Das BVerfG erklärt die Erbschaftsteuer für teilweise verfassungswidrig. Außerdem in der Presseschau: TiSA, der unbekannte Bruder, Fehler beim Setzen der Hamas auf die Terrorliste, Sperrbezirksverordnung vor dem BVerwG, Weltrechtsprinzip und CIA-Folter, wie die Geschworenen im Fall Diren Dede entschieden und wer dem Handelsblatt ein Postkarte schrieb.
Thema des Tages
BVerfG zu Erbschaftsteuer: Das Bundesverfassungsgericht hat das Erbschaftsteuerrecht wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz teilweise für verfassungswidrig erklärt. Zwar können zum Arbeitsplatzerhalt Firmenerben gänzlich von der Steuer befreit werden, die bisherigen Regeln sind jedoch zu weitreichend. Steuerprivilegien für Unternehmenserben bedürfen einer strengen Bindung an den Arbeitsplatzerhalt. Außer bei Betrieben mit nur "einigen wenigen Beschäftigten" muss künftig generell der Erhalt der Arbeitsplätze nachgewiesen werden. Im Fall von Großbetrieben muss künftig nachgewiesen werden, dass die Zahlung der Erbschaftsteuer Arbeitsplätze gefährden kann. Nur betriebsnotwendiges darf geschont werden, nicht sogenanntes Verwaltungsvermögen. Auch die vielfältigen "Gestaltungsmöglichkeiten" zur Umgehung bestehender Regelungen kritisierte das Gericht scharf. Bis Ende Juni 2016 hat der Gesetzgeber Zeit für eine Neuregelung. Die zukünftigen Regelungen dürfen rückwirkend nur bis zum gestrigen Mittwoch in Kraft gesetzt werden. Ob eine umfassende Reform folgt oder nur eine Fehlerbehebung ist ausdrücklich dem Gesetzgeber überlassen. Finanzminister Schäuble hat bereits Letzteres angekündigt. Es berichten unter anderem die SZ (Wolfgang Janisch), die taz (Christian Rath), der Tagesspiegel (Ursula Knapp), spiegel.de (David Böcking) und der Fachanwalt für Erbrecht Alexander Knauss auf lto.de.
Reinhard Müller (FAZ) weist auf das Sondervotum hin, das auf das Sozialstaatsprinzip abstellt, meint aber, dessen Realisierung durch Vermeidung eines Auseinanderdriftens der Gesellschaft sei Aufgabe der Politik. Auch Christian Bommarius (Berliner Zeitung) sieht den Gesetzgeber in der Pflicht der Sozialverpflichtung des Eigentums zu Geltung zu verhelfen. Das Urteil könne aber wenigstens ein Schritt in die richtige Richtung sein. Heribert Prantl (SZ) meint, es hätte insgesamt weit grundsätzlicher zugehen können. Eine Hervorhebung der Gerechtigkeitsdimension der Erbschaftsteuer könnte gegen die nun sicher folgenden Abschaffungsforderungen hochgehalten werden. Christian Rath (taz) meint, die Richter seien dem Märchen der Liquiditätsengpässe aufgesessen und hätten so nur "Sozialkosmetik" betreiben können.
Rechtspolitik
PKW-Maut-Entwurf beschlossen: Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zur Pkw-Maut und gleichzeitig den zur Kfz-Steuer beschlossen. Nun werden die Kritikpunkte von Unionsrechtsverstößen über zukünftige Mehrbelastung deutscher Autofahrer bis hin zu Datenschutzfragen in die nächste Runde - die Debatte im Bundestag - getragen, wie unter anderem die FAZ (enn) und die Welt (Matthias Kamann) berichten. Ein Kurzüberblick zur Regelung findet sich in der taz.
