Druckversion
Freitag, 2.06.2023, 17:53 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/ovg-muenster-13b1518-vg-osnabrueck-3b7620-sperrstunde-gastronomie-coronavirus/
Fenster schließen
Artikel drucken
43223

Sperrstunden in der Gastronomie: Gast­wirte ver­lieren in NRW, gewinnen in Osn­a­brück

27.10.2020

Eine Bartheke mit Gläsern.

 IDRN - stock.adobe.com

Die Sperrstunde für Kneipen wird bisher von den Gerichten unterschiedlich beurteilt. Während in NRW eine mögliche Verlangsamung des Infektionsgeschehens das Verbot rechtfertigt, reicht das den Richtern in Osnabrück nicht aus.

Anzeige

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hat die Sperrstunden für Gaststätten und Bars in Risikogebieten in Nordrhein-Westfalen bestätigt. Die Regel der Landesregierung in der seit dem 17. Oktober gültigen Corona-Schutzverordnung sei rechtmäßig, wie das OVG am Montag mitteilte. Das Verbot des Alkoholverkaufs zwischen 23.00 und 6.00 Uhr diene dem legitimen Zweck, die Weiterverbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Die Sperrstunden leisteten einen Beitrag zur Kontaktreduzierung, heißt es in der Begründung des OVG. Der Beschluss ist nicht anfechtbar (Beschl. v. 26.10.20, Az. 13 B 1581/20.NE).

Nach Ansicht des 13. Senats droht die Weiterverbreitung des Coronavirus wegen fehlender Nachverfolgungsmöglichkeiten außer Kontrolle zu geraten. Das gegenwärtige Infektionsgeschehen sei durch ein rapides Ansteigen der Infektionszahlen gekennzeichnet. Die von den Antragstellern angegriffenen Verbote seien geeignet, dieses zu verlangsamen, heißt es in einer Mitteilung des OVG. Durch die Sperrstunden würden Begegnungen von wechselnden Gästegruppen auch nach 23.00 Uhr auf dem Weg von und zu den Gaststätten verhindert. Das Alkoholverbot diene dazu, eine weitere Ausbreitung durch die enthemmende Wirkung von Alkohol zu verhindern. Außerdem würden die bestehenden Hygiene- und Infektionsschutzstandards nichts daran ändern, dass ohne die Sperrstunde eine Vielzahl von Menschen in schlecht gelüfteten Räumen aufeinandertreffen.

Die Sperrstunden greifen nach Ansicht der obersten Verwaltungsrichter zwar erheblich in die Berufsfreiheit der Gastronomen ein. Die verschärften Regeln seien aber auch im Interesse der Kläger, damit die Betriebe zumindest in der Zeit von 6.00 bis 23.00 Uhr geöffnet bleiben könnten. 

Die Entscheidung fiel in einem Normenkontroll-Eilverfahren von 19 Antragstellern, die in Bonn, Köln und im Rhein-Sieg-Kreis Gaststätten betreiben. Weitere Klagen von weiteren Gastronomen aus Bochum, Duisburg, Essen, Dortmund, Hemer (Märkischer Kreis) und Düsseldorf sind am OVG anhängig. Ein Verfahren wird vom Branchenverband Dehoga unterstützt. Mit der Beantwortung der Rechtsfrage zur Corona-Schutzverordnung durch das OVG sind die weiteren Verfahren nicht automatisch erledigt. Die Antragsteller müssten ihre Eilverfahren zurückziehen.

"Maßnahmen müssen auf Fakten basieren"

Der Hotel- und Gaststättenverband NRW zeigte sich in einer Stellungnahme enttäuscht von der Entscheidung des OVG. "Für uns ist und bleibt die Einführung einer Sperrstunde unverhältnismäßig. Die vage Aussicht, dass sich das Infektionsgeschehen dadurch verbessern könnte, reicht uns weiterhin nicht aus. Maßnahmen müssen auf Fakten basieren", sagte Bernd Niemeier, Präsident des NRW-Verbandes.  

Niemeier verweist auf Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI), nach dem die Hauptursache für das gestiegene Infektionsgeschehen im privaten Bereich liege. Demnach ließen sich nur 1,6 Prozent der Infektionen dem Gastgewerbe zuordnen. "Solange die Zahlen so klar sind, aber sich die Politik nicht traut, den privaten Bereich stärker zu reglementieren, dürfen weitere Beeinträchtigungen nicht über uns abgeladen werden", sagt der Dehoga-Präsident. 

Osnabrück: Infektionsgeschehen auf private Feiern zurückzuführen

Anders als das OVG NRW sieht es das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück. Es hat einen Eilantrag eines Osnabrücker Gaststättenbetreibers gegen die in der niedersächsischen Corona-Verordnung geregelte Sperrstunde stattgegeben (Beschl. v. 26.10.20, Az. 3 B 76/20). Der Kläger darf nach der Entscheidung vom Montag seine Gaststätte deshalb vorläufig auch in der Zeit von 23.00 bis 6.00 Uhr öffnen, wie das Gericht am Montag mitteilte. Für andere Gastwirte gelte dies nicht, da es sich nicht um eine Entscheidung in einem vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) zu führenden Normenkontrollverfahren handele.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Kammer aus, die Sperrzeitregelung sei nicht von einer Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Die als Generalklausel ausgestaltete und herangezogene Regelung des § 28 Abs. 1 IfSG gelte nach ihrem Wortlaut nur für "notwendige Schutzmaßnahmen" und nehme daher Bezug auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Misst man die Sperrstundenregelung daran, dann fehle die Erforderlichkeit. Insbesondere nach den von der Kammer ausgewerteten Daten des Robert-Koch-Instituts habe sich bislang nicht abgezeichnet, dass es in Gastronomiebetrieben mit entsprechendem Hygienekonzept zu einem nennenswerten Anstieg der Infektionszahlen gekommen sei, hieß es. Vielmehr komme dem Infektionsumfeld "Speisestätten" nur eine untergeordnete Bedeutung im Vergleich zu Fallhäufungen im Zusammenhang mit größeren (privaten) Feiern zu.

