Die Bundesanwaltschaft ermittelt in Sachen NSA-Überwachung – zum Teil. Außerdem in der Presseschau: Porträt des Justizministers, BGH zur Haftung von Internet-Anschlussinhabern, BFH zu zusätzlichen Arbeitszimmern, Schiedsgericht vor Gericht in Österreich und Notwehr durch Heraustragen der Vermieterin.
Thema des Tages
NSA-Ermittlungen: Der Generalbundesanwalt hat Ermittlungen wegen des Ausspähens des Mobiltelefons von Bundeskanzlerin Angela Merkel durch US-amerikanische Nachrichtendienste eingeleitet. Es bestehe ein Anfangsverdacht geheimdienstlicher Agententätigkeit erklärte er gegenüber dem Rechtsausschuss des Bundestages. Gleichzeitig stellte er hinsichtlich der mutmaßlichen Massenüberwachung von Bundesbürgern das vorläufige Fehlen eines Anfangsverdachts fest. Es fehlten zureichende Tatsachen für konkrete Straftaten. Das berichten unter anderem die FAZ (Helene Bubrowski/Eckart Lohse) und die taz (Astrid Geisler). Laut SZ (Wolfgang Janisch/Hans Leyendecker) habe es gegen die nun eingeleiteten Ermittlungen "starke Bedenken" gegeben und sei es zu "heftigen Auseinandersetzungen in der Behörde" gekommen.
In einem weiteren Artikel beleuchten die SZ (Hans Leyendecker/Georg Mascolo) ebenso wie die Welt (Manuel Bewarder) die Hintergründe der Entscheidung. lto.de (Constantin van Lijnden) geht der Frage nach, inwieweit sich der Generalbundesanwalt vom Druck der Öffentlichkeit hat beeinflussen lassen.
Reinhard Müller (FAZ) verteidigt diese Entscheidung – immerhin lägen der Bundesanwaltschaft nicht wirklich viele konkrete Anhaltspunkte für eine Massenüberwachung vor; selbst den Inhalt der Snowden-Dokumente kenne man "vor allem vom Hörensagen". Gleichzeitig sei das eingeleitete Verfahren wichtig für die Behauptung der deutschen Rechtsordnung. Heribert Prantl (SZ) vergleicht das Entscheidungsverfahren der Behörde mit dem Aufsagen eines Abzählreims und die unterschiedliche Behandlung der Überwachungsvorgänge für nicht begründbar. Eine schwierige Beweislage negiere auch in keinem anderen staatsanwaltlichen Verfahren einen Anfangsverdacht. Till Hoppe (Handelsblatt) hält die Ermittlungen für "Symbolpolitik" und verlangt eine generelle Debatte über den Schutz der Privatsphäre "in einer sich virtualisierenden Welt". Christian Rath (taz) sieht in den Ermittlungen zwar auch ein Symbol – aber ein "gutes". Er fragt: "Was spricht gegen ein Symbol, dass hier niemand über dem Gesetz steht?" Udo Vetter (lawblog.de) vermutet dagegen ein "Placebo", mit dem der eigentliche Skandal unter den Tisch gekehrt werden solle.
Die FAZ (Reinhard Müller) porträtiert anlässlich der Entscheidung den "bedächtigen" Generalbundesanwalt Harald Range.
Rechtspolitik
Porträt des Justizministers: Die FAZ (Eckart Lohse) bringt am heutigen Donnerstag ein Porträt von Justizminister Heiko Maas (SPD). Der Saarländer, der bislang stets "im Windschatten anderer Führungsfiguren" unterwegs gewesen sei, wolle nun seine Chance nutzen und rechtsgestaltend tätig werden. Um mehr zu sein als ein Verhinderer oder bloßer Notar der Regierung verfolge er mit der Mietpreisbremse und der Reform des Mordparagraphen eigene rechtspolitische Projekte.
Justiz
BGH zu Anschlusshaftung: internet-law.de (Thomas Stadler) weist darauf hin, dass die "BearShare"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Haftung eines Internet-Anschlussinhabers für Rechtsverletzungen volljähriger Familienmitglieder inzwischen im Volltext verfügbar sei. Das Gericht beschäftige sich insbesondere ausführlich mit den Anforderungen zur sekundären Darlegungslast.
BGH zu Unterlassungsverpflichtung: Eine vertragsstrafenbewehrte, in einem Prozessvergleich erklärte Unterlassungsverpflichtung kann auch im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. Das hat laut internet-law.de (Thomas Stadler) der Bundesgerichtshof entschieden und eine Spezialität der Vertragsstrafe abgelehnt.
BFH zu zusätzlichen Arbeitszimmern: Laut einer Meldung von lto.de hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass zusätzlich zu einem Arbeitsplatz beim Arbeitgeber genutzte Arbeitszimmer und Telearbeitsplätze unter bestimmten Umständen steuerlich geltend gemacht werden können.
OLG Naumburg zu medizinischem Blutalkoholtest: Ein nach einem Verkehrsunfall aus medizinischen Gründen im Rahmen einer Blutuntersuchung erfolgter Blutalkoholtest ist in einem Zivilprozess nicht von einem Beweisverwertungsverbot betroffen. Das hat laut blog.beck.de (Carsten Krumm) das Oberlandesgericht Naumburg entschieden.
LG Hamburg – HSH-Nordbank: Die FAZ (cmu.) berichtet über den Untreue-Prozess gegen die Ex-Vorstände der HSH-Nordbank vor dem Landgericht Hamburg, darunter auch der Ex-Vorstandsvorsitzende Dirk Jens Nonnenmacher. Dessen Anwalt habe im Schlussplädoyer nun einen Freispruch gefordert; er habe dem entscheidenden Wertpapiergeschäft nicht zugestimmt, sondern es nur zur Kenntnis genommen. Die Staatsanwaltschaft fordere Bewährungs- und Geldstrafen.
