Per Video lehrt Mark de Heide, aktuelle Hits auf dem Klavier zu spielen. In der vergangenen Woche verschwanden die erfolgreichen Tutorials von YouTube, die Plattform und ein Online-Klavierlehrer sollen dazu aufgefordert haben. Die Empörung im Netz war groß – und unberechtigt, kommentiert Marc-Oliver Srocke. Unabhängig davon, ob YouTube überhaupt abgemahnt hat. Auch das ist mittlerweile unklar.
Nun ist nicht mehr klar, weshalb eigentlich genau Mark de Heide seine Tutorials von der Plattform YouTube entfernt hat. Seine alte Videobotschaft hat der Klavierlehrer gelöscht, unter der Überschrift "Copyright Issue Resolved" gibt er nun bekannt, sich mit dem anderen Klavierlehrer geeinigt zu haben. Auch dieser bietet auf YouTube Online-Kurse an und hatte de Heide die Verletzung seines geistigen Eigentums vorgeworfen. Dabei ging es um die Noten, welche der Niederländer in seinen Tutorials in Buchstabenform (C,D, E usw.) über der zu sehenden Klaviatur eingeblendet hatte.
Von der Aufforderung von YouTube Niederlande, die Videos wegen Urheberrechtsverletzungen zu Lasten der Musikindustrie zu löschen, welche de Heide noch in der vergangenen Woche behauptet hat, will er nichts mehr wissen. Nun spricht er davon, dass er damit vergangene Vorgänge gemeint habe.
Dabei wäre zumindest nach deutschem Recht die Rechtslage insofern eindeutig. Mit dem Einstellen der (nach-) gespielten Klavierstücke bei dem Online-Portal ohne Genehmigung der Komponisten beziehungsweise der GEMA verletzt de Heide Urheberrechte. Sobald YouTube von dieser Rechtsverletzung positiv weiß, müsste auch das Unternehmen haften. Von einer Abmahnung durch die Rechteinhaber oder deren Verwertungsgesellschaften gegenüber de Heide oder YouTube war allerdings auch in der vergangenen Woche nicht die Rede.
Keine Chance für den anderen Klavierlehrer
Der Online-Klavierlehrer, welcher möglicherweise auch YouTube auf de Heide aufmerksam gemacht haben dürfte, kann eine Verletzung dieser Urheberrechte nicht geltend machen. Er ist weder Komponist noch Verwerter und damit auch nicht Inhaber der Rechte.
Zumindest in Deutschland hätte der Konkurrent auch mit einer Berufung auf das Wettbewerbsrecht wenig Aussicht auf Erfolg. Der Begründung, das Anbieten von Klavierunterricht unter Verletzung von Urheberrechten Dritter verschaffe de Heide einen Wettbewerbsvorteil gegenüber sich korrekt verhaltenden Mitbewerbern, kann man unschwer entgegen halten, dass urheberrechtliche Vorschriften nicht dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (§ 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG). Auch die Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus.
Auch die Idee, zu Lehrzwecken Noten in Buchstabenform über einer Klaviatur anzubringen beziehungsweise einzublenden, kann der Konkurrent nicht für sich monopolisieren: Bloße Ideen sind generell nicht urheberrechtlich schutzfähig.
Da dieser Grundsatz auch in den Niederlanden gelten dürfte, kann man nur spekulieren, weshalb und worüber de Heide sich nun mit dem Konkurrenten geeinigt haben will, ob er zuvor einen Anwalt konsultiert hat und nach welchen Kriterien er nun einige Tutorials wieder online stellen, andere aber weiterhin offline lassen will.
Ob Cover oder Bearbeitung: Bei YouTube nicht erlaubt
Es bleibt abzuwarten, ob de Heide von YouTube oder den Rechteinhabern - noch einmal oder nach neuestem Kenntnisstand womöglich auch erstmalig – zur Löschung aufgefordert wird. Warum aber nimmt, wer ein selbst eingespieltes, aber nicht selbst komponiertes Musikstück bei YouTube einstellt, überhaupt eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung vor?
