Die PARTEI startete Ende 2014 eine Aktion, mit der sie die Schwächen der Parteienfinanzierung aufzeigte und gleichzeitig ausnutzte. Sebastian Roßner erklärt, was geschah und warum sie damit bei der Bundestagsverwaltung durchkommen dürfte.
Satire drückt die Wahrheit oft am deutlichsten aus. Das gilt auch für die Regeln, nach denen der deutsche Staat die politischen Parteien finanziert. Seit dem 30. September beschäftigt sich die Bundestagsverwaltung mit den Rechenschaftsberichten der Parteien für das Rechnungsjahr 2014. Derzeit entscheidet sich also, welche Partei Gelder in welcher Höhe vom Staat erhält. Die PARTEI legt dabei den Finger besonders tief in die Wunde. Ende 2014 bot sie ihren Anhängern und Sympathisanten ein eigentümliches Geschäft an: Die Truppe um Martin Sonneborn sicherte zu, gegen Zahlung von 25, 55 oder 105 Euro dem Käufer 20, 50 oder 100 Euro und zwei Postkarten zurückzusenden. Der direkte Gewinn aus der nur wenige Wochen laufenden Aktion war bescheiden. Die PARTEI selbst beziffert ihn auf 260,80 Euro. Der indirekte Effekt aber ist vermutlich weit größer, 240.000 Euro zusätzlich für Die PARTEI werden genannt. Wie kann das sein?
In der Antwort liegt der satirische Mehrwert der Aktion. Das im Detail relativ komplizierte Recht der staatlichen (Teil-)Finanzierung politischer Parteien sieht im Kern zwei Kriterien vor, von denen der staatliche Geldsegen abhängt. Für jede gewonnene Stimme bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen gibt es Geld aus öffentlichen Kassen und auch zu jedem selbst eingeworbenen Euro an Spenden und Mitgliedsbeiträgen gibt der Staat etwas hinzu.
Dass staatliche Gelder aber nur fließen, wenn die Bürger eine Partei in der einen oder anderen Form unterstützen, geht auf das zweite Parteienfinanzierungsurteil des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 26.11.1991, Az. 2 BvE 2/89) zurück. Damit die öffentlichen Geldquellen aber nicht zu üppig sprudeln und die Parteien finanziell nicht allzu abhängig vom Staate werden, sondern sich weiter um Unterstützung bei den Bürgern bemühen, verordneten die Verfassungsrichter zugleich, dass die an alle Parteien ausgezahlte Gesamtsumme ein gewisses Maß nicht übersteige (sogenannte "absolute Obergrenze") und - dies ist für die Geldverkäufe von Die PARTEI von Belang - dass die Summe der staatlichen Zuwendungen an eine Partei "die Summe ihrer selbst erwirtschafteten Einnahmen nicht überschreiten" dürfe (sogenannte "relative Obergrenze").
Problem: Sogar Verlustgeschäfte generieren Einnahmen
Der Gesetzgeber nahm sich die Worte aus Karlsruhe zu Herzen und knüpfte die staatlichen Subsidien an die "Einnahmen", die eine Partei erzielt, § 18 Abs. 5 S. 1 Parteiengesetz (PartG). Mit "Einnahmen" sind nur Zuflüsse an Geld und geldwerten Vorteilen gemeint, ohne dass dabei die Aufwendungen abgezogen würden, die nötig waren, um die Einnahmen zu erzielen. Diese Methode, Einnahmen zu berechnen, führt dazu, dass auch Verlustgeschäfte sich einnahmesteigernd im Sinne von § 18 Abs. 5 S. 1 PartG auswirken können. Dies wäre nicht schlimm, wenn es nur darum ginge, festzustellen, wieviel Unterstützung eine Partei in der Bevölkerung genießt. Verlustgeschäfte tragen aber nicht dazu bei, die Partei von staatlichem Geld in einem gewissen Maß unabhängig zu halten, was eben Hauptzweck der relativen Obergrenze ist.
