Sie zahlen doch: Mit einer Klausel in der EU-Richtlinie zur Bankenrettung können die Staaten weiter maroden Banken zu Hilfe kommen – auf Kosten des Steuerzahlers. Außerdem in der Presseschau: EGMR zu insolventen Kommunen, Baltasar Garzón in Berlin, kein Shutdown mit dem Grundgesetz und zum Schluss von einem, der, was Strafzettel angeht, an der richtigen Stelle sitzt.
Thema des Tages
Bankenrettung: Das Handelsblatt (Ruth Berschens) erklärt die Pläne des EU-Finanzministerrates zur Bankenrettung. Nachdem die Finanzminister im Juni betont hatten, die Banken sollten künftig stärker selbst für Verluste haften, stößt nun eine Klausel des Richtlinienentwurf auf Kritik. So seien öffentliche Hilfen weiter unbegrenzt möglich, solange die Abwicklung der Bank noch nicht begonnen hat. Das Ziel, die Staaten und damit die Steuerzahler zu entlasten, drohe damit zu scheitern. Am 8. Oktober wollen die EU-Kommission, das Europaparlament und der EU-Finanzministerrat weiter verhandeln.
Jan Hildebrand (Handelsblatt) warnt in einem Kommentar, der Steuerzahler bleibe so "in Geiselhaft". Ein europäischer Abwicklungsfond sei dagegen der richtige Weg, Anteilseigner und Gläubiger der Banken müssten aber stärker beteiligt werden.
Rechtspolitik
Studie zu Internetüberwachung: zeit.de (Kai Biermann) berichtet über eine Studie zur Internetüberwachung durch die USA, Großbritannien und Deutschland. Demnach überwache der Bundesnachrichtendienst Internetkommunikation in ähnlicher Weise wie die US-amerikanischen und britischen Geheimdienste. Die Rechtsgrundlagen seien zu weit gefasst, die demokratische Kontrolle und die juristischen Möglichkeiten gegen Überwachung vorzugehen, seien gering. Die Wissenschaftler forderten deshalb Reformen.
Beurkundungsgesetz: Um Verbraucher vor übereilten Geschäften - etwa dem Kauf von Schrottimmobilien - zu schützen, sollen Notare künftig selbst den Vertragsentwurf an den Käufer versenden und eine zweiwöchige Bedenkfrist bis zur Beurkundung einhalten. Die seit Dienstag gültige Änderung des Beurkundungsgesetzes erklärt der Notar Herbert Grziwotz auf lto.de. Er fordert, Notare müssten sich außerdem zu eigenen Verhaltensregeln verpflichten, um Missbrauch zu verhindern.
Justiz
EGMR zu insolventen Kommunen: Ein Insolvenzrecht für Kommunen, das Gläubiger daran hindert, ihre rechtskräftigen Ansprüche durchzusetzen und in das Kommunalvermögen zu vollstrecken, verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Wie verfassungsblog.de (Maximilian Steinbeis/Wiebke Fröhlich) berichtet, hatten zwei Gläubiger der insolventen süditalienischen Stadt Benevento zwanzig Jahre lang vergeblich versucht, ihre Schadensersatzansprüche einzutreiben – nun sah der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einer Kammerentscheidung ihr Eigentumsrecht und ihr Recht auf ein faires Verfahren verletzt.
VerfGH Berlin zu Heimkindern: Das strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz, das DDR-Opfern Rehabilitierung und Wiedergutmachung ermöglicht, kann auch bei Heimunterbringungen entsprechend anwendbar sein. Das entschied der Berliner Verfassungsgerichtshof, wie die FAZ (Mechthild Küpper) knapp meldet. Den Fall einer Frau, die zwischen 1969 und 1972 in DDR-Jugendheimen untergebracht war, muss nun das Kammergericht Berlin neu verhandeln.
VGH Hessen zu Flugrouten: Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat Klagen der Stadt Offenbach und des Main-Kinzig-Kreises gegen Fluglärm abgewiesen. Der Lärm durch niedrige Flugrouten sei zwar weitgehend unzumutbar, aber aus Sicherheitsgründen gerechtfertigt. Das meldet zeit.de.
LG Berlin zu Wohnungskündigung: Nachdem das Landgericht Berlin entschieden hat, dass ein Vermieter die Wohnung kündigen darf, weil er sie für gelegentliche Besuche bei seiner Tochter nutzen möchte, hofft Wolfgang Janisch (SZ), der Bundegerichtshof werde solche Urteile künftig kassieren. Der Schutz vor "allzu freihändigen Eigenbedarfskündigungen" sei das "Herz des Mietrechts".
NSU-Prozess – Zeugenaussagen: Im NSU-Prozess vor dem Oberlandegericht München hat am Dienstag der Vater des getöteten Halit Yozgat ausgesagt. Ismail Yozgat hatte seinen Sohn im April 2006 blutüberströmt hinter dem Tresen des Kasseler Internetcafés gefunden, das der Familie gehörte. Bei seiner Zeugenaussage verlor er zeitweise die Fassung. Befragt wurde außerdem der Verfassungsschützer Andreas T., der sich kurz vor der Tat in dem Internetcafé aufhielt, offenbar um in einem Flirtportal zu chatten. Von dem Mord hat er angeblich nichts mitbekommen. spiegel.de (Gisela Friedrichsen) und die SZ (Tanjev Schultz) berichten ausführlich.