Bereits am Freitag hatte das Verwaltungsgericht Osnabrück die Sperrstunden-Anordnung der Stadt gekippt, weil sie nach Ansicht der Richter unverhältnismäßig ist. Die Beschlüsse von Freitag und Montag sind noch nicht rechtskräftig. Gegen die Sperrstunden-Verordnung des Landes liegen dem OVG in Lüneburg drei Eilanträge vor. 

In Berlin wurde die dortige Sperrstunde bereits vom VG vorerst suspendiert. 

dpa/pdi/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Sperrstunden in der Gastronomie: Gastwirte verlieren in NRW, gewinnen in Osnabrück . In: Legal Tribune Online, 27.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43223/ (abgerufen am: 02.06.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Verwaltungsrecht
    • Alkohol
    • Coronavirus
    • Gaststättenrecht
    • Gesundheit
  • Gerichte
    • Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
    • Verwaltungsgericht Osnabrück
24.05.2023
Coronavirus

VG Minden zu geimpfter Lehrerin:

Impf­schaden ist kein Dien­st­un­fall

Eine Lehrerin, die Corona-Impfschäden erlitten hat, kann kann diese nicht als Dienstunfall geltend machen, so das VG. Der Dienstherr habe die Impfung nicht angeordnet und das private Interesse an einem frühen Impfschutz habe überwogen.

Artikel lesen
23.05.2023
Volksverhetzung

Ikone der "Querdenker":

Bhakdi vom Vor­wurf der Volks­ver­het­zung frei­ge­spro­chen

Unter Applaus und Jubel seiner Anhänger erscheint der wegen Volksverhetzung angeklagte Mediziner und Autor Sucharit Bhakdi am AG in Plön. Am Abend wurde er freigesprochen.

Artikel lesen
02.06.2023
Drogen

Niederländische Gerichtsentscheidung:

Ver­haf­tete Star-Anwältin Weski wieder frei

Eine der bekanntesten Strafverteidigerinnen der Niederlande wird aus der Haft entlassen. Sie soll in einem Drogenmafia-Prozess Nachrichten in und aus einem Hochsicherheitsgefängnis geschleust haben. Weski schweigt erst einmal.

Artikel lesen
02.06.2023
Karriere-News

Jobs der Woche | KW 23:

Der Juni grüßt mit neuen Jobs - auch Remote

In unseren Jobs der Woche ist für jeden etwas dabei: Dieses Mal suchen u.a. die DAHAG Rechtsservices AG, OBI-Unternehmensgruppe oder das Robert Koch-Institut Eure Verstärkung. Und übrigens: auf Instagram und LinkedIn findet Ihr täglich noch mehr...

Artikel lesen
31.05.2023
Extremismus

OLG Dresden urteilt im Linksextremismus-Prozess:

Über fünf Jahre Haft­strafe für Lina E.

Nach 99 Prozesstagen hat das OLG Dresden das Urteil im Fall Lina E gesprochen. Die Studentin muss für fünf Jahre und drei Monate in Haft, weil sie und Mitangeklagte Personen aus der rechten Szene zusammengeschlagen haben sollen.

Artikel lesen
01.06.2023
Justiz

Gericht zu rechtsextremem Referendar:

Wenn Ver­fas­sungs­feinde zu Juristen aus­ge­bildet werden

In Sachsen darf ein Rechtsextremer ins Referendariat, obwohl das Land dagegen Gesetze verschärft hat. Der Verfassungsgerichtshof hat den Weg frei gemacht, ein VG folgt zähneknirschend. Warum scheint die Justiz so hilflos?

Artikel lesen
TopJOBS
Ju­rist*in (m/w/d) – Sach­ge­biets­lei­tung der Schwer­be­hin­der­ten­s­tel­le

Stadt Köln , Köln

Ers­te Stadträ­tin / Ers­ter Stadt­rat (m/w/d)

Magistrat der Stadt Bad Nauheim , Bad Nau­heim

Chief Pro­duct Ma­na­ger - di­gi­ta­les Pro­dukt­ma­na­ge­ment WKO (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Stu­den­ti­sche Aus­hil­fen (w/m/d)

Johlke Niethammer & Partner , Ham­burg

Rechts­an­walt m/w/d Ver­wal­tungs­recht / Bau­pla­nungs­recht /...

iuscomm Rechtsanwälte - Schenek und Zimmermann Partnerschaftsgesellschaft mbB , Stutt­gart

PRAK­TI­KAN­TEN (M/​W/​D) AR­QIS SUM­MER SCHOOL 2023

ARQIS , Düs­sel­dorf

Probe­rich­te­rin/Probe­rich­ter (w/m/d)

Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern , Schwe­rin

Rich­ter/in auf Pro­be (m/w/d)

Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Sachsen-Anhalt , Mag­de­burg

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
Workshop-Reihe "Experience the Deal – 2023 Edition! Teil 1: Winning & Structuring the Deal"

17.06.2023, Frankfurt am Main

Montagskaffee: Fürs Netzwerken kein Talent?

05.06.2023

Fortbildung Medizinrecht im Selbststudium/online

05.06.2023

Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung

05.06.2023

Wertermittlung durch Schiedsgutachten – Wirksames Mittel zur Streitvermeidung und -beilegung oder wi

06.06.2023

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH