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Fragen an den Präsidenten zum Image des DAV: Nur eine bes­sere Anwalts­kammer?

von Pia Lorenz

15.12.2017

Online-Befragung (Symbol)

© Gajus - stock.adobe.com

In einer Image-Studie schneidet der DAV zwar insgesamt recht gut ab. Warum er dennoch genau da schwächelt, wo es den Anwälten am wichtigsten ist, und nur wenig besser ist als die Anwaltskammern, haben wir Ulrich Schellenberg gefragt.

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Kein klares Differenzierungsmerkmal gegenüber den Anwaltskammern

LTO: Sie haben vor wenigen Wochen intern eine nach eigenen Angaben repräsentative Befragung unter Anwälten präsentiert, die der Deutsche Anwaltverein (DAV) mittlerweile alle 3 Jahre erstellen lässt. Von knapp 65.000 DAV-Mitgliedern haben 3.636 (6,06 Prozent), von rund 100.000 adressierten anderen Anwälten weitere 1.554 (1,55 Prozent) an Ihrer Online-Umfrage teilgenommen.

Unter Ihren Mitgliedern verzeichnen Sie zwar recht gute Werte im Bereich Kompetenz und Glaubwürdigkeit, aber in puncto Mitgliederorientierung liegen die Zufriedenheitswerte durchschnittlich schon nur noch im mittleren Bereich. Wie bewerten Sie das?

Schellenberg: Das ist natürlich ein Wert, der uns nicht zufrieden stellt. Unsere Aufgabe wird es sein, den Bedürfnissen unserer Mitglieder noch besser zu  entsprechen, da liegt Arbeit vor uns.

Ulrich Schellenberg - Bild: anwaltverein.de

Bei Nichtmitgliedern sind die Imagewerte des DAV – erwartbar – niedriger als bei den Mitgliedern. Sowohl bei Mitgliedern und Nichtmitgliedern wird der DAV als kompetent und glaubwürdig eingeschätzt - und das freut uns.

LTO: Sie sprechen es an: Tatsächlich ist die Wahrnehmung des DAV bei den Mitgliedern deutlich positiver als bei den Nicht-Mitgliedern. Aber bewerten Sie das als positives Ergebnis Ihrer guten Arbeit - oder eher als negative Tendenz, weil es Ihnen mit dieser Wahrnehmung schwer fallen dürfte, neue Mitglieder in der Anwaltschaft zu gewinnen?

Schellenberg: Natürlich freuen wir uns, dass all diejenigen, die unsere Arbeit aus nächster Nähe erleben, mit uns auch recht zufrieden sind. Auch freut es uns, dass wir stetig neue Mitglieder gewinnen. Jedes Jahr treten dem Deutschen Anwaltverein insgesamt etwa 2.100 Mitglieder bei,  im Jahr 2017 waren es bisher 2.115. Aber natürlich werden wir unsere Kraft darauf richten müssen, die Anwaltschaft jeden Tag aufs Neue von unserer Leistungsfähigkeit zu überzeugen. 

Kein klares Differenzierungsmerkmal gegenüber den Anwaltskammern

LTO: Auch wenn der DAV mit einem durchschnittlichen Zufriedenheitswert von 2,2 im Vergleich mit strukturell vergleichbaren Verbänden gut abschneidet, sind seine durchschnittlichen Imagewerte nur wenig besser als die der Anwaltskammern. Auch diese weisen zufriedenstellende Werte in Sachen Kompetenz und Glaubwürdigkeit auf, werden aber – noch ausgeprägter als der DAV – als eher erfolglos, unmodern und konventionell angesehen. Wie erklären Sie sich das, wo die Anwälte dort doch zwangsweise Mitglied sind und diese berufsrechtliche Sanktionen verhängen? 

Schellenberg: Der DAV wird in der Anwaltschaft tendenziell als moderner und erfolgreicher wahrgenommen als die Rechtsanwaltskammern. Bei denen, die uns besser kennen, den Mitgliedern der örtlichen Anwaltvereine, ist dies noch stärker ausgeprägt.

Auch die Rechtsanwaltskammern machen einen guten Job. Die Anwaltschaft akzeptiert das Modell der Selbstverwaltung durch die Rechtsanwaltskammern. Unsere Aufgabe ist es aber als Verband, der seine Kraft aus der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft zieht, den größeren Spielraum, den wir im Vergleich zu den Kammern haben, auch im Interesse der Anwaltschaft zu nutzen. 

Eines ist aber auch klar: Wenn es um die Durchsetzung der Interessen gegenüber dem Gesetzgeber geht, ist die Anwaltschaft in ihrer Gesamtheit besonders stark, wenn BRAK und DAV ein gemeinsames Ziel verfolgen.

Natürlich heißt das für uns aber auch, dass wir unser Profil gegenüber den Mitgliedern und den Nichtmitgliedern stärker darstellen müssen. Und damit die unterschiedlichen Aufgaben zwischen den Kammern und dem DAV im Interesse der Anwaltschaft noch deutlicher zu machen.

Zu viele politische Stellungnahmen, zu wenig RVG und Digitalisierung?

2/2: Zu viele linkspolitische Stellungnahmen?

LTO: Das könnte kollidieren mit einer laut den Ergebnissen der Befragung von verhältnismäßig vielen Anwälten geäußerten Kritik an "zu vielen  allgemeinpolitischen  Stellungnahmen im  linkspolitischen  Bereich". Inwieweit sieht sich der DAV auch als politischer Akteur? Woher nehmen Sie dieses Mandat?

Schellenberg: Ja, diese Kritik gibt es. Etwa acht Prozent der Befragten haben dies kritisiert.  