Problematisch ist zudem, dass auch solche Geschäftsmodelle die Einnahmen der Parteien steigern, die lediglich auf einen möglichst hohen Umsatz abzielen. Bahnbrechend war in dieser Hinsicht die Alternative für Deutschland (AfD), die im vergangenen Jahr etwas überraschend in den Goldhandel einstieg. Die AfD hatte ein ähnliches Problem wie Die PARTEI, nämlich große Wahlerfolge, die eigentlich entsprechend erfreuliche Summen staatlicher Fördergelder bedeuten würden, wenn es nicht die Kopplung an die selbst erwirtschafteten Einnahmen gäbe. Der Einstieg in den Edelmetallhandel versprach einen Ausweg, denn auch wenn Gold bekanntlich ein teures Gut ist, so brachten die Kunden mit dem Goldkauf zu marktüblichen Kursen kaum ein Opfer zugunsten der AfD. Sie tätigten vielmehr eine relativ sichere Wertanlage mit Gewinnchance, die sie zudem jederzeit leicht wieder zu Geld machen konnten. Die Umsätze aber schlugen bei der AfD als Einnahmen zu Buche und ermöglichten ihr so, mehr staatliche Zuschüsse zu realisieren.
System der Parteienfinanzierung der Lächerlichkeit preisgegeben
Über die Unterstützung der Partei in der Bevölkerung sagen diese Einnahmen also wenig aus, auch die Unabhängigkeit der AfD von staatlicher Unterstützung wurde kaum gefördert, aber dem Parteiengesetz entsprach diese Praktik und die Bundestagsverwaltung erkannte die Gold-Umsätze der AfD zähneknirschend als Einnahmen im Sinne der Vorschriften über die Parteienfinanzierung an.
Die PARTEI trieb dann das "Umsatz-gleich-Einnahme-Spiel" noch weiter und lancierte ihr "Euro-gegen-Euro-und-Postkarten-Modell". Die Bundestagsverwaltung signalisierte Pressemeldungen zufolge recht rasch, dass sie einer Anerkennung der Umsätze als Einnahmen sehr skeptisch gegenüberstehe. Doch sie sollte auch diese Kröte schlucken und die Umsätze anerkennen. Denn "Die PARTEI" hat zwar überdeutlich gemacht, welche absurden Folgen sich aus den geltenden Regelungen ergeben können. Aber ihr Geschäftsmodell entspricht diesen Regelungen.
* Anm. d. Red.: Sachliche Klarstellung am Tag der Veröffentlichung, 16:03 Uhr: die Versandkosten, die zunächst fälschlich als zuzüglich zu zahlen angegeben waren, wurden entfernt. Die Versandkosten waren im Kaufpreis enthalten.
2/2: Anerkennung der Einnahmen im Rechenschaftsbericht
Damit Zuflüsse als subventionssteigernde Einnahmen anerkannt werden können, müssen sie im Rechenschaftsbericht korrekt verbucht werden, den die Parteien für jedes Kalenderjahr beim Bundestagspräsidenten einzureichen haben. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Nach § 24 Abs. 4 Nr. 5 PartG könnten die Gelder als "Einnahmen aus Unternehmenstätigkeit" verbucht werden. Was eine "Unternehmenstätigkeit" in diesem Sinne darstellt, ist im Detail nicht sicher geklärt. Aber im Wesentlichen läuft es darauf hinaus, dass die Tätigkeit planmäßig, auf gewisse Dauer angelegt und mit Gewinnerzielungsabsicht verbunden sein muss. Der Euro-Versandhandel der Sonneborn-Mannschaft wurde gewiss planmäßig durchgeführt und war auch von hinreichender Dauer. Zweifeln mag man daran, ob eine ernstliche Gewinnerzielungsabsicht vorlag. Denn die direkte Gewinnmarge blieb ja nicht nur bei einem guten Promille, sondern eine geringe Gewinnspanne war auch im Vorhinein absehbar. Ob aber geringe Gewinnerwartungen bereits ausreichen, um die Absicht auszuschließen, Gewinne zu erzielen, ist fraglich. Jedenfalls liegt dann eine Gewinnerzielungsabsicht vor, falls man die absehbaren indirekten Gewinne mit einbezieht, die für Die PARTEI darin bestehen, dass ihre Ansprüche auf staatliche Finanzierung als Folge der "Kauf-Geld"-Aktion erheblich anwachsen.