Die öffentliche Zugänglichmachung eines solchen Musikstücks über YouTube berührt die Urheberrechte der Komponisten und gegebenenfalls der Textdichter, die in Deutschland in der Regel von der GEMA wahrgenommen werden. Es müssten daher in jedem Falle Lizenzgebühren an die Verwertungsgesellschaft gezahlt werden. In einigen Konstellationen, zum Beispiel, wenn der Einspielende das Musikstück nicht bloß originalgetreu nachspielt (sogenannte Coverversion), sondern darüber hinaus bearbeitet, muss er die Urheber selbst beziehungsweise deren Musikverlage zudem zuvor um Erlaubnis fragen. All das gilt unabhängig davon, ob er mit der Coverversion oder Bearbeitung Einnahmen erzielt oder nicht.
Die unter Umständen schwierige Abgrenzungsfrage, ob ein Cover oder eine Bearbeitung vorliegt, spielt im Fall de Heide keine Rolle, da der Niederländer sich überhaupt nicht um eine Lizenzierung bemüht zu haben scheint. Es dürfte daher außer Frage stehen, dass er mit die Verbreitung der Videos, in denen er seinen Schülern urheberrechtlich geschützte Stücke vorspielt, Urheberrechte verletzt.
Weil er selbst spielt, verbreitet de Heide zwar nicht die Originaltonaufnahmen und verletzt somit nicht die Rechte der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller, aber er nutzt und verbreitet die Komposition und damit das urheberrechtlich geschützte Werk. Daran ändert auch nichts, dass er die Musikwerke in seinen Tutorials wohl nicht am Stück vorspielt, sondern sie seinen Online-Schülern nur Schritt für Schritt beibringt. Einzelne Töne und Akkorde sind zwar urheberrechtlich nicht geschützt, durchaus aber ganze Werkteile. De Heide spielt in der Regel ganze Passagen wie Intro, Strophe und Refrain vor.
2/2: Urheberrechte: Nicht mehr ihre Verletzung gilt als verwerflich, sondern ihre Geltendmachung
Grund zur Empörung, wie sie seine Schüler, Anhänger und sonstigen Unterstützer nach Veröffentlichung seines Videos in der vergangenen Woche im Netz äußerten, könnten also allenfalls die nach bisherigem Kenntnisstand fernliegenden Forderungen des Mitbewerbers geben, nicht aber eventuelle Beseitigungs- oder Unterlassungs-Aufforderungen von YouTube oder Rechteinhabern, denn diese wären schlichtweg berechtigt.
Im Übrigen scheint de Heide sehr gut mit seinen Online-Tutorials verdient zu haben. In den Niederlanden gehörte er nach Angaben von heise.de zu den 150 besten YouTube-Partnern und hat sich von den erzielten Werbeeinnahmen kürzlich ein Haus gekauft – das er nun nach eigenen Angaben wieder verkaufen muss.
Die erzürnten Reaktionen sind in Anbetracht der persönlichen Lebensumstände des jungen Klavierlehrers einerseits verständlich. Losgelöst von dem nicht in allen Details bekannten Einzelfall aber sind sie auch Ausdruck eines grundlegenden, aber weit verbreiteten Fehlverständnisses. Niemand fragte, warum sich jemand - zumindest auch - mit der Auswertung fremder Urheberrechte ein ganzes Haus finanzieren kann. Stattdessen herrschte Entrüstung darüber, dass er es wieder verkaufen muss, weil die Urheber diese Auswertung ihrer Rechte womöglich nicht weiter dulden wollten. Nicht die rechtswidrige Verletzung von Urheberrechten wird als also ungehörig empfunden, sondern vielmehr ihre rechtmäßige Geltendmachung.
Der junge Niederländer kann dafür natürlich nichts. Auch war nicht die Zugänglichmachung fremder Inhalte Kern seiner Dienstleistung, die er über seinen YouTube-Channel angeboten und mit der er durch entsprechende Werbeeinnahmen sein Geld verdient hat. Dies war in erster Linie sicherlich die pädagogische Vermittlung der klavierspielerischen Fähigkeiten. Das unterscheidet de Heide von Rechtsverletzern, die allein mit der Verwertung fremder Leistungen Einnahmen erzielen.
