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Mollath legt Rechtsmittel ein: Revision gegen einen Freispruch?

von Pia Lorenz

22.08.2014

Gustl Mollath

Bild: Michaela Rehle / POOL / AFP

Vor kurzem wurde Gustl Mollath vom LG Regensburg im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen. Das Gericht war allerdings überzeugt, dass er seine Frau geschlagen und gewürgt hatte. Am Donnerstag hat Mollath Rechtsmittel gegen diesen "Freispruch zweiter Klasse" eingelegt. Wie viel Aussicht auf Erfolg hat eine Revision gegen einen Freispruch, zumal im Wiederaufnahmeverfahren? 

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Gustl Mollath hat durch seinen neuen Anwalt Rechtsmittel gegen das kürzlich ergangene Urteil des Landgerichts (LG) Regensburg eingelegt.

Das Gericht hatte ihn im Wiederaufnahmeverfahren, wie nicht anders möglich, freigesprochen. Eine ihm zur Last gelegte Freiheitsberaubung sowie eine Sachbeschädigung durch Zerstechen von Reifen sah die Kammer nicht als erwiesen an. Das Gericht ist aber davon überzeugt, dass Mollath seine Ex-Frau misshandelt und damit eine schwere Körperverletzung tatbestandlich verwirklicht hat. Allerdings hat das LG Zweifel, ob er zur Tatzeit schuldhaft handelte.

Ob in diesem Fall eine Revision möglich ist, wird der Bundesgerichtshof (BGH) klären müssen. Das LG Regensburg als das Gericht, dessen Urteil angegriffen wird, entscheidet nur über die in § 346 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) aufgeführten evidenten Zulässigkeitsmängel. Über die Zulässigkeit im Übrigen und die Begründetheit entscheidet der BGH als Revisionsgericht. 

Dabei wird es vor allem darum gehen, ob der 57-Jährige überhaupt Revision einlegen kann, obgleich das LG Regensburg ihn freigesprochen hat. Voraussetzung für die erfolgreiche Einlegung eines Rechtsmittels ist nämlich, dass der Einlegende durch die Entscheidung des Tatgerichts beschwert ist. Gustl Mollath empfindet das sicherlich so. Nach Medienangaben sieht er seinen Freispruch als solchen "zweiter Klasse" an.

Es gibt keinen Freispruch zweiter Klasse

In der Tat musste die Regensburger Kammer den Nürnberger schon deshalb freisprechen, weil er im Wiederaufnahmeverfahren zu seinen Gunsten nicht schlechter gestellt werden darf als im Ursprungsverfahren. Im Jahr 2006 aber war er freigesprochen worden - nicht, weil das Gericht davon ausgegangen wäre, dass er die ihm zur Last gelegten Taten nicht begangen hätte, sondern, weil es ihn für schuldunfähig erklärt und daraufhin in die Psychiatrie eingewiesen hatte.

Grundsätzlich gibt es aber mangels Beschwer keine Revision gegen ein freisprechendes Urteil. Der medial gern zitierte "Freispruch zweiter Klasse" existiert rechtlich gesehen nicht. Nach der bisherigen Rechtsprechung dient das Strafverfahren der Feststellung, ob ein Angeklagter schuldig ist. Sein Zweck ist es hingegen nicht, Menschen sozial und medial zu rehabilitieren.  

Ob der Angeklagte beschwert ist, ergibt sich daher allein aus dem Tenor des Urteils, nicht aber aus dessen Gründen. Ein Freispruch - und nur ihn enthält der Tenor - aber ist eben nichts Beschwerendes. Nicht einmal die Kostenentscheidung der Regensburger Richter lässt irgendeine Annahme zu seinen Lasten erkennen, sämtliche Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens trägt die Staatskasse.

Ob nicht erwiesen oder unzurechnungsfähig - Freispruch ist Freispruch

Selbst wenn Mollath, dessen neuer Verteidiger Adam Ahmed am Freitag für LTO ebenso wenig zu erreichen war wie das LG Regensburg, vollumfänglich Revision gegen das Urteil der bayerischen Richter eingelegt haben sollte, dürften seine Chancen gering sein. 

Einen Freispruch wegen nicht erwiesener Schuld des Angeklagten hielt schon das Reichsgericht für nicht beschwerend, der BGH hat diese Rechtsprechung bislang stets aufgegriffen. Bereits in den 60er Jahren entschied Karlsruhe, dass selbst ein Angeklagter, der wegen Unzurechnungsfähigkeit freigesprochen wurde, nichts gegen die Entscheidung tun kann, wenn das ihn verurteilende Tatgericht offen gelassen hat, ob der Tatbestand der gegen ihn erhobenen Vorwürfe überhaupt erfüllt war.

Kann - einmal mehr - im Fall Gustl Mollath alles anders sein? Denkbar wäre das eigentlich nur dann, wenn man auf die Besonderheit des Wiederaufnahmeverfahrens abstellen wollte - also darauf, dass Mollath freigesprochen werden musste, weil man ihn nicht schlechter stellen konnte als im Ausgangsverfahren.

Ein ganz normaler Freispruch

Das Verschlechterungsverbot im Wiederaufnahmeverfahren hat für den jetzigen Freispruch aber offenbar keine Rolle gespielt. Die Akten liegen beim LG Regensburg, das sein Urteil noch nicht einmal abgefasst hat. Mollath musste binnen Wochenfrist Revision einlegen, begründen kann er diese erst später. Bislang gibt es nur die Pressemitteilung des Gerichts. Aus dieser ergibt sich mit keinem Wort, dass der Grund für den Freispruch des heute 57-Jährigen das Verschlechterungsverbot des § 373 StPO gewesen wäre.

Der Freispruch beruht vielmehr in Teilen darauf, dass die Richter Taten für nicht nachweisbar hielten. In Bezug auf die Misshandlung seiner Ehefrau konnte die Kammer nicht ausschließen, dass Mollath bei Begehung der Tat schuldunfähig war. Zu seinen Gunsten sprachen sie ihn daher frei. Mit dem Verschlechterungsverbot oder sonstigen Besonderheiten des Wiederaufnahmeverfahrens, die eine Abweichung von der bisherigen Beschwer-Rechtsprechung rechtfertigen könnten, hat das erst einmal nichts zu tun.

Vielleicht kann man aber in einem Ausnahmefall wie dem von Gustl Mollath von einem gesteigerten Rehabilitationsinteresse sprechen. Vielleicht könnte seine Geschichte, die zum Inbegriff des Justizirrtums wurde, eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung rechtfertigen. Vielleicht wird sein Kampf für diese Rehabilitation ihn bis nach Europa führen. Vielleicht kommt aber auch alles ganz anders. Wie so oft im Fall Gust Mollath.   

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Pia Lorenz, Mollath legt Rechtsmittel ein: . In: Legal Tribune Online, 22.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12970 (abgerufen am: 16.11.2025 )

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