Viele Unternehmen stecken in einer existenzbedrohlichen Krise. Frank Schäffler und Ulrich Lägler sehen Chancen für eine geordnete Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens mit dem StaRUG, das der Bundestag nun verabschiedet hat.
Beschleunigt durch die COVID-19-Pandemie hat das Bundesjustizministerium schneller als erwartet einen Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie vorgelegt. Den darauf aufbauenden Gesetzentwurf der Bundesregierung hat der Bundestag am Donnerstag in veränderter Fassung beschlossen. Legt der Bundesrat keinen Einspruch ein, soll das Gesetz nun am 1. Januar 2021 in Kraft treten.
Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) schließt die bislang bestehende Lücke zwischen der außergerichtlichen Sanierung und einem Insolvenzverfahren. Zukünftig können Sanierungsmaßnahmen auch außerhalb einer Insolvenz gegen den Willen einzelner Gläubiger umgesetzt werden. Für krisenbefangene Unternehmen wird dadurch der Anreiz erhöht, frühzeitig Maßnahmen zur Überwindung von wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu ergreifen.
Die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens können Unternehmen nutzen, bei denen die Zahlungsunfähigkeit droht, aber noch nicht eingetreten ist. "Drohend" ist die Zahlungsunfähigkeit nunmehr dann, wenn das Unternehmen voraussichtlich innerhalb der kommenden zwei Jahre zahlungsunfähig werden wird.
Rechnet die Unternehmensführung damit und strebt sie ein Verfahren nach dem StaRUG an, so ist Eile geboten: Zunächst muss eine gewisse Vorbereitungszeit eingeplant werden, die je nach Komplexität des Falles unterschiedlich lange sein kann. Liegt der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit voraussichtlich weniger als ein Jahr entfernt, entfällt die positive Fortbestehensprognose. Damit steht eine Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung im Raum – und damit das Aus für das Sanierungsverfahren.
Um die Sanierungsmöglichkeiten des StaRUG nicht zu verpassen und Haftungsrisiken vorzubeugen, muss die Geschäftsführung die Liquiditätsentwicklung des Unternehmens genau im Auge behalten und für mindestens 24 Monate planen. Folgerichtig sieht das StaRUG auch die Einrichtung eines Risikofrüherkennungssystems durch die Geschäftsführung vor.
Kern des Gesetzes: der Restrukturierungsplan
Wichtigstes Sanierungsinstrument des StaRUG ist der Restrukturierungsplan, eine Art Gesamtvergleich mit den Gläubigern des Schuldners. Die Gestaltung und Verhandlung dieses Restrukturierungsplans kann im Grundsatz von dem Schuldner eigenverantwortlich und ohne Einbindung eines Gerichts gesteuert werden. Entscheidender Vorteil des Restrukturierungsplans gegenüber einer außergerichtlichen Sanierung: Die Wirksamkeit des Plans erfordert nicht die Zustimmung aller Gläubiger. Es reicht aus, wenn eine Mehrheit von 75 Prozent in jeder Gläubigergruppe erzielt wird. Einzelne Gruppen können überstimmt werden, wenn die Mehrheit der Gruppen dem Plan zustimmt.
Die Gruppen müssen nach sachgerechten Kriterien gebildet werden; dem Ersteller des Restrukturierungsplans kommt dabei allerdings ein weites Ermessen zu, welches er – wie beim Insolvenzplan auch – durchaus taktisch geschickt nutzen kann. Anders als beim Insolvenzplan kann der Planverfasser nur ausgewählte Gläubiger in den Plan einbeziehen; für die nicht einbezogenen Gläubiger wirkt sich der Plan dann nicht aus.
Gläubigern kann zudem durch das Restrukturierungsgericht untersagt werden, Vollstreckungsmaßnahmen und Sicherungsrechte gegenüber dem Schuldner geltend zu machen (sog. Vollstreckungs- und Verwertungssperre). Auf diese Weise ist sichergestellt, dass eine Erfolg versprechende Sanierung nicht durch Zwangsmaßnahmen einzelner Gläubiger vereitelt werden kann.
Verträge bleiben bestehen
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hatte als weiteres Sanierungswerkzeug die Möglichkeit vorgesehen, unter bestimmten Voraussetzungen unliebsame Verträge mit Geschäftspartnern durch das Restrukturierungsgericht beenden zu lassen. Dieser Eingriff in Gläubigerrechte war stark kritisiert worden. Bemängelt wurde vor allem, dass eine solche Regelung nicht im Einklang mit dem Grundsatz der Vertragstreue stehe und verfassungsrechtlich fragwürdig sei.
Der Bundestag hat diese Bedenken zum Anlass genommen, die Möglichkeit zur Vertragsbeendigung vollständig zu streichen. Noch offen ist, welche Folgen mit dieser Änderung verbunden sind.
Da etwa in den Niederlanden eine Vertragsbeendigung weiterhin möglich bleibt, wird teilweise befürchtet, dass über Sitzverlegungen Restrukturierungsverfahren in EU-Mitgliedstaaten angestrengt werden könnten (sog. „Forum Shopping“). Dies dürfte mit Blick auf das insgesamt moderne Sanierungsrecht in Deutschland jedoch nur in Ausnahmefällen in Frage kommen.
Für wen ist das StaRUG geeignet – und für wen nicht?
Das Produktionsunternehmen, welches die Mitarbeiterzahl den sinkenden Umsätzen anpassen muss, der Filialist, der unrentable Filialen schließen möchte oder das Traditionsunternehmen, welches unter hohen Pensionslasten ächzt, werden im StaRUG keine Werkzeuge zur Umsetzung ihrer notwendigen Sanierungsmaßnahmen finden. Leistungswirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen können gegen den Willen der Vertragspartner nur in der Insolvenz umgesetzt werden.
Sind leistungswirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen nicht erforderlich, ist aber die Verschuldung zu hoch, ein Kapitalschnitt notwendig oder droht ein erheblicher Haftungsfall, so bietet das schlanke und kostengünstige StaRUG erhebliche Vorteile gegenüber einem Insolvenzverfahren.
Geeignete Konstellationen könnten beispielsweise fehlgeschlagene Leveraged-Buyout-Finanzierungen, Produkthaftungsfälle oder Kapitalerhöhungen gegen den Willen querulatorischer Gesellschafter sein. Auch im Bereich des Profisports dürfte das Verfahren häufig gegenüber einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung vorzugswürdig sein. Es kann weiter auch dann helfen, wenn in einem größeren Finanziererkreis einzelne Banken einen Konsens verhindern.
Flankiert wird das StaRUG unter anderem durch eine partielle Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Danach müssen insolvenzreife Unternehmen auch im Januar 2021 keinen Insolvenzantrag stellen, wenn sie u.a. im Zeitraum vom 1. November 2020 bis zum 31. Dezember 2020 einen Antrag auf staatliche Hilfeleistung gestellt haben oder ein aussichtsreicher Antrag nicht gestellt werden konnte.
Dr. Frank Schäffler ist Partner, Dr. Ulrich Lägler ist Senior Associate bei Menold Bezler in Stuttgart.
Bundestag beschließt StaRUG: . In: Legal Tribune Online, 18.12.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43787 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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