Sein Angebot war aber gerade auch deshalb so attraktiv, weil er die Klavierkenntnisse seinen Schülern anhand aktueller Songs oder beliebter Klassiker vermittelt hat. Sonst hätte er auch einfach auf gemeinfreie Werke zurückgreifen können. Seine Ankündigung aus der vergangenen Woche, den Unterricht per YouTube gänzlich einzustellen, spricht sogar dafür, dass die Nutzung der urheberrechtlich geschützten Hits und Klassiker existenziell für sein Geschäftsmodell war. Es spräche also überhaupt nichts dagegen, wenn er für diese Nutzung auch bezahlen müsste - zumal er mit den Tutorials ja auch gut verdient hat.
Rechteinhaber dürfen einschreiten – gegen jeden, der ihre Rechte verletzt
Diese kommerzielle Nutzung der urheberrechtlich geschützten Werke könnte im Übrigen einen guten Grund für die Rechteinhaber zum Einschreiten liefern beziehungsweise geliefert haben. Die Musikverwerter gehen bisher beispielsweise nicht gegen Jugendliche vor, die auf der Gitarre ihren Lieblingssong nachspielen und ohne jegliche Gewinnerzielungsabsicht eine Aufnahme davon ins Netz stellen. Und das ist auch gut so.
Erforderlich für die Geltendmachung von urheberrechtlichen Ansprüchen ist eine Gewinnerzielungsabsicht des Nutzers allerdings nicht. Und aus der Tatsache, dass zahlreiche andere unerlaubte Nutzungen bisher ungeahndet geblieben sind, könnte man den Musikverwertern auch keinen Strick drehen, wenn sie in Einzelfällen die Verbreitung von Coversongs im Netz doch nicht dulden und eine Löschung verlangen würden. Auch wenn YouTube voll ist von Coverversionen bekannter Musikwerke, an denen sich bisher niemand gestört hat, sind die Rechteinhaber frei in ihrer Entscheidung, gegen welche Verletzungen ihrer Rechte sie vorgehen wollen und gegen welche nicht.
Die Plattform YouTube wiederum haftet in Deutschland nach der Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg (Urt. v. 20.04.2012, Az. 310 O 461/10) ab Kenntnis von einem Urheberrechtsverstoß, also in der Regel ab einem entsprechenden Hinweis des Rechteinhabers. Sollte es einen solchen Hinweis gegeben haben, hätte das Google-Tochterunternehmen den Niederländer - die Existenz eines vergleichbaren Haftungssystems dort vorausgesetzt – also sogar absolut zwingend zur Löschung auffordern müssen. Aber auch ohne eine entsprechende Löschungsaufforderung wäre es aus Sicht des Plattformbetreibers nachvollziehbar gewesen, de Heide zur Löschung aufzufordern, um einer entsprechenden Inanspruchnahme durch die Rechteinhaber von vorne herein aus dem Weg zu gehen.
Was auch immer genau geschehen sein mag: Letztlich bleibt nur der Vorwurf an Mark de Heide, sich augenscheinlich nicht um eine Rechtelizenzierung gekümmert zu haben, bevor er seine Videos hochgeladen hat. Aber das muss ja nicht zwingend das Ende seiner Tutorials bedeuten. Vielleicht findet er einen Weg, den Online-Klavierunterricht fortzusetzen, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Sein Bewusstsein für fremde Urheberrechte ist nun möglicherweise geschärft. In seinem jüngsten Online-Kommentar malt er jedenfalls keine Anführungszeichen mehr in die Luft, wenn er von "Copyrights" spricht.
Der Autor Dr. Marc-Oliver Srocke ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht bei Schultz-Süchting Rechtsanwälte in Hamburg.
Dr. Marc-Oliver Srocke, Verwirrung um Online-Unterricht bei YouTube: Klavierspielen verboten! . In: Legal Tribune Online, 27.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8807/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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