NSU-Prozess – Interview mit Rechtspsychologe: zeit.de (Tom Sundermann) führt ein Interview mit dem Rechtspsychologen Günter Köhnken, nachdem im NSU-Prozess mehrfach Zeugen aufgetreten sind, die Beate Zschäpe gesehen haben wollen, sich aber erst nach Jahren wieder daran erinnern. Köhnken erklärt, wie sich die Glaubwürdigkeit von Zeugen feststellen lässt.
Wulff-Prozess - Zeugenliste: Das Landgericht Hannover will im Prozess gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff 45 Zeugen anhören und das Verhältnis zu dem Filmproduzenten David Groenewold umfassend aufklären, so spiegel.de (Michael Fröhlingsdorf(Martin U. Müller). Wulff ist wegen Vorteilsnahme angeklagt, es wurden 22 Verhandlunsgtage angesetzt.
Anwaltliche Schockwerbung: Der Rechtswissenschaftler Christian Deckenbrock befasst sich auf lto.de mit dem Streit um die Schockwerbung eines Anwalts, der auf Kaffeetassen unter anderem Szenen eines Suizidversuches zusammen mit einem Werbespruch für anwaltliche Hilfe drucken will. Die Rechtsanwaltskammer hält das für unzulässig, der Anwaltsgerichtshof hat die Beschwerde des Anwalts abgewiesen. Deckenbrock kritisiert vor allem, dass der Anwaltsgerichtshof kein Rechtsschutzinteresse erkennen wollte.
Anwalt für Polizeiopfer: Ein offensichtlich verwirrter Mensch mit einem Messer, der von der Polizei erschossen wird – in Berlin gab es voriges Jahr gleich zwei solche Fälle, die für Aufsehen sorgten. Der Rechtsanwalt Hubert Dreyling vertritt die Familien der beiden Opfer, die taz (Haiko Prengel) berichtete über seine Bemühungen, die Beamten vor Gericht zu bringen. Während in einem Fall noch Ermittlungen laufen, hat Dreyling in dem anderen Fall Beschwerde gegen die Einstellung eingelegt. Die Polizei beruft sich auf Notwehr.
Recht in der Welt
Baltasar Garzón in Berlin: Der spanische Richter Baltasar Garzón hat in Berlin über die Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesprochen. Garzón hatte 1998 den Haftbefehl gegen den früheren chilenischen Diktator Pinochet ausgestellt und später seinen Posten verloren, weil er zu Verbrechen des Franco-Regimes ermitteln wollte. Die taz (Wolf-Dieter Vogel) berichtet.
Großbritannien – ungeliebte EMRK: Heinrich Wefing (Die Zeit) kommentiert die Äußerungen des britischen Premiers David Cameron, Großbritannien könnte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention austreten. Da Großbritannien keine geschriebene Verfassung besitzt, habe die EMRK dort eine besondere Bedeutung, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe den Staat mehrfach zurecht gewiesen. Wefing mahnt, die EMRK gelte es zu verteidigen, ein Austritt sei "ein Stück westlicher Selbstaufgabe".
Schweiz – direkte Demokratie: Dominik Elser erläutert auf juwiss.de die staatsrechtlichen Grundlagen für Volksabstimmungen in der Schweiz. Am 22. September wurden dort über eine Volksinitiative zur Aufhebung der Militärdienstpflicht, ein Gesetz zum Schutz vor Epidemien und eine Lockerung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen für Tankstellenshops abgestimmt.
Sonstiges
Kein Shutdown mit dem Grundgesetz: Die USA sind im Haushaltsnotstand und schicken 800.000 Mitarbeiter in den Zwangsurlaub. Warum ein solcher Government Shutdown in Deutschland nicht eintreten kann, erklärt spiegel.de: Das Grundgesetz gibt der Regierung mehr Befugnisse in Notsituationen.
Haftungsrisiken bei Internet-Angriffen: Auf der "Recht und Steuern"-Seite der FAZ befassen sich die Rechtsanwälte Stefan Schuppert und Markus Burckhardt mit den Haftungsrisiken für Unternehmen bei Angriffen auf ihre IT-Systeme. Der Diebstahl von Kundendaten oder Geschäftsgeheimnissen Dritter, aber auch die Weiterverbreitung von Viren, können zu Schadensersatzklagen führen.
Das Letzte zum Schluss
Strafzettel nur für die anderen: Jean-Jacques Debacj soll mit seinem Dienstwagen in den letzten zwei Jahren mindestens zwölf Strafzettel in Höhe von rund 700 Euro gesammelt und aus Steuergeldern bezahlt haben. Praktisch: Der Mann ist französischer Staatsbeamter und leitet die Bußgeldstelle, die für Geschwindigkeitsbegrenzungen und Falschparken zuständig ist. Das berichtet Die Welt (Sascha Lehnartz).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Am Freitag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ak
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 2. Oktober 2013: Der Staat hilft den Banken – Kommunen müssen zahlen können – Kein Shutdown mit dem GG . In: Legal Tribune Online, 02.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9723/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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