GBA – Anklage gegen mutmaßliche Dschihadisten: Die Bundesanwaltschaft hat gegen drei mutmaßliche Dschihadisten Anklage wegen der Unterstützung von Islamisten in Syrien erhoben. Das meldet spiegel.de.
StA Bochum – Anklagen wegen Schienenkartell: Laut Handelsblatt (Martin Murphy) hat die Bochumer Staatsanwaltschaft gegen frühere Manager von Voestalpine und Thyssen-Krupp Anklage wegen Absprachen auf dem Schienenmarkt erhoben. Sie Angeklagten sollen seit mindestens 2001 Preise und Mengen abgesprochen haben.
PKS – weniger jugendliche Straftäter: Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik für 2013 ist die Zahl jugendlicher Straftäter gegenüber dem Vorjahr ebenso wie die Gesamtzahl der Straftaten zurückgegangen. Das meldet die FAZ (Eckart Lohse); auch die SZ (Jan Bielicki) berichtet.
VG Darmstadt zu Tattoos bei der Bundespolizei: Die SZ (Johanna Bruckner/Lisa Rüffer) beschäftigt sich mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt zur Ablehnung einer tätowierten Bewerberin für die Bundespolizei und fragt, ob die Entscheidung auch für andere Arbeitgeber gelte. Joachim Käppner (SZ) kritisiert das Urteil als weltfremd; "normale Tattoos" gehörten heute zum Alltag.
OLG München – NSU: Am heutigen Donnerstag berichtet auch die SZ (Annette Ramelsberger/Tanjev Schultz) ausführlich von den Verhandlungen über den Sprengstoffanschlag auf einen Lebensmittelladen in Köln im Rahmen des NSU-Prozesses vor dem Oberlandesgericht München. Auch die taz (Lisa Schnell) berichtet von der Aussage der beim Anschlag schwer verletzten Zeugin Mashia M.
BVerfG als politischer Akteur: Im Feuilleton der SZ (Andreas Zielcke) findet sich ein Bericht über einen Vortrag des Ex-Bundesverfassungsrichters Dieter Grimm zur Rolle des Gerichts als politischer Akteur in Deutschland und Europa. Zwar sei das Gericht durchaus politischer Akteur; die "Black Box" in Karlsruhe entscheide aber anhand juristischer und nicht versteckt politischer Maßstäbe.
Recht in der Welt
Spanien – Abdankung: Die Zeit (Heinrich Wefing) betont, dass es eine Frage der Herrschaft des Rechts sei, dass der spanische König Juan Carlos ohne ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz nicht abdanken dürfe: "Sterben dürfen, das kann man vielleicht sagen, hätte der König auch ohne Zustimmung des Parlaments. Sonst nichts."
Österreich – Prozess gegen Schiedsgericht: Die Zeit (Marcus Rohwetter) berichtet vom aufsehenerregenden Streit zwischen dem Hedgefond Polygon und dem Finanzkonzern UniCredit vor dem Wiener Handelsgericht. Im "letzten Akt" der Auseinandersetzung um den Verkauf von Anteilen der Bank Austria stehe auch ein privates Schiedsgericht im Mittelpunkt – das als Vermittler auftreten sollte, aber den Fond benachteiligt haben soll.
Österreich – Debatte über Strafvollzug: In Österreich haben Berichte über Skandale in Justizvollzugsanstalten eine Debatte über den Strafvollzug ausgelöst. Darüber berichtet die Welt (Elisalex Henckel).
Italien – Florian Homm frei: Ein italienisches Berufungsgericht hat den mutmaßlichen deutschen Anlagebetrüger Florian Homm, um dessen Auslieferung sich die USA bemühen, wegen Erreichung der Untersuchungshaft-Höchstdauer freigelassen. Das meldet spiegel.de.
Sonstiges
Kampf um die Daten: Im Feuilleton stellt die FAZ (Uwe Ebbinghaus) das Buch "Kämpf um Deine Daten" des 26 Jahre alten Wiener Juristen Max Schrems vor. Der Autor, der den US-Internetkonzern Facebook verklagt hat, entzaubere in seinem Buch die Mythen der IT-Industrie; das Lesen sei "ein intellektuelles Vergnügen".
Europawahl: Vor dem Hintergrund des Erfolgs der Satire-Partei "Die PARTEI" setzt sich der Rechtsprofessor Herbert von Arnim auf lto.de mit verschiedenen Rechtsfragen zur Europawahl auseinander, unter anderem dem Auszählungsverfahren, dem Ernsthaftigkeitserfordernis und der Höhe der Abgeordnetendiäten.
Das Letzte zum Schluss
BGH zu herausgetragener Vermieterin: Einem Mieter, der zur Verteidigung seines Hausrechts seine Vermieterin aus dem gemieteten Haus trägt, darf nicht fristlos gekündigt werden. Das hat laut FAZ (Timo Frasch) der Bundesgerichtshof entschieden. Die nur geringfügige Überschreitung des Notwehrrechts durch den Mieter rechtfertige auch wegen der Mitschuld der Vermieterin eine Kündigung nicht. Auch spiegel.de berichtet von dem Fall.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie in der Printausgabe oder im jeweiligen E-Paper.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/thd
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. Juni 2014: Ermittlungen zu NSA-Überwachung – BGH zu Anschlusshaftung – Notwehr gegen Vermieterin . In: Legal Tribune Online, 05.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12182/ (abgerufen am: 20.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag