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Prozessauftakt am LG Stuttgart: Ex-Por­sche-Manager weisen Markt­ma­ni­pu­la­tion von sich

22.10.2015

Wendelin Wiedeking am Dienstag am LG Stuttgart

THOMAS KIENZLE / AFP

Am Dienstag begann der Prozess gegen Ex-Porsche-Chef Wiedeking und seinen Finanzvorstand Härter. Nicht nur die Angeklagten selbst bezweifeln, dass das LG Stuttgart sie wegen Manipulationen bei der Übernahmeschlacht um VW verurteilen wird. 

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Mächtige Männer unter Verdacht

Die Anklage wirft Wendelin Wiedeking und Holger Härter vor, Anleger im Jahr 2008 nicht ausreichend über die Pläne des Sportwagenkonzerns Porsche zum Einstieg bei Volkswagen informiert zu haben. Wiedeking und sein Finanzvorstand Härter sollen versucht haben, den Kurs der VW-Aktie zu beeinflussen, um dadurch die Übernahme des Branchenriesen finanziell stemmen zu können. Das Vorhaben scheiterte unter anderem wegen der Finanzkrise. VW drehte daraufhin den Spieß um und machte den hoch verschuldeten Sportwagenbauer zu seiner Tochterfirma.

Porsche hatte seine Anteile an VW seit 2005 Schritt um Schritt erhöht. Nach Auffassung der Ankläger leugneten Wiedeking und Härter die meldepflichtigen Übernahmepläne, obwohl sie bereits ab Februar 2008 die Absicht zur Mehrheitsübernahme gefasst hatten. Als sie das im Oktober 2008 dann in einer Pressemitteilung kundtaten, geschah dies laut Staatsanwaltschaft nur unvollständig, der Kaufbeschluss sei verschleiert, der Markt dadurch manipuliert worden. Spekulationen um die Übernahme führten damals zu einem rasanten Kursanstieg und anschließenden Einbruch der VW-Aktie. Durch die Intransparenz habe die Porsche-Führungsriege die Börsenanleger getäuscht, argumentiert die Staatsanwaltschaft.

Die Angeklagten weisen die Vorwürfe zurück. Ihre Verteidigung betont, diese seien "ausnahmslos unbegründet" sowie "ersichtlich konstruiert, sachlich falsch und haltlos". Auch zum Prozessauftakt in dem Verfahren vor dem Landgericht (LG) Stuttgart (Az. 13 KLs 155 Js 8342) trat Wiedeking selbstbewusst auf. Er habe sich nichts vorzuwerfen, erklärte er im Rahmen einer ausführlichen Stellungnahme, "wir waren Visionäre, aber keine Spieler".

Vertreten lässt Wiedeking sich vom bekannten Wirtschaftsstrafrechtler Hanns W. Feigen, der auch Uli Hoeneß im Steuerstrafverfahren zur Seite stand. Holger Härter hat mit Anne Wehnert und Sven Thomas ebenfalls renommierte Strafrechtler mandatiert. Zu den Mandanten ihrer Kanzlei tdwe zählte beispielsweise Thomas Middelhoff im Arcandor-Prozess.

Juristisches Neuland

Das Verfahren wird schon seit langem mit Spannung erwartet, denn es gilt als beispiellos. "Juristisch gesehen betreten wir Neuland", sagt Strafrechtler Prof. Dr. Matthias Jahn, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Kriminalwissenschaften und Rechtsphilosophie der Universität Frankfurt und Richter am OLG Frankfurt. Das Gesetz regele bisher eher unpräzise, was genau unter Marktmanipulation zu verstehen ist.

Jahn ist skeptisch, dass die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung durchsetzen wird. Denn schon 2012 hatten die Strafverfolger Anklage erhoben, doch das LG Stuttgart lehnte die Verfahrenseröffnung ab. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein, woraufhin das Oberlandesgericht (OLG) das Verfahren zuließ. Ausgerechnet die Strafkammer, die das Verfahren zuerst abgelehnt hatte, muss sich nun doch mit dem Prozess beschäftigen.

Aus Sicht von Strafrechtler Jahn wäre es sauberer gewesen, die Sache einer anderen Strafkammer anzuvertrauen. Das über das Rechtsmittel gegen die Nichteröffnung entscheidende OLG hätte das Verfahren nicht nur an eine andere Kammer des erkennenden Gerichts, sondern auch an ein anderes Landgericht verweisen können. Zwar gab es seitdem Besetzungswechsel in der erkennenden Kammer beim LG Stuttgart. Dennoch werde die Staatsanwaltschaft "sehr, sehr starke Argumente brauchen, um die anfängliche Haltung der Strafkammer abzuändern", glaubt Jahn. Solche Argumente könne er derzeit aber nicht erkennen.