Der DAV hat die Pflicht, sich auch in die allgemeine rechtspolitische Debatte einzubringen. Dies folgt schon aus unserer Satzung. Daraus ergibt sich der Auftrag, sich für den Schutz der Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger einzusetzen. Es ergibt sich aber auch eine berufspolitische Pflicht, sich hier zu engagieren. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte haben die Pflicht zur Verschwiegenheit. Dies ist kein Privileg, sondern Pflicht. Es geht hier um die Schaffung eines Freiraumes, wo sich Menschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten anvertrauen. Dabei achten wir strikt auf parteipolitische Neutralität. Sich für den Rechtsstaats einzusetzen ist weder links noch rechts, sondern Aufgabe der Anwaltschaft.

Und das ist der Grund, warum wir uns für unsere Verfassung und die Menschenrechte einsetzen und gerade auch beim Thema der Inneren Sicherheit auf dieses Spannungsverhältnis hinweisen. An diesem Engagement werden wir auch in Zukunft festhalten.

Schlechte Werte bei der Digitalisierung und dem beA 

LTO: Noch mehr Engagement dürfte aber in einem anderen Punkt nötig werden: Die Anwälte geben an, dass - neben Verbesserungen der Rechtsanwaltsvergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – für sie das wichtigste Thema in Zukunft die Digitalisierung sein wird.

Aber ausgerechnet im Bereich Innovation und Modernität schneidet der DAV eher schlecht ab. Nicht nur die Anwälte, die nicht Mitglied bei Ihnen sind, halten den DAV offenbar für konventionell und altmodisch. Wie erklären Sie sich die negative Wahrnehmung und was wollen Sie dagegen unternehmen? 

Schellenberg: Natürlich haben uns die Ergebnisse an dieser Stelle nicht erfreut. Wir haben im Jahre 2013 unsere Zukunftsstudie "Anwaltsmarkt 2030" in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse dieser Studie fließen nun in unsere alltägliche Arbeit ein.  Der Anwaltstag 2017 widmete sich in Essen dem Thema "Legal Tech". Wir bemühen uns, dieses Thema für unsere Mitglieder unmittelbar nutzbar zu machen. Wir sehen, dass wir gerade im Bereich der Digitalisierung für unsere Mitglieder noch mehr tun müssen.

LTO: Abseits des eher abstrakten Begriffs der Digitalisierung gibt es einen sehr konkreten Anwendungsfall, der auch nicht in ferner Zukunft, sondern in wenigen Wochen Realität sein wird. Was werden Sie tun, um die Anwälte, die sich mit der bisherigen Arbeit des DAV auch diesbezüglich nicht zufrieden zeigen, bei der Einführung des Besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) zu unterstützen?

Schellenberg: Für die Einführung des beA ist die BRAK verantwortlich. Unsere Aufgabe muss es aber sein, unsere Mitglieder auf diesem Weg aktiv zu begleiten.

Diesen Auftrag nehmen wir sehr ernst. So haben wir z.B. eine eigene Internetseite (www.digitale-anwaltschaft.de) eingerichtet,  mit der wir über alle aktuellen Entwicklungen rund um die Digitalisierung informieren.

Die Einführung des beAs haben wir rechtspolitisch sehr aktiv begleitet. So konnte erreicht werden, dass es entgegen den ursprünglichen Planungen eine Testphase ohne Haftungsrisiko gab.
Darüber hinaus werden wir prüfen, ob und inwieweit wir zukünftig eigene digitale Angebote für unsere Mitglieder anbieten können.

"RVG strukturell anpassen"

LTO: Und was haben die Anwälte in Sachen RVG vom DAV zu erwarten?

Schellenberg: Unser Ausschuss erarbeitet gerade intensiv Vorschläge für eine Anpassung des RVG insbesondere im strukturellen Bereich. Hier gibt es nach wie vor Defizite. Dies wird zu Beginn der neuen Legislaturperiode eingebracht werden.

Dabei müssen wir aber aufpassen, dass dann die Bundesländer nicht gleichzeitig die Gerichtskosten erhöhen. Irgendwann ist das Prozesskostenrisiko unerträglich hoch, das müssen wir vermeiden.

LTO: Wie geht es nun weiter, was genau schließen Sie aus den Ergebnissen der Studie – auch  mit Blick darauf, dass trotz einer hohen Weitempfehlungsbereitschaft mit rund 34 Prozent nur wenige Mitglieder eine echte emotionale Bindung an den DAV haben?

Schellenberg: Wir stehen am Beginn der Auswertung. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, die Ergebnisse schon jetzt in unserer Mitgliederversammlung im Herbst offen zu kommunizieren. Jetzt gilt es, aus den Ergebnissen konkrete Schritte abzuleiten. 

Schon jetzt können wir sagen, dass die Ergebnisse für einen Berufsverband gut sind. Im Vergleich mit  früheren Umfragen stellen wir fest, dass unsere Mitglieder vor allem die  Interessensvertretung, die Fort- und Weiterbildung, die DAV-Arbeitsgemeinschaften und auch den Bereich Information und Kommunikation zu den Punkten zählen, die unsere Mitglieder erwarten. Hier haben wir sowohl bei der Wichtigkeit als auch der Zufriedenheit insgesamt gute Werte erzielt – und wir setzen alles daran, noch besser zu werden. Das Stärkste, was der DAV hat, ist seine Bereitschaft, besser zu werden – und genau daran werden wir arbeiten.

Ulrich Schellenberg ist Rechtsanwalt und Notar. Seit 2015 ist er Präsident des DAV.

Die Fragen stellte Pia Lorenz.

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Pia Lorenz, Fragen an den Präsidenten zum Image des DAV: Nur eine bessere Anwaltskammer? . In: Legal Tribune Online, 15.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26043/ (abgerufen am: 30.03.2023 )

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