Datenschutzprobleme durch TiSA: TiSA, Agreement on Trade in Services, ist der "unbekannte Bruder" des TTIP und soll Dienstleistungen liberalisieren. Kritiker befürchten, nach bekannt gewordenen Informationen über den Inhalt der beabsichtigten Regelung, eine massive Kollision mit europäischem Datenschutz. Unterzeichnerstaaten sollen danach keinem Dienstleistungsunternehmen untersagen können, Daten aller Art über Landesgrenzen zu schaffen, melden die SZ (aha) und netzpolitik.org (Anna Biselli).
Neuordnung der Datenschutzbehörde: Am heutigen Donnerstag soll das Gesetz zur Neuordnung der Bundesdatenschutzbehörde vom Bundestag verabschiedet werden. Das stark kritisierte Erfordernis eines "Einvernehmens" mit der Bundesregierung, für eine Aussage vor Gerichten oder Ausschüssen durch die Bundesdatenschützerin, ist in ein "Benehmen" geändert. Der vom Europäischen Gerichtshof geforderten Unabhängigkeit der Datenschützer werde das immer noch nicht gerecht, sagen die Kritiker laut SZ (kler).
Justiz
EuGH zu Hamas auf Terrorliste: Mangels hinreichender Begründung der Entscheidung, die Hamas auf die sogenannte Terrorliste der EU zu setzen, hat der Europäische Gerichtshof die Entscheidung wegen Verfahrensverstoßes für rechtswidrig erklärt, berichten zeit.de und spiegel.de. Binnen drei Monaten ist der Fehler zu beheben oder Rechtsmittel einzulegen, sonst ist die Hamas von der Liste zu streichen. Die Strafmaßnahmen gegen die Organisation bleiben zwischenzeitlich in Kraft.
BVerwG zu Sperrbezirksverordnungen: Das Bundesverwaltungsgericht gab der Stadt Frankfurt recht, die einem Hausbesitzer die Vermietung an ein Erotik-Massagestudio auf Grundlage einer Sperrbezirksverordnung untersagt hatte. Der Verwaltungsgerichtshof in Kassel hatte in der Vorinstanz bemängelt, dass konkrete Belästigungen der Öffentlichkeit nicht nachgewiesen und daher ein legales Gewerbe nicht untersagt werden dürfe. Dem BVerwG genügte die besondere Schutzbedürftigkeit des Gebietes vor "millieubedingter Unruhe" wegen einer Schule, zweier Kindertagesstätten und einem angrenzenden Wohngebiet. Es berichten spiegel.de und FAZ (Helmut Schwan).
BVerwG zu Samstagsladenschluss: Mit jetzt bekannt gewordenem Beschluss vom 4. Dezember hat des Bundesverwaltungsgericht bestätigt, dass es verfassungswidrig ist, Arbeitnehmer nach 24 Uhr zu beschäftigen, wenn der anbrechende Tag ein Sonn- oder Feiertag ist, meldet lto.de. Für Supermärkte sind Öffnungszeiten Samstags bis 24 Uhr damit nicht mehr möglich, da die Tätigkeit der Angestellten nicht mit Ladenschluss beendet ist.
AG München zu Türsteherrassismus: Das Amtsgericht München sprach einem dunkelhäutigen Kläger 500 Euro Schmerzensgeld zu und Verurteilte die Beklagte es zu unterlassen, dem Kläger "wegen seiner 'Rasse' oder ethischen Herkunft" den Zutritt in die von der Beklagten betriebene Discothek zu verweigern, melden spiegel.de und lto.de.
LG Lüneburg – verkaufte Examenslösungen: Der Prozess gegen den Richter Jörg L., der als Referatsleiter im Justizprüfungsamt Niedersachsen Examenslösungen an Referendare verkauft haben soll, hat am gestrigen Mittwoch begonnen. Die Anklage wirft ihm Bestechlichkeit – in sechs Fällen in besonders schwerem Fall –, Verletzung des Dienstgeheimnisses und versuchte Nötigung vor. Die Verhandlung ist auf 56 Termine angesetzt und soll am 30. Dezember weitergehen. Es berichten der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof), die SZ (Thomas Hahn) und die FAZ (Reinhard Bingener).
