In Deutschland gibt es rund 165.000 Anwälte. Beim BGH sind davon für Zivilsachen aktuell zugelassen: 41. Ob die Bundesregierung daran etwas ändern will, macht sie auch von der BRAK abhängig. Die könnte bald einen Vorschlag machen.
"Die Bundesregierung prüft, ob und gegebenenfalls welche Rechtsänderungen in Bezug auf die Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof erforderlich erscheinen". Das ist die knappe Antwort des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) auf die Frage von Dr. Manuela Rottmann, Mitglied des Bundestags (MdB) und selbst Juristin. Sie wollte wissen, warum die Bundesregierung an der derzeitigen Regelung festhält, nach der in Zivilsachen vor dem Bundesgerichtshof (BGH) nur eine sehr kleine Zahl von Anwälten auftreten darf. Rottmann verweist darauf, dass die Singularzulassung bei den Oberlandesgerichten seit bereits 17 Jahren aufgehoben sei. Auch aus der Anwaltschaft gebe es Kritik an der Situation für Anwälte beim BGH.
Darauf reagiert die Bundesregierung in ihrer Antwort, die LTO vorliegt, nicht. Bei ihrer Prüfung, ob und gegebenenfalls welche Rechtsänderungen nötig seien, warte man auch auf die Vorschläge eines Ausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), der sich damit seit September 2017 beschäftige und seine Arbeit noch nicht beendet habe, teilt das BMJV mit. Allerdings tut sich etwas: Das Thema der Singularzulassung steht auf der Tagesordnung der nächsten Hauptversammlung der Dachorganisation der Rechtsanwälte am 14. September.
Wie man BGH-Anwalt wird - und wer
Für die Grünen macht es sich das Ministerium mit seiner Antwort zu leicht: "Die Bundesregierung drückt sich trotz seit langem offensichtlichen Reformbedarfs weiter darum herum, die unsägliche Singularzulassung in Zivilsachen zum BGH abzuschaffen", so MdB Rottmann. Argumente für ein "Festhalten an diesem Anachronismus" nenne sie dabei nicht. "'Erst mal abwarten' ist das tragende Prinzip der Rechtspolitik der Großen Koalition", moniert die Grünen-Politikerin.
Anders als in Strafsachen, wo jeder Anwalt vor dem BGH auftreten darf, kann dies in Zivilsachen nur derjenige, der dazu vom BMJV auf Vorschlag eines Wahlausschusses benannt wird, § 78 ABs. 1 S. 3 Zivilprozessordnung. Regelmäßig dürfen rund 40, aktuell 41* Anwälte vor dem BGH auftreten. Den Bedarf an Neuzulassungen legt ebenfalls der Wahlausschluss fest, er richtet sich nach der Anzahl neuer Prozesse, die in Karlsruhe eingehen. Begründet wird die beschränkte Zulassung auch damit, dass jeder BGH-Anwalt die Chance haben soll, wirtschaftlich Fuß zu fassen. Nur so könne seine Unabhängigkeit gewährleistet werden. Die BGH-Anwälte verdienen auch höhere Gebühren als in den Instanzen. Regelmäßig arbeiten sie mit den Anwälten, die zuvor in den Instanzen tätig waren, zusammen.
Auf die Liste für die Zulassungen, die regelmäßig doppelt so viele Bewerber erfasst, wie der Ausschuss Neuzulassen für nötig hält, kommen Advokaten auf Vorschlag der BRAK, die ihrerseits auf Vorschläge der regionalen Kammern zurückgreift, oder auf Vorschlag der BGH-eigenen Anwaltskammer.
Die Bewerber müssen nach § 167 BRAO mindestens 35 Jahre alt und mindestens 5 Jahre ohne Unterbrechung als Rechtsanwalt tätig sein. Andere Kriterien finden sich im Gesetz nicht. Die Note soll zählen, wissenschaftliche Veröffentlichungen und in persönlichen Gesprächen müssten die Anwärter überzeugen.
Die Vorwürfe gegen das Verfahren liegen auf der Hand: Eingriffe in die Berufsfreiheit aller anderen knapp 165.000 Rechtsanwälte, ein intransparentes Vorschlags- und Auswahlverfahren und der Vorwurf von Seilschaften. Die BGH-Anwälte entscheiden erheblich über die eigene Zunft mit. Sie haben ein eigenes Vorschlagsrecht und entscheiden durch ihren Kammerpräsidenten bei der Wahl mit erheblichem Stimmgewicht mit. Die Kritik: Häufig seien wissenschaftliche Mitarbeiter aus dem Karlsruher Dunstkreis erfolgreich.
Wird die BRAK Änderungen vorschlagen?
Die anschließende Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des BGH nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an. Anders als bei der Singularzulassung bei den Oberlandesgerichten, die die Karlsruher Richter im Jahr 2000 für verfassungswidrig erklärt hatten, sah das höchste deutsche Gericht im Rahmen der ihm möglichen Prüfung keine Hinweise auf eine Verfassungswidrigkeit, insbesondere keinen Verstoß gegen die anwaltliche Selbstverwaltung durch die Singularzulassung beim BGH.
Ändern könnte sich diese Rechtslage nun offenbar, wenn der zuständige Ausschuss der BRAK für Veränderungen plädieren würde. Der Ausschuss, dessen Zusammensetzung nicht öffentlich bekannt ist, wurde im September 2017 eingesetzt. Nach LTO-Informationen ging das auf einen nach der Entscheidung des BVerfG gestellten Antrag einer lokalen Rechtsanwaltskammer zurück, die Singularzulassung beim BGH abzuschaffen. Die Hauptversammlung beschloss daraufhin, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die das aktuelle Auswahlverfahren überprüfen soll einschließlich der Möglichkeit, dieses gänzlich abzuschaffen. Der Ausschuss tagt noch, in der Hauptversammlung der BRAK am 14. September werden seine Mitglieder erste Ergebnisse vorstellen und möglicherweise Vorschläge unterbreiten. Die Anwaltskammer des BGH ist in der Hauptversammlung, dem Zusammenschluss der insgesamt 28 lokalen Kammern, mit einer Stimme vertreten.
Zahl nachträglich von 42 auf 41 korrigiert am 02.09., 10:25 h.
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Singularzulassung in Zivilsachen: . In: Legal Tribune Online, 30.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30661 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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