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BVerfG prüft Streikverbot für Beamte: Lehrer wollen streiken dürfen

17.01.2018

Streik

© juan_aunion - stock.adobe.com

Verbeamtete Lehrer dürfen nicht streiken. Doch das könnte sich ändern: Das BVerfG verhandelt über vier Fälle, in denen sich Lehrer an Gewerkschaftsprotesten beteiligt haben. Die Entscheidung würde sich auf alle Beamte auswirken.

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Das Lehrer-Dasein: verbeamtet und damit unkündbar, mit locker zwölf Wochen Ferien ausgestattet, Recht auf Beihilfe und Pensionen – das Auskommen könnte schlechter sein. Doch diejenigen, die den Status eines Beamten haben, bezahlen dafür auch einen Preis. Sie haben kein Recht auf Streik. So sieht es die Treuepflicht vor, die im Grundgesetz (GG) in Art. 33 geregelt ist.

Für Lehrer, die dennoch streiken, bedeutet das in aller Regel einen Eintrag in die Personalakte. So erging es auch vier Lehrern aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Sie hatten sich an Protesten bzw. Streiks der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beteiligt. Gegen die Disziplinarmaßnahmen gingen sie gerichtlich vor. Seit Mittwoch befasst sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit den Fällen.

Die GEW unterstützt die Lehrer. Und noch eine Instanz steht auf ihrer Seite: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). In zwei Fällen aus der Türkei hatte der EGMR bereits 2008 und 2009 entschieden, dass Art. 11 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) Staatsbediensteten ein Recht auf Tarifverhandlungen über die Arbeitsbedingungen und ein daran anknüpfendes Streikrecht (Urt. v. 12.11.2008, Az. 34503/97 und Urt. v. 21.04.2009, Az. 68959/01) zugestehe. Die Mitgliedstaaten des Europarates könnten diese Rechte nur für Soldaten, Polizisten und andere hoheitlich tätige Beamte ausschließen. Zu letzteren zählen Lehrer nach Auffassung des EGMR nicht, da sie nicht an der Ausübung genuin hoheitlicher Befugnisse beteiligt seien.

"Nicht leicht zu beantworten"

Das Bundesinnenministerium und der dbb Beamtenbund halten dagegen. Sie sehen Beamte weiterhin in einer besonderen Treuepflicht zum Staat, die ihnen Streikaktionen verbiete. "Das Streikverbot sichert die Funktionsfähigkeit der Verwaltung für die Bürgerinnen und Bürger", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vor Beginn der Verhandlung am BVerfG in Karlsruhe. Beamte seien unkündbar und dem Gemeinwohl verpflichtet, sie bekämen eine gute Versorgung. "Im Gegenzug dürfen sie nicht streiken", so der Minister. Das Streikverbot sei unerlässlich für einen modernen Staat. "Ich kämpfe dafür, dass es dabei bleibt"

Der Präsident des BVerfG, Andreas Voßkuhle, hat die erhebliche Breitenwirkung des Verfahrens zum Streikverbot für Beamte betont. Die Auswirkungen auf das Berufsbeamtentum in Deutschland seien nicht zu unterschätzen, sagte er zu Beginn der Verhandlung in Karlsruhe. Und weiter: Die Frage des Verfahrens lasse sich prägnant formulieren aber nicht leicht beantworten. Nach Voßkuhles Angaben unterrichten gut 800 000 Lehrer in Deutschland, etwa drei Viertel davon im Beamtenverhältnis. Daneben seien rund eine Million weitere Beamte in Deutschland tätig.

Eine Rolle wird die Frage spielen, inwieweit eine Unterscheidung zwischen hoheitlich tätigen Beamten, etwa Polizisten, und anderen Beamten möglich ist, die nicht in der engeren Staatsverwaltung tätig sind, etwa Lehrer. Tausende Beamte arbeiten auch in privatisierten Unternehmen wie Post und Telekom.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte noch 2014 das generelle Streikverbot für alle Beamten in Deutschland unabhängig von ihrer Tätigkeit bekräftigt (Urt. v. 27.02.2014, Az. 2 C 1.13). Die Richter sahen zwar den Widerspruch zur Rechtsprechung des EGMR und erkannten die völkervertrags- und verfassungsrechtlich Verpflichtung, der Auslegung des Rechts durch den EGMR in der deutschen Rechtsordnung Geltung zu verschaffen. Das aber sei Sache des Gesetzgebers. Denn ein Streikrecht könnte eine Änderung anderer Regelungen nach sich ziehen, die für Beamte günstig sind - etwa im Besoldungsrecht. Bis der Gesetzgeber entsprechende Regelungen vorgenommen habe, bleibe es bei dem Streikverbot. MIt einer Entscheidung des BVerfG wird in einigen Monaten gerechnet.

tap/LTO-Redaktion

mit Material von dpa

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BVerfG prüft Streikverbot für Beamte: . In: Legal Tribune Online, 17.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26533 (abgerufen am: 18.11.2025 )

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