Anwälte stehen in heiklen Situationen nicht gern in der Öffentlichkeit. Es kann aber immer passieren, dass die Presse Wind von wichtigen Verfahren oder von Kanzleiinterna bekommt. Wie Sie darauf am besten reagieren, erklärt Susanne Krüger.
Für Anwälte gibt es zahlreiche Ereignisse, die Krisen auslösen können: Ein Haftungsfall wird öffentlich, ein Dritter lässt Deal-gefährdende Details an die Presse durchsickern, das Ausscheiden eines Partners oder Anwaltsteams wird zu früh bekannt, ein Verhandlungspartner baut Druck über Mediengerüchte auf oder Gründe für die Abwahl eines Managing Partners werden publik. Die Liste kann lang sein und ist, je nach Praxisschwerpunkten, für jede Kanzlei unterschiedlich.
Eine weitere Besonderheit ist, dass nicht nur das Bild der Sozietät bei Mandanten in der Öffentlichkeit gefährdet ist, sondern auch Ängste und Unsicherheiten bei den angestellten Anwälten hervorgerufen werden können. Denn bei der hart umkämpften Gruppe der Spitzenjuristen könnten schon Gerüchte zu Abwanderungs- und Verselbstständigungstendenzen führen - von einer Zurückhaltung auf der Bewerberseite mal ganz abgesehen. Nicht auszudenken, was zum Beispiel ein unzufriedener und vielleicht sogar aus guten Gründen gekündigter Mitarbeiter alles anrichten kann.
Presserecht allein hilft nicht weiter
"Was tun Sie im Falle einer Kommunikationskrise?" Häufig wird diese Frage abgetan, da Anwälte die Ansprüche aus dem Presserecht als konkrete Reaktionsmöglichkeiten sehen. Allerdings hilft ein Unterlassungsanspruch, eine Gegendarstellung oder ein Anspruch auf Berichtigung selten, das Problem aus der Öffentlichkeit zu halten. Die Handlungsoptionen nach dem Presserecht sind im digitalen Zeitalter zu langsam und können zudem das Verhältnis zum Journalisten nachhaltig stören.
Zudem stehen Anwälte nicht mehr nur klassischen Journalisten gegenüber, sondern zum Beispiel auch Bloggern, die sich nicht immer an journalistische Kodizes halten. Ein weiterer erschwerender Faktor ist die kontinuierliche Verlagerung der Kommunikation ins Internet und zu den Sozialen Medien, die mit großer Geschwindigkeit Neuigkeiten verbreiten können. Wie können Sie sich also vorbereiten?
Krisenkommunikation im engeren Sinn, also die Frage, wie eine akute kommunikative Problemsituation aufgelöst werden kann, greift zu kurz. Denn professionelle Krisenkommunikation beginnt lange im Vorfeld. Sie hat zum Ziel, krisenartige Situationen schnell beizulegen und wirkliche Krisen zu verhindern oder schnell zu beenden.
2/3 Zehn Präventivmaßnahmen
Diese zehn präventiven Maßnahmen sollten Anwälte ständig aktiv betreiben:
1. Nehmen Sie die Presse ernst! Nur wenn Sie sich auf Augenhöhe begegnen, wird man Ihren Anliegen begegnen.
2. Bauen Sie Kontakte zu Journalisten auf. Denn im Krisenfall hilft keine Gegendarstellung in der nächsten Ausgabe, sondern nur ein Netzwerk befreundeter Journalisten.
3. Pflegen Sie Ihre Kontakte zu Journalisten kontinuierlich und etablieren Sie enge Verbindungen. Eine gute Beziehung zeichnet sich durch Geben und Nehmen beider Seiten aus, und zwar auch einmal ohne konkreten Anlass. Sie bauen somit Vertrauen und einen belastbaren Kontakt auf. Dieser kann im Krisenfall einen Sachverhalt besser einordnen und fair berichten.
4. Wenn Sie ein Interview geben, führen Sie dieses stets zu Dritt. So haben Sie noch jemanden, der eine Aussage eventuell entschärfen oder bezeugen kann. Lassen Sie sich vor dem Interview zusichern, dass wörtliche Zitate erst nach Ihrer Freigabe veröffentlicht werden dürfen. Diese ist keine Selbstverständlichkeit, den in Journalistenkreisen gilt die Grundregel "gesagt ist gesagt". Ein Freigabeersuchen setzt also den guten Willen des Journalisten voraus.
