Am Freitag tritt die Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie in Kraft, die vor allem beim Widerrufsrecht erhebliche Änderungen vorsieht. Die Rücksendekosten trägt in Zukunft der Verbraucher und die Widerrufsfrist endet spätestens nach einem guten Jahr. Dafür ist nun auch ein Widerrufsrecht für digitale Inhalte vorgesehen. Ein Überblick über die wichtigsten Änderungen in Zusammenarbeit mit Rechtstipps.de
Die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie hat im Bürgerlichen Gesetzbuch eine Menge an Umstellungen notwendig gemacht, besonders bei den Regelungen zum Widerrufsrecht steht kaum noch ein Stein auf dem anderen.
Beim Vertragsschluss soll es künftig transparenter zugehen. Handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag, also eine Bestellung im klassischen Versandhandel oder beim Online-Shopping, muss der Händler dem Kunden nun eine Bestätigung des Vertrages mit dem Vertragsinhalt zusenden. Dies muss innerhalb einer angemessenen Frist nach Vertragsschluss geschehen, spätestens jedoch bei Lieferung der Ware. Bei Dienstleistungsverträgen muss die Vertragsbestätigung vorliegen, bevor mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen wird.
Händler müssen ihre Kunden zudem über sämtliche anfallenden Fracht-, Liefer- und Versandkosten aufklären; tun sie das nicht, können sie diese auch nicht ersetzt verlangen. Außerdem müssen Online-Händler zwingend über das Bestehen gesetzlicher Gewährleistungsrechte für Waren informieren.
Keine zusätzlichen Gebühren für bestimmte Zahlungsmittel
Im elektronischen Geschäftsverkehr muss spätestens bei Beginn des Bestellvorganges klar und deutlich darauf hingewiesen werden, ob Lieferbeschränkungen bestehen und welche Zahlungsmittel akzeptiert werden. Der Unternehmer darf vom Kunden keine zusätzlichen Gebühren für die Verwendung bestimmter Zahlungsmittel (z.B. Kreditkarte) verlangen, sofern er diese grundsätzlich akzeptiert.
Auch an anderer Stelle soll versteckten Kosten vorgebeugt werden. Bietet ein Händler Zusatzleistungen zum eigentlichen Vertragsgegenstand an (z.B. Abschluss einer Gepäckversicherung bei der Buchung eines Flugtickets), müssen diese ausdrücklich vereinbart werden. Insbesondere bei einem Vertragsschluss per Internet darf eine Zusatzleistung nicht im Kleingedruckten versteckt oder durch ein angekreuztes Kästchen voreingestellt sein.
Informationspflichten auch bei Telefonwerbung
Für den Kauf digitaler Inhalte gelten zudem weitere Aufklärungspflichten. Über die Funktionsweise von Software und Apps muss verständlich informiert werden, ebenso darüber, mit welcher Hard- und Software die gekauften Programme kompatibel sind, und ob sonstige technische Beschränkungen bestehen.
Erhalten Verbraucher Telefonanrufe, die auf einen Vertragsschluss abzielen (z.B. für ein Zeitungsabonnement oder einen Mobilfunkvertrag), muss der Anrufer zu Beginn des Gesprächs seine Identität nennen. Außerdem muss er den geschäftlichen Zweck des Anrufs offenlegen und angeben, für welches Unternehmen er anruft.
Eine Neuregelung gibt es auch im Bereich der sogenannten "Haustürgeschäfte". Diese firmieren nun als "Geschäfte außerhalb von Geschäftsräumen" und erfassen ein größeres Feld von Situationen, in denen der Verbraucher durch den Unternehmer überrumpelt wird oder jedenfalls die Gefahr einer solchen Überrumplung besteht.
2/3: Widerruf bei materiellen Gütern
Bislang konnten Online-Händler ihren Kunden neben dem Widerrufs- auch ein Rückgaberecht einräumen. Diese eher wenig genutzte Möglichkeit entfällt nach der Reform.
