzagentur soll Netzneutralität überwachen

Überraschend ist hingegen die Ankündigung, "die Gewährleistung von Netzneutralität" werde "als eines der Regulierungsziele im Telekommunikationsgesetz verbindlich verankert". Das verwundert, weil doch nichts anderes bereits in der vergangenen Legislaturperiode mit § 2 Abs. 2 Nr. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) geschehen sein soll. Nötiger wäre es, eine klare Definition der Netzneutralität in das TKG einzufügen und diese als Regulierungsgrundsatz festzuschreiben

Außerdem soll die Bundesnetzagentur ermächtigt und in die Lage versetzt werden, "die Einhaltung dieses Ziels zu überwachen". Das ist durchaus zu begrüßen. Allerdings kann eine solche Kontrolle nur erfolgreich sein, wenn zuvor konkretisiert wird, was überhaupt überwacht werden soll. Der Vertrag bleibt auch sehr ungenau, wenn es um die gesetzlichen Grundlagen geht: Soll die Bundesregierung die Bundesnetzagentur aufgrund einer Verordnung nach § 41a Telekommunikationsgesetz (TKG) zur Überwachung ermächtigen? Oder muss der Gesetzgeber neue Regelungen schaffen? Die Parteien hätten an dieser Stelle durchaus deutlichere Akzente setzen können.

Gänzlich inhaltsleer bleibt die Ankündigung, Mobilfunkanbieter "gegebenenfalls gegen separates Entgelt" zur Bereitstellung von Internettelefonie verpflichten zu wollen. Denn dieses Angebot machen bereits alle Telekommunikationsunternehmen. Der eigentliche Kern der Problematik liegt darin, Internettelefonie ohne zusätzliches Entgelt als Teil eines mobilen Internetzugangs zu ermöglichen. Daran geht der Koalitionsvertrag gänzlich vorbei.

Unübersichtliches Modell aus Managed Services und Best Effort

Wirklich interessant wird die Vereinbarung, soweit es um die Bevorzugung bestimmter Dienste ("Managed Services") geht. Die Parteien haben sich offenbar darauf geeinigt, dass eine solche Bevorzugung zulässig sein soll, soweit dadurch der gleichberechtigte Transport anderer Datenpakete ("Best Effort") nicht verdrängt wird. Gleichzeitig sollen technisch notwendige Managementmaßnahmen zulässig sein.

Zusammen mit dem Verbot, eigene Angebote zu bevorzugen, ergibt sich ein recht unübersichtliches Modell, das vielleicht mit einigem Aufwand entwirrt und handhabbar gemacht werden könnte, damit aber noch lange nicht mit der politischen wie verfassungsrechtlichen Realität in Einklang steht.

Stattdessen sollte vielmehr ein Basisdienst eingeführt werden, der eine funktionale Nutzung aller Dienste ermöglicht, über den hinaus unterschiedliche, den jeweiligen Dienstanforderungen Rechnung tragende Diensteklassen jedoch grundsätzlich zulässig sind. Damit wäre Netzanbietern wie Nutzern und Inhalteanbietern gedient, ohne eine Seite zu übervorteilen.

Datenpakete sollen nicht auf ihren Inhalt hin analysiert werden

Zudem wollen die Koalitionsparteien die Nutzung der sogenannten Deep Packet Inspection, mit der Datenpakete bis hin zu ihrem Inhalt analysiert werden können, gesetzlich untersagen. Man will so die Gefahr bannen, dass Dienste diskriminiert oder Nutzer überwacht werden können.

Das Verbot, eigene Angebote zu bevorzugen und Managed Services nicht ausufern zu lassen, mag bereits ausreichend Schutz vor einer Diskriminierung bestimmter Dienste bieten. Zudem untersagen § 88 TKG und möglicherweise auch datenschutzrechtliche Vorschriften die Überwachung der Kommunikation und Daten von Nutzern. Eine restriktive Handhabung der Deep Packet Inspection ist trotzdem richtig.

Es ist tatsächlich unangebracht, von einer Koalitionsvereinbarung Wunder zu erwarten. Dennoch sollte sich die kommende Bundesregierung intensiv mit dem Abschnitt zur Netzneutralität im Internet auseinandersetzen. Sollte es ihr gelingen, die Schwachstellen des Koalitionsvertrages zu beheben, kann ihr allerdings durchaus Erfolg auf diesem schwierigen Feld beschieden sein.

Der Autor Dr. Florian Jäkel ist Referendar am Landgericht Krefeld. Er wurde im Sommer 2013 mit einer Arbeit zu Netzneutralität im Internet durch die Philipps-Universität Marburg promoviert.

Zitiervorschlag

Dr. Florian Jäkel, Netzneutralität im Koalitionsvertrag: Keine Wunder erwarten . In: Legal Tribune Online, 04.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10247/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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