5. Legen Sie Zuständigkeiten fest. Klar, Kommunikation ist Chefsache - aber der kann nicht immer Spezialist in allen Themen sein und benötigt professionelle Unterstützung. Er sollte deshalb das Gesicht nach außen sein, das von einem internen oder externen Beraterstab unterstützt wird. Die Zusammensetzung des Teams sollte klar kommuniziert sein und die Mitglieder sollten sich im Krisenfall schnell zusammenfinden können. Idealerweise besteht Ihr Team zumindest aus dem Managing Partner, dem internen Kommunikationsverantwortlichen und einem externen PR-Profi.
3/3 Themenlisten, Medienmonitoring und ein Krisenplan
6. Überlegen Sie, welche Vorkommnisse konkret für Ihre Sozietät problematisch werden könnten. Halten Sie diese in einer Themenliste fest und skizzieren Sie Ihre jeweilige Reaktion. Hilfreich können hierbei vorgefertigte Kommunikationsleitfäden sein, in denen potenzielle kritische Themen im Sinne Ihrer Sozietät beantwortet werden.
7. Beobachten Sie permanent die Berichterstattung über Themen, die für Sie potenziell kritisch werden könnten. Hierfür gibt es einfache und praktische Monitoringtools, mit denen Sie sich schnell und automatisiert informieren lassen können. Am einfachsten und kostenneutral ist es, wenn Sie sich Alerts bei gängigen Suchmaschinen anlegen.
8. Haben Sie einen Krisenplan in der Schublade, den Sie mit Profis erarbeitet oder zumindest abgeglichen haben. Klar, jeder Fall ist anders und die Realität weicht oft vom Plan ab. Trotzdem hilft es ungemein, Team, Zuständigkeiten, Themen, Szenarien und Handlungsoptionen bereits durchdacht und festgehalten zu haben. Das macht Sie im Krisenfall schneller und sicherer.
9. Haben Sie ein etabliertes Umfeld von Kommunikationsberatern um sich. Da zumeist nur große Kanzleien Inhouse-Kommunikationsteams haben, arbeiten viele Sozietäten mit PR-Agenturen oder -Beratern zusammen. Aber sind diese auch Spezialisten für den Krisenfall? Wenn es losgeht, wollen Sie nicht erst den Markt scannen und Preise abfragen. Bereiten Sie sich vor und halten Sie erfahrene Experten in Ihrem Kommunikationsplan fest.
10. Sparen Sie nicht an der falschen Stelle. Krisenprofis verstehen ihr Handwerk, haben die richtigen Tools griffbereit und verfügen vor allem über breite Erfahrung und fundierte Journalistenkontakte. Sie erfassen Ihre jeweilige Situation schnell und sind maximale Flexibilität gewöhnt. Zudem sind sie wesentlich erfahrener im Bereich der Sozialen Medien, die ja häufig kein Lieblingsthema von Kanzleien sind. Das kostet vielleicht ein wenig mehr, zahlt sich aber mit einer schnellen und geräuscharmen Beilegung der Krise aus.
Es gibt Situationen, in denen Krisenkommunikation erforderlich ist. Die Gefahr, dass vertrauliche Inhalte heraus kommen oder jemand Unwahrheiten behauptet, erfordert ein professionelles Handeln. Richtige Kommunikation, schnelle Reaktion und die passenden Gegenmaßnahmen kann man von Managing Partnern nicht erwarten, denn ihnen fehlt oft die Erfahrung. Ein Krisenplan, das Hinzuziehen von Profis und ein belastbares journalistisches Netzwerk sind das richtige Rezept – denn es gilt wie in der Medizin: "Vorbeugen ist besser als heilen".
Susanne Krüger, MBA, ist Leiterin Geschäftsentwicklung und Unternehmenskommunikation einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Berlin.
Susanne Krüger, Kanzlei-Marketing: 10 Tipps für die Krisenkommunikation . In: Legal Tribune Online, 11.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18711/ (abgerufen am: 12.12.2023 )
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