Die Widerrufsfrist beträgt weiterhin 14 Tage, und gilt nun europaweit. Während das Widerrufsrecht bei unterlassener oder fehlerhafter Belehrung nach bisheriger Rechtslage unbegrenzt galt, endet es nun auch in diesen Fällen spätestens nach zwölf Monaten und 14 Tagen. Wird innerhalb der zwölf Monate die Widerrufsbelehrung nachgeholt, beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist ab diesem Zeitpunkt.
Ist die Belehrung von Anfang an ordnungsgemäß, so beginnt die Frist beim Warenkauf, sobald die Ware beim Empfänger ankommt. Bei mehreren Teilsendungen kommt es auf den Eingang der letzten Teillieferung an. Bei einem Vertrag über Dienstleistungen (z.B. Mobilfunkvertrag) beginnt die Widerrufsfrist hingegen bereits mit Vertragsschluss.
Kommentarlose Rücksendung reicht nicht mehr aus
Anders als bislang genügt die kommentarlose Rücksendung der Ware nicht mehr. Der Händler muss vielmehr ein Widerrufsformular zur Verfügung stellen, z.B. auf seiner Internetseite. Der Widerruf kann aber auch formlos erklärt werden, etwa per E-Mail, per Fax oder telefonisch. Für die Rücksendung der Ware gilt dann eine Frist von 14 Tagen.
Auch der Kaufpreis ist innerhalb dieser Frist zu erstatten. Bisher galt für die Rückzahlung eine Frist von 30 Tagen. Allerdings steht dem Händler ein Zurückbehaltungsrecht zu, bis er die Ware tatsächlich erhalten oder der Kunde die rechtzeitige Retoure nachgewiesen hat. Der Kaufpreis wird grundsätzlich mit demselben Zahlungsmittel ersetzt, mit dem der Kunde ihn zuvor bezahlt hat.
Kunde trägt künftig Rücksendekosten
Die Hinsendekosten, also die Kosten der Lieferung, erhält der Kunde im Fall des Widerrufs wie bislang üblich erstattet. Allerdings nur jene für den Standardversand. Etwaige Mehrkosten für Express- oder Nachnahmezustellung muss er selbst tragen.
Neu geregelt ist zudem die Frage der Rücksendekosten. Diese trägt nunmehr generell der Kunde. Dies war bislang nur dann der Fall, wenn der Bestellwert nicht mehr als 40 Euro betrug.
Zulässig sind aber weiterhin abweichende Regelungen zugunsten des Kunden in den AGB. Einige größere Versandhändler haben bereits angekündigt, die bisherige Praxis beizubehalten, und die Rücksendekosten freiwillig zu übernehmen.
Und diese können unter Umständen erheblich sein. Denn bislang mussten Kunden nur paketfähige Waren zurückschicken. Jetzt sind sie jedoch auch für die Retoure von Speditionsware verantwortlich, sofern sie in der Widerrufsbelehrung über die Kosten einer solchen Rücksendung informiert wurden. Fehlt die Information, muss der Händler für den Transport aufkommen.
Nutzungsersatz abgeschafft, Ausnahmen ausgeweitet
Auch hinsichtlich möglicher Zahlungspflichten in Folge des Widerrufes gibt es Neuerung. Nach alter Rechtslage wurde zwischen (Verschlechterungs-)Wert- und Nutzungsersatz unterschieden, den der Kunde möglicherweise leisten musste. Letzterer entfällt nun; Wertersatz wird fällig, sofern der Kunde einen Wertverlust verursacht hat, indem er die Ware stärker beansprucht hat, als dies zur Prüfung ihrer Eigenschaften und Funktionsweise notwendig war.
Allerdings greifen neue Ausnahmen: Bereits bisher war der Widerruf bestimmter Verträge ausgeschlossen (z.B. bei Sonderanfertigungen oder leicht verderblicher Ware). Neu ist, dass Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, ebenfalls nicht widerrufen werden dürfen, wenn die Versiegelung vom Verbraucher gelöst wurde (z.B. bei versiegelt versandter Unterwäsche oder Bademode).
3/3: Widerruf bei Dienstleistungen
Sowohl nach alter wie nach neuer Rechtslage können Dienstleistungen widerrufen werden. Allerdings erlischt das Widerrufsrecht unter veränderten Voraussetzungen.
