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BGH zur Befangenheit: Wenn der Richter mit der ReNo

06.11.2018

Paar hält sich die Hände und tauscht sich bei einer Tasse Kaffee aus (Symbol)

© Antonioguillem  - stock.adobe.com

Ob Rechtsanwältin oder Sekretärin: Ein Richter kann wegen Befangenheit abgelehnt werden, wenn sein Ehepartner in der Kanzlei eines am Verfahren beteiligten Anwalts arbeitet. Auch Sekretärinnen könnten Einfluss nehmen, so der BGH.

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Kann ein Richter wegen Befangenheit abgelehnt werden, weil seine Ehefrau in der Kanzlei eines am Verfahren beteiligten Rechtsanwalts als Sekretärin arbeitet? Ja, meint der Bundesgerichtshof (BGH). Es reiche die Besorgnis, dass der Rechtsanwalt auf die Ehefrau und diese wiederum auf den Richter unzulässig Einfluss nehme (Beschl. v. 21.06.2018, Az. I ZB 58/17).

Vor einem Beschwerdeverfahren des Kammergerichts (KG) Berlin teilte der Vorsitzende Richter den Prozessparteien mit, dass seine Ehefrau in Teilzeit in der Kanzlei eines an dem Verfahren beteiligten Rechtsanwalts arbeitet. In dem Schreiben führte der Richter an, dass der Anwalt ihm persönlich bekannt sei und sie sich duzen würden. Eine persönliche oder gar freundschaftliche Beziehung bestehe jedoch nicht, der Kontakt beschränke sich auf ein alljährliches Zusammentreffen im Rahmen einer Weihnachtsfeier des Rechtsanwaltsbüros, an der der Vorsitzende Richter als Partner seiner im Büro tätigen Ehefrau teilnehme. Ein darauf gestütztes Ablehnungsgesuch wies die dafür zuständige Kammer zurück.

KG: Juristen sprechen über Jura, Sekretärinnen nicht

Das Beschwerdegericht hatte nämlich keinen Zweifel an der Unabhängigkeit des Vorsitzenden Richters. Es fehle nämlich an der Gefahr einer tatsächlichen Einflussnahme. Zwar habe der BGH bereits entschieden, dass ein Richter schon wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden könne, wenn sein Ehegatte als Rechtsanwalt in der Kanzlei tätig ist, die eine Partei vor diesem Richter vertritt (Beschl. v. 15.03.2012, Az. V ZB 102/11). Diese Grundsätze könnten nach Auffassung des Beschwerdegerichts aber nicht auf den Fall übertragen werden, dass die Ehegattin des Richters nicht als Rechtsanwältin, sondern als Sekretärin in der Kanzlei eines Prozessvertreters arbeite.

Der V. Zivilsenat war in der zitierten Entscheidung davon ausgegangen, dass sich Juristen über fachliche Probleme austauschen. Deswegen bestehe auch bei Gesprächen unter Ehegatten die Gefahr, dass über den Rechtsstreit gesprochen werde, über den der richterliche Ehegatte zu entscheiden habe, so der BGH. Wenn aber die fachliche Einflussnahme ausschlagend sei, bestehe das Risiko bei einer Sekretärin gerade nicht, argumentierte das Beschwerdegericht. Diese gerate nicht in Versuchung, juristische Probleme anzusprechen.

Auch sei die angestellte Sekretärin weder am Gewinn der Rechtsanwaltskanzlei beteiligt noch die Familie des Richters vom Arbeitsverhältnis der Ehefrau bei dem Rechtsanwalt sozial abhängig, führte das Gericht weiter aus. Außerdem lasse sich aus dem Duzen keine besondere innere Verbundenheit zwischen Richter und Prozessvertreter ableiten, wenn der tatsächliche soziale Kontakt gering sei.

BGH: Auch eine Sekretärin kann Einfluss nehmen

Den I. Zivilsenat des BGH überzeugte diese Argumentation allerdings nicht. Die Karlsruher Richter stellten noch einmal klar, dass im Rahmen von § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) keine tatsächliche Befangenheit erforderlich sei, sondern schon der "böse Schein" mangelnder Objektivität ausreiche.

Insbesondere seien – entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts – die vom V. Senat aufgestellten Grundsätze auch in diesem Fall anwendbar und "fortzuführen": Ein Richter könne auch dann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn seine Ehegattin als Sekretärin der Rechtsanwaltskanzlei tätig ist, die einen Mandaten vor diesem Richter vertritt. Die Besorgnis, dass der Rechtsanwalt auf die Ehefrau und diese wiederum auf den Richter unzulässig Einfluss nehme, reiche aus.

Eine Einflussnahme beschränke sich nämlich nicht nur auf die juristisch-fachliche Ebene. Sie könne vielmehr, so die Karlsruher Richter, auch darin bestehen, dem Richter "die Bedeutung eines Prozessgewinns für das Ansehen oder den wirtschaftlichen Erfolg der Kanzlei nahezubringen".  

Darüber hinaus bekräftigte der BGH zwar, dass allein ein Duzen nicht die Besorgnis rechtfertige, dass ein Richter aufgrund einer nahen persönlichen Beziehung voreingenommen seien könnte. Eine Bekanntheit untereinander könnte aber zumindest verstärkend darauf hindeuten, dass der Richter über die Ehefrau unzulässig beeinflusst werden könnte.

mgö/LTO-Redaktion

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BGH zur Befangenheit: . In: Legal Tribune Online, 06.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31885 (abgerufen am: 19.05.2025 )

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