Falls man die fraglichen Umsätze dennoch nicht als Einnahmen aus unternehmerischer Tätigkeit verbuchen möchte, könnten sie gemäß § 24 Abs. 4 Nr. 7 PartG als Einnahmen aus "sonstiger mit Einnahmen verbundener Tätigkeit" verbucht werden. Zwar wird teilweise verlangt, dass diese sonstigen Tätigkeiten einen politischen Charakter tragen, aber diese Hürde scheint nicht unüberwindlich, da ja zwei Postkarten mit politischen Motiven Teil des Angebots der Satirepartei sind und vor allem die ganze Aktion auch einen dezidiert politischen Charakter trägt. Als letzte Möglichkeit bliebe noch der Auffangtatbestand der sonstigen Einnahmen nach § 24 Abs. 4 Nr. 9 PartG, der die Einnahmen erfasst, die nirgends sonst verbucht werden können. Dies würde, weil sonstige Einnahmen nicht als Einnahmen iSv. § 18 Abs. 5 S. 1 PartG zählen, aber die Ansprüche von Die PARTEI auf staatliche Teilfinanzierung nicht erhöhen**.
Blickt man auf Sinn und Zweck der Bindung staatlicher Zuschüsse an die Einnahmen einer Partei, liegt auf der Hand, dass Geschäfte wie sie die AfD und Die PARTEI getätigt haben, die finanzielle Unabhängigkeit vom Staat nicht nur nicht fördern, sondern eher verstärken. Zugunsten von "Die PARTEI" lässt sich allerdings anführen, dass das von ihr angebotene Geschäft immerhin ein echtes finanzielles Opfer seitens der Bürger fordert, das anders als bei den Goldverkäufen der AfD auch nicht dadurch kompensiert werden kann, dass in Zukunft Gewinne möglich sind. Denn wirtschaftlich betrachtet muss ein Kunde von Die PARTEI fünf Euro Kaufpreis* aufwenden, um zwei Postkarten zu erwerben. In einem solchen Geschäft drückt sich jedenfalls politische Unterstützung aus.
Bundestagsverwaltung im Dilemma
Im Übrigen ist auch bei den Einnahmen aus Unternehmenstätigkeit anderer, etablierter Parteien nicht gesagt, dass hinter den im Rechenschaftsbericht verbuchten Zahlen auch Überschüsse stehen. Schon gar nicht weiß man, in welcher Höhe dies der Fall ist. Sollte die Bundestagsverwaltung also die Einnahmen von Die PARTEI aus ihrer "Kauf kein' Scheiß, kauf Geld"-Kampagne nicht anerkennen, wäre dies auch gemessen an der Gleichheit der Parteien und des politischen Wettbewerbs sehr problematisch.
Rechtspolitisch bleibt es allerdings dabei, dass die betreffenden Regeln des Parteiengesetzes dringend geändert werden müssen. Als Einnahmen, die aus unternehmerischer Tätigkeit, aus Veranstaltungen, aus verlegerischer Tätigkeit und aus sonstigen mit Einnahmen verbundenen Aktivitäten von der Partei selbst erwirtschaftet wurden (§ 24 Abs. 4 Nr. 5 und 7 PartG), dürften nur die Überschüsse aus diesen Tätigkeiten zählen. Zudem muss auch an die besonderen Schwierigkeiten neuer Parteien gedacht werden. Denn fehlende selbst erwirtschaftete Mittel, die dafür sorgen, dass staatliche Zuwendungen gekürzt werden, sind ein typisches Problem erfolgreicher junger Parteien.
Als Beispiel kann, neben AfD und Die Partei, auch die Piratenpartei dienen. Um eine Verzerrung des politischen Wettbewerbs zugunsten der etablierten Parteien zu vermeiden, könnte man an eine Karenzzeit für Parteien denken, die das erste Mal staatliche Zuwendungen erhalten. Sie würden dann für einige Jahre von der relativen Obergrenze befreiet, um ihnen Zeit zu geben, eigene Strukturen aufzubauen, mit deren Hilfe sie eigene Mittel erwirtschaften können. Eine solche Neuregelung würde dann auch weniger Trefferfläche für satirische Pfeile bieten.
Der Autor Dr. Sebastian Roßner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Rechtstheorie und Rechtssoziologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
* Anm. d. Red.: Sachliche Klarstellung am Tag der Veröffentlichung, 