Nunmehr muss ein Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen nicht mehr von beiden Seiten vollständig erfüllt worden sein. Das Widerrufsrecht erlischt vielmehr bereits dann, wenn der Verbraucher seine ausdrückliche Zustimmung zum Beginn der Ausführung der Dienstleistung gegeben und gleichzeitig bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Anbieter verliert, sobald die Erfüllung durch den Anbieter tatsächlich eintritt.
Verlangt der Verbraucher zunächst den Beginn der Ausführungen und widerruft er dann den Vertrag, bevor die Dienstleistung vollständig erbracht wurde, schuldet er dem Anbieter Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung – vorausgesetzt, er wurde über diese Rechtsfolge ordnungsgemäß belehrt.
Widerruf bei digitalen Inhalten
Die Verbraucherrechterichtlinie schafft erstmals verbindliche Regelungen für den Widerruf von Verträgen über digitale Inhalte, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden. Darunter fallen beispielweise Downloads, E-Books, die Übersendung von Software, PDF-Dateien per Mail, Apps, Musik- oder Videostreaming.
Bislang war rechtlich umstritten, ob solche Verträge wie Verträge über Dienstleistungen zu behandeln sind. Nun besteht auch hier grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht.
Dies jedoch unter gewissen Einschränkungen, da es andernfalls möglich wäre, beliebig viele digitale Inhalte einzukaufen, die Verträge zu widerrufen und Kopien der Inhalte dennoch – effektiv kostenfrei – zu behalten. Das Widerrufsrecht erlischt daher, wenn der Händler mit der Ausführung des Vertrages begonnen hat (z.B. mit der Übersendung der heruntergeladenen Datei oder App). Voraussetzung ist weiterhin, dass der Kunde diesem Vorgang vor Ablauf der Widerrufsfrist ausdrücklich zugestimmt und bestätigt hat, dass durch seine Zustimmung mit Beginn der Ausführung des Vertrages das Widerrufsrecht entfällt.
Fehlt es an diesen Voraussetzungen, bleibt das Widerrufsrecht bestehen. Dann kann der Kunde den Vertrag auch nach vollständigem Download der eingekauften Inhalte noch widerrufen und muss keinen Wertersatz leisten.
Begrifflichkeiten, Formvorschriften, Gefahrtragung: Was sich sonst noch ändert
Eine Erweiterung bzw. Klarstellung findet auch hinsichtlich des Kreises von Geschäften statt, bei denen die verbraucherschützenden Vorschriften überhaupt greifen. Dies ist nun auch dann der Fall, wenn ein Kunde sowohl private als auch gewerbliche Zwecke mit dem Vertrag verknüpft – vorausgesetzt, die gewerblichen überwiegen nicht.
Sofern das Gesetz die sogenannte "Textform" verlangt, ist darunter nun eine lesbare Erklärung zu verstehen, die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird und die Person des Erklärenden nennt. Als dauerhafter Datenträger gilt jedes Medium, auf dem eine Erklärung aufbewahrt oder gespeichert werden kann (z.B. Papier, USB-Stick, CD, Speicherkarte, Festplatte, E-Mail).
Eine Neuregelung gibt es auch zum Garantiebegriff: Eine Garantie gibt der Händler künftig dann ab, wenn er verspricht, den Kaufpreis zu erstatten, die Ware auszutauschen oder nachzubessern, falls diese nicht die Anforderungen erfüllt, die er dem Käufer gegenüber angegeben hat oder die in der einschlägigen Werbung beschrieben werden. Das gilt auch dann, wenn die Ware nicht mangelhaft im Sinne des gesetzlichen Gewährleistungsrechts ist.
Schließlich muss der Händler seine Kunden nun in jedem Fall über das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien vor Abgabe der Bestellung informieren. Die Garantiebedingungen zu einer angebotenen Garantie müssen bereits im Online-Shop abrufbar sein. Sofern allerdings keine Garantien angeboten werden, muss darüber nicht ausdrücklich informiert werden.
Die wichtigsten Änderungen im Verbraucherrecht: Rücksendekosten, widerrufene Downloads und mehr . In: Legal Tribune Online, 13.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12253/ (abgerufen am: 06.12.2023 )
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