CIA-Folter vor deutscher Justiz? Die rund 500-seitige gekürzte Fassung des CIA-Folterberichts wird von der Bundesanwaltschaft auf Anhaltspunkte für Ermittlungsverfahren geprüft. Der Generalbundesanwalt will nun den kompletten Bericht anfordern, melden die SZ und spiegel.de.
Die Zeit (Jochen Bittner/Jörn Lau) wirft die Frage auf, ob sich die deutsche Justiz nun der Folter im "Krieg gegen den Terror" annehme. Wie weit soll Verfolgung von Menschenrechtsverbrechen nach dem Weltrechtsprinzip gehen, auch im Hinblick auf die durch Präsident Obama angeordneten Drohnentötungen? Wie kann Deutschland aber sonst als Menschenrechtsverfechter glaubwürdig bleiben?
Rechtsanwalt und Generalsekretär des ECCHR Wolfgang Kaleck fordert auf zeit.de, dass die Justiz endlich deutlich tätig werden müsse.
LG Stuttgart – Winnenden-Prozess: Im Verfahren gegen die Eltern des Amokschützen von Winnenden hat die Stadt dem Vergleichsvorschlag des Landgerichts Stuttgart zugestimmt. Danach soll sie vom Versicherer der Eltern 400.000 Euro erhalten anstelle der eingeklagten 5,4 Millionen. Eltern und Versicherer müssen noch zustimmen, meldet die FAZ (rso).
OLG München – NSU: Das Oberlandesgericht München hat im NSU-Prozess der Vernehmung des vom Anwalt der Nebenkläger Yozgat beantragten Zeugen zugestimmt. Dieser soll Kontaktpersonen von Mundlos und Böhnhart in Kassel benennen können, berichtet spiegel.de (Gisela Friedrichsen). Von dem möglichen weiteren Anschlag des Trios in Nürnberg 1999 berichtet nun auch zeit.de (Tom Sundermann).
Recht in der Welt
USA – Diren Dede: Im Prozess um den Tod des deutschen Austauschschülers Diren Dede verurteilte das Geschworenengericht den Schützen wegen Mordes. Das Strafmaß wird im Februar festgesetzt, berichtet zeit.de. Die SZ (Hans Holzhaider) gibt einen abschließenden Überblick über die Akteure im Gericht und den Prozess.
Österreich – BayernLB: Die BayernLB hat angekündigt Österreich verklagen zu wollen. Das Land hatte Garantien für Kredite übernommen, die die BayernLB bei der Verstaatlichung der Hypo Alpe Adria als "Mitgift" dem später bankrotten Institut belassen hatte. Die BayernLB sieht die Garantien als ausgelöst, meldet die SZ.
Sonstiges
Soldatenentsendung in Irak: Das Bundeskabinett hat die Entsendung von 100 Soldaten auf eine Ausbildungsmission in den Irak beschlossen, meldet lto.de. Die Berechtigung zur Entsendung ohne Beschluss des Bundestages ist weiter umstritten und muss zwar nach Stefan Braun (SZ) nicht vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, sei aber jedenfalls "kühn".
Das Letzte zum Schluss
Eine Karte von Bernie: Das Handelsblatt (Thomas Tuma) erhielt eine Postkarte von Bernie Ecclestone, auf der war ein maskierter Wegelagerer auf einem Pferd abgebildet, der eine Pistole auf einen mit einem Geldsack von einer Million bepackten Bernie Ecclestone richtete und rief: "Das ist kein Überfall. Ich sammle für den bayerischen Staat!". Ecclestone habe friedvolle Weihnachten in dieser chaotischen Welt gewünscht.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. Dezember 2014: Erbschaftsteuer verfassungswidrig – Verfahrensfehler bei Terrorliste – Urteil im Fall Diren Dede . In: Legal Tribune Online, 18.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14151/ (abgerufen am: 08.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag