Das ArbG hielt nicht einmal eine Beweisaufnahme für erforderlich: Die Verdachtskündigung der Hauptgeschäftsführerin der RAK sei unwirksam, der Vorwurf gegen sie entkräftet. Die hohen Kosten des Kündigungsstreits steigen weiter.
Das Arbeitsgericht (Arb) Düsseldorf hat der Hauptgeschäftsführerin der Rechtsanwaltskammer (RAK) Düsseldorf in ihrem Kündigungsschutzverfahren vollumfänglich Recht gegeben. Die Klage, mit der Dr. Susanne Offermann-Burckart sich gegen ihre Kündigung wehrte, war damit erfolgreich.
Weder die außerordentliche noch die ordentliche Kündigung der Berufsrechtlerin waren wirksam, entschied das ArbG, das der Kündigungsschutzklage sowie den auf Weiterbeschäftigung und auf Zahlung von Annahmeverzugslohn gerichteten Anträgen von Offermann-Burckart stattgab (Urt. v. 08.12.2017, Az. 4 Ca 6362/16). Die RAK trägt die Kosten des Verfahrens, die sich aus einem Streitwert von knapp 274.000 Euro berechnen.
Auf die ursprünglich geplante Vernehmung von Mitarbeitern der RAK Düsseldorf verzichtete das Gericht. Den Vorwurf, hilfsweise Verdacht, auf den RAK ihre Kündigung stützte, dass Offermann-Burckart dafür gesorgt habe, dass ihre Personalakte an sie persönlich versandt worden und anschließend von ihr unter Verschluss gehalten worden sei, erachtete die Vorsitzende schon ohne die anberaumte Beweisaufnahme als nicht berechtigt an.
Nachweis gelungen: SOB-Personalakte an RAK Düsseldorf versandt
Beim Termin im Oktober wollte die Vorsitzende Richterin noch Beweis erheben darüber, ob der Vorwurf der Kammer zutraf, dass die in Kammerkreisen als "SOB" bekannte Hauptgeschäftsführerin sich ihre Akte von der Rechtsanwaltskammer Köln hatte in die eigene Kanzlei zusenden lassen, wo sie sie aufbewahre und unter Verschluss halte. Zum Beweis benannte die Kammer einen ihrer Mitarbeiter, der über eine entsprechende Äußerung Offermann-Burckarts aussagen sollte.
Am Freitag aber kam es ganz anders. Nach dem Termin nämlich kam es zu regem weiteren Schriftverkehr zwischen den Parteien. Dabei legte Klägerin Offermann-Burckart auch das sog. Akten-Retent der Anwaltskammer Köln vor, wo sie vor ihrem Job als Hauptgeschäftsführerin in Düsseldorf tätig gewesen war.
In diesen Überbleibseln der Akte fanden sich Kopien des Übersendungsschreibens, mit dem die RAK Köln die Akte von SOB versandt hatte. Sie waren adressiert an die Anwaltskammer Düsseldorf, also nicht etwa an Offermann-Burckhart persönlich, wie die die RAK behauptet hatte. Ein Postnachsendeauftrag ergab sogar, dass diese dort auch eingegangen war – bestätigt hatte den Empfang genau der Mitarbeiter, der nun im Prozess als Zeuge dafür benannt worden war, dass Offermann-Burckart ihm gesagt habe, sie halte die Akte unter Verschluss.
Das genügte der Vorsitzenden der 4. Kammer, Anja Keil, um auf eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des Mitarbeiters sowie zweien seiner Kollegen zu verzichten. Eine Tatsachenkündigung komme nicht in Betracht, eine Verdachtskündigung lasse sich auf der Grundlage dieser Akten nicht erhärten, erklärte sie. So kam es zum Urteil.
2/2: Schon der dritte Sieg für SOB
Nun schuldet die RAK Düsseldorf ihrer Hauptgeschäftsführerin weitere 229.957,05 Euro brutto nebst Verzugszinsen. Für eine Kammer mit einem Haushalt von rund fünf Millionen Euro wird das Verfahren langsam zu einer echten Belastung.
Denn es ist schon die dritte Niederlage im zweiten Kündigungsschutzverfahren der Hauptgeschäftsführerin. Das erste hat die Berufsrechtlerin in erster und zweiter Instanz gewonnen. Die RAK Düsseldorf hatte sie 2015 fristlos entlassen, weil sie eine Angestellte der Kammer als Schreibhilfe für ihre Nebentätigkeiten genutzt habe. Außerdem sei es zu finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen.
Das hatte schon das Arbeitsgericht nicht überzeugt, auch das LAG hielt die Kündigung für unwirksam. Vom Vorwurf der finanziellen Unregelmäßigkeiten blieb schnell nichts mehr übrig, die Inanspruchnahme von Kammer-Ressourcen für eigene Veröffentlichungen hielten beide Instanzgerichte für arbeitsvertraglich legitimiert. Ihr wurde Annahmeverzugslohn in Höhe von rund 127.000 Euro brutto für die Zeit von November 2015 bis Juli 2016 zugesprochen (LAG Düsseldorf, Urt. v. 21.06.2017, Az. 4 Sa 869/16).
Kammermitglieder drohen mit Strafanzeigen wegen Haushaltsuntreue
Die Zinsen häufen sich an. Die zweite, nun für unwirksam erklärte Kündigung betraf den Zeitraum ab Oktober 20016, insgesamt geht es mittlerweile also abzüglich der wenigen Wochen, in denen SOB dazwischen wieder im Büro war, um rund zwei Jahre. Unklar ist, ob es sich um Sowieso-Kosten handelt. Herbert P. Schons, der Präsident der Kammer, geht davon nach eigenen Angaben gegenüber LTO aus. Einen anderen Mitarbeiter, der die Aufgaben von Offermann-Burckhart wahrgenommen habe, habe man nicht eingestellt, sagte er im Juni gegenüber LTO. Allerdings ist Thiemo Jeck, der am Freitag auch als Zeuge geladen war, während des ersten Kündigungsschutzsverfahrens von Offermann-Burckart zum Hauptgeschäftsführer befördert worden.
Noch weit mehr zu Buche schlagen als die Zinsen und die mittlerweile ebenfalls erheblichen Gerichtskosten dürften die Anwaltskosten in dem Verfahren. Der seit der zweiten Instanz im ersten Kündigungsschutzrechtsstreit beauftragte renommierte Arbeitsrechtler Dr. Alexander Bissels von der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle rechnet nicht nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und dem Streitgegenstand ab, sondern auf Stundenbasis, nach LTO-Informationen mit einem Satz von 340 Euro, ab.
Schon seit Monaten regt sich Widerstand unter den Anwälten im Kammerbezirk Düsseldorf. Widerstand gegen das Gehalt von rund 14.000 Euro monatlich, das die Kammer an Offermann-Burckart gezahlt hat. Vor allem aber Widerstand gegen die Kündigungsgründe der Kammer und die teuren Verfahren, mit denen sie verteidigt werden. Nach LTO-Informationen drohen Kammermitglieder seit Monaten damit, Strafanzeigen wegen Haushaltsuntreue zu stellen. Schließlich verwaltet der Vorstand das Kammervermögen - und das besteht aus den Beiträgen der Mitglieder.
Vielleicht erhöht sich die Einigungsbereitschaft nach der erneuten, sehr kostspieligen Niederlage für die Düsseldorfer RAK. Bisher konnten die Parteien sich in außergerichtlichen wie gerichtlichen Vergleichsgesprächen nicht einigen. Der Präsident der Kammer war bis zur Veröffentlichung nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Pia Lorenz, Dritte Niederlage für Düsseldorfer Anwaltskammer: Auch zweite Kündigung von Offermann- Burckart unwirksam . In: Legal Tribune Online, 08.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25935/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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