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GenStA zu BMJ-Plänen: "Ent­wurf will Ein­satz von V-Leuten fak­tisch abschaffen"

30.01.2024

Akten

Die Generalstaatsanwälte halten die Regelungen nicht für praxistauglich. Bild: picture alliance/dpa | Jonas Walzberg

Die Generalstaatsanwälte lehnen den Referentenentwurf des BMJ zur Regelung des Einsatzes von V-Leuten, verdeckten Ermittlern und Lockspitzeln gänzlich ab. Es bestehe kein Regelungsbedarf.

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Im Dezember 2023 legte das Bundesjustizministerium (BMJ) einen Referentenentwurf zur Regelung des Einsatzes von V-Leuten, verdeckten Ermittlern und Lockspitzeln vor. Darin wird u.a. ein Richtervorbehalt für den Einsatz von V-Leuten, klare Regeln für deren Rekrutierung, sowie die Voraussetzung für eine zulässige Tatprovokation vorgeschlagen.

In ihrer am Donnerstag vorgelegten Stellungnahme positionieren sich die Generalstaatsanwältinnen und Generalstaatsanwälte klar gegen den Vorschlag des BMJ: Der Referententwuf zeuge von mangelndem Praxisverständnis und wolle den Einsatz von Vertrauenspersonen faktisch abschaffen.

Anders als verdeckte Ermittler sind V-Leuten keine verdeckte arbeitende Polizisten sind, die "undercover" ermitteln. Sie sind Szene-Angehörige, die meist gegen Geld Informationen über ihr Umfeld verraten. Nach der Definition des BMJ-Entwurfs sind es Personen, "die keiner Strafverfolgungsbehörde angehören und vertraulich eine Strafverfolgungsbehörde in der Regel auf längere Zeit bei der Aufklärung von Straftaten unter Führung der Strafverfolgungsbehörde unterstützen und deren Identität grundsätzlich geheim gehalten wird." 

Bisher ist der Einsatz von V-Leuten durch die Strafverfolgungsbehörden – anders als beim Verfassungsschutz – in der Strafprozessordnung (StPO) nicht explizit geregelt. Der Einsatz wird auf die Ermittlungsgeneralklausel in § 163 Abs. 1 S. 2 StPO gestützt. Die Norm erlaubt "Ermittlungen jeder Art", ist also denkbar weit.

Richtervorbehalt sei weder zielführend noch geboten

Insbesondere kritisieren die Generalstaatsanwältinnen und Generalstaatsanwälte die Einführung eines Richtervorbehaltes für den Einsatz von V-Leuten. Dieser sei rechtsstaatlich nicht geboten. Die Rechtsgrundlage sei in der Ermittlungsgeneralklausel, § 163 Abs. 1 S. 2 StPO, ausreichend geregelt und durch die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) ausreichend konkretisiert. Außerdem führen sie an, weder das Bundesverfassungsgericht noch der Bundesgerichtshof hätten in ständiger Rechtsprechung weitergehende Regelungen gefordert.

Auch sei der Richtervorbehalt in der Praxis nicht zielführend, da er die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden erschweren und die Gefahr der Aufdeckung der Vertrauenspersonen erhöhen würde.

Regelungen würden V-Leute abschrecken

Der Referentenentwurf sieht zudem eine Benachrichtigung der vom Einsatz von V-Leuten Betroffenen vor. Diese soll erfolgen, wenn sie weder den Untersuchungszweck, noch Personen, noch die Möglichkeit die V-Peron weiter einzusetzen, gefährdet. Aufgrund der Benachrichtigung müssten Vertrauenspersonen befürchten identifiziert zu werden, so die Stellugnahme der Generalstaatsanwältinnen und Generalstaatsanwälte, dies würde potentielle Vertrauenspersonen abschrecken.

Kritik erntet auch eine Regelung zur Anfertigung eines Wortprotokolls bei Treffen mit Vertrauenspersonen: "Es ist kaum vorstellbar, wie bei Treffen zwischen VP-Führer (= für den Einsatz der Vertrauensperson zuständige Polizeibeamtin/ zuständiger Polizeibeamter) und Vertrauensperson, die in der Regel nicht in einer geordneten Bürosituation stattfinden, das Erstellen aufwändiger Wortprotokolle unauffällig möglich sein soll."

Die Generalstaatsanwältinnen und Generalstaatsanwälte argumentieren außerdem, dass eine gesetzliche Definition der zulässigen Tatprovokation nicht geboten sei, da diese durch die Rechtsprechung bereits eindeutig geklärt sei. Auch sei die Rechtsfolge, dass bei rechtsstaatswidriger Tatprovokation stets ein Verfahrenshindernis vorliegen soll, ebenfalls nicht geboten: "Die Einpassung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in das deutsche Strafrechtssystem gebietet eine solche alternativlose Folge nicht."

Bei den Generalstaatsanwaltschaften wächst offenbar der Unmut mit der Strafgesetzgebung aus Berlin. "Es verfestigt sich mittlerweile der Eindruck, dass es bei vielen Gesetzesänderungen nicht einmal mehr ansatzweise um die Belange der Staatsanwaltschaften geht", sagte Generalstaatsanwalt Dr. Jörg Fröhlich aus Hamburg. Zuletzt wurde ein anderes wichtiges Strafjustizprojekt aus dem Haus des BMJ schließlich auch wegen Widerstands aus der Generalstaatsanwaltschaft in den Vermittlungsausschuss geschickt. Dort soll nun bald über die Zukunft der Dokumentation der Hauptverhandlung entschieden werden.
 

hes/LTO-Redaktion

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GenStA zu BMJ-Plänen: . In: Legal Tribune Online, 30.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53756 (abgerufen am: 18.11.2025 )

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