Die Expertenkommission, welche Justizminister Heiko Maas zur Weiterentwicklung des Sexualstrafrechts eingesetzt hatte, hat ihren Abschlussbericht vorgelegt. Die Experten fordern zahlreiche Änderungen.
2015 hatte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eine Kommission aus zahlreichen renommierten Juristen damit beauftragt, den 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches (StGB), das Sexualstrafrecht, genau unter die Lupe zu nehmen und auf Verbesserungsmöglichkeiten zu überprüfen. Dann kam die Kölner Silvesternacht und plötzlich wurden die Reformen vorangetrieben, ohne das Votum der Experten abzuwarten.
Am Mittwoch hat die Kommission nun ihren Abschlussbericht übergeben. Dieser legt nahe, dass es mit den neuesten Änderungen mitnichten getan ist. In ihrem 1.400 Seiten starken Abschlussbericht raten die Experten zu umfangreichen Änderungen, unter anderem einer Überarbeitung der jüngsten Reform, mit der das Prinzip "Nein heißt Nein" festgeschrieben wurde.
Nach der Reform sind für eine Strafbarkeit weder Gewalt noch Gewaltandrohung beim Sex nötig. Es soll ausreichen, wenn sich der Täter über den "erkennbaren Willen" des Opfers hinwegsetzt. Dann drohen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Neu ist auch ein Straftatbestand der sexuellen Belästigung. Unter Strafe gestellt wurden zudem Straftaten aus einer Gruppe heraus wie bei den Übergriffen in Köln.
"Druck verschiedener Gruppen" führte zu eiliger Reform
Der Tübinger Juraprofessor und Mitglied der Kommission, Jörg Eisele, erklärte, es wäre "sinnvoll gewesen, den Abschlussbericht abzuwarten". Aufgrund des Drucks "verschiedener gesellschaftlicher Gruppen" sei es letztlich aber zu einer zügigen Reform des Vergewaltigungstatbestands gekommen.
"Die Reform hat die meisten Regelungslücken geschlossen", sagte Eisele, allerdings seien die Erwartungen zu hoch gewesen, etwa bei der Ahndung sexueller Übergriffe. "Wir werden im Einzelfall immer Schwierigkeiten bei der Beweisführung nach einem sexuellen Übergriff haben. Es sind nun etwa keine Gewaltspuren mehr erforderlich. Um den entgegenstehenden Willen zu bekunden, reicht ein erkennbares 'Nein' aus. Aber wenn es ein Nachweisproblem gibt, gilt der Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten." An einigen Stellen seien noch Nachbesserungen nötig.
Generell brauche es größere Änderungen in diesem Gesetzesbereich, so Eisele: "Das Sexualstrafrecht stammt in größeren Teilen noch aus den 70er-Jahren, deshalb ist noch eine größere Reform notwendig." Bei der Verbreitung von Pornografie zum Beispiel liege der Schwerpunkt des Gesetzes auf Druckzeitschriften und Filmvorführungen. "Das hat praktisch kaum noch Relevanz."
Maas bekräftig Sinnhaftigkeit der letzten Reformen
Des Weiteren rät die Kommission in ihrem Bericht zur Auflösung von Wertungswidersprüchen z. B. bei Schutzaltersgrenzen und Strafrahmen, der Streichung überholter Straftatbestände, wie z. B. das Kuppeleiverbot aus § 180 Abs. 1 StGB oder der Neufassung oder Zusammenfassung von Straftatbeständen, u. a. für die Prostitutionsdelikte.
Ressortchef Maas sagte, im Sexualstrafrecht sei in den vergangenen Jahren vieles verändert worden. "Und da gibt es auch Unwuchten, die entstanden sind. Das systematisch noch einmal stärker aufeinander abzustimmen, ist sicherlich eine Aufgabe für eine Reform des Sexualstrafrechts in der nächsten Legislaturperiode." Der Abschlussbericht der Kommission sei dafür eine gute Grundlage.
Nichtdestotrotz seien auch die Reformen in der aktuellen Wahlperiode, die von Experten mitunter heftig kritisiert wurden, richtig gewesen, so Maas.
mam/LTO-Redaktion/dpa
Expertenkommission übergibt Bericht: . In: Legal Tribune Online, 19.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23511 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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