Viele Anwälte im Zuschauerraum schreiben mit

2/2: Höchstens eine Geldstrafe?

Die Staatsanwaltschaft hatte gegen den damaligen Porsche-Aufsichtsrat zunächst auch wegen Beihilfe zur Marktmanipulation ermittelt, die Ermittlungen aber im August 2015 eingestellt. Jahn wertet das als weiteren Anhaltspunkt, dass die Ankläger einen schweren Stand haben. "Auch wenn der Aufsichtsrat nicht operativ verantwortlich ist, sondern nur als Kontrollinstanz fungiert - die Regeln sind letztlich die gleichen wie beim Vorstand", sagt Jahn.

Fest steht, dass es ein Mammutprozess wird. Das Gericht plant mit zahlreichen weiteren Verhandlungstagen bis Anfang 2016. Wieviele es am Ende werden, wird auch davon abhängen, wer neben polizeilichen Sachverständigen und Wissenschaftlern als Zeugen erscheinen wird. Die Porsche-Aufsichtsräte sollen ebenfalls kommen. Sie dürften aber wohl von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen und nicht kommen. Dem Vernehmen nach lehnt der frühere VW-Patriarch und Wiedeking-Gegenspieler Ferdinand Piëch einen Auftritt vor Gericht ab.

Wiedeking und Härter drohen hohe Geldstrafen oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Dass die früheren Porsche-Bosse jedoch tatsächlich hinter Gittern landen oder eine Bewährungsstrafe aufgebrummt bekommen, hält Jahn für so gut wie unmöglich. Die Angeklagten hätten schließlich keine kriminelle Vergangenheit, vielmehr seien sie lange Zeit Leistungsträger der Gesellschaft gewesen, und solche Aspekte würden berücksichtigt. "Sollte es überhaupt einen Schuldspruch geben, dann liefe das wohl auf eine Geldstrafe hinaus", sagt Jahn. Der frühere Finanzchef Härter wurde im Jahr 2013 bereits verurteilt - wegen Kreditbetrugs während der Übernahmeschlacht wurde ihm eine Geldstrafe von insgesamt 630.000 Euro auferlegt.

Signalwirkung für Zivilklagen

Neben dem Strafprozess gibt es eine Reihe von Zivilklagen in Niedersachsen, bei denen Hedgefonds Schadensersatz in Milliardenhöhe geltend machen. Für solche Verfahren hat der Ausgang des Stuttgarter Strafprozesses eine Signalwirkung. Denn die Börsenspekulanten mussten wegen der Berg- und Talfahrt von Porsche-Aktien während der Übernahmeschlacht herbe Schlappen hinnehmen.

Hätten Wiedeking und Härter die Börse pflichtgemäß informiert und eben nicht mit gezinkten Karten gespielt, wären diese Verluste nicht entstanden, behaupten die Zivilkläger, die insgesamt mehr als fünf Milliarden Euro einfordern. Auch wenn das Stuttgarter Strafverfahren darauf formal keinen Einfluss hat,  dürfte sein Ausgang von den Beteiligten der anderen Prozesse mit höchstem Interesse zur Kenntnis genommen werden.

Im Publikum saßen am Dienstag zahlreiche Anwälte der Hedgefonds und schrieben mit, was Wiedeking zu berichten hat. In Richtung dieser Anwälte sagte der 63-Jährige: "Dass gerade diese 'Spezialisten' von der Staatsanwaltschaft zu Opfern stilisiert werden, kann ich nicht nachvollziehen". Die Börsenverluste seien doch nicht seinetwegen entstanden, sondern die Hedgefonds hätten sich nun mal verzockt, argumentiert Wiedeking. "Die Hedgefonds sind mit Leerverkäufen hochspekulative Wetten gegen VW eingegangen", sagt er. "Sie haben diese Wetten im Herbst 2008 verloren". 

ah/pl/dpa/LTO-Redaktion

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Prozessauftakt am LG Stuttgart: Ex-Porsche-Manager weisen Marktmanipulation von sich . In: Legal Tribune Online, 22.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17304/ (abgerufen am: 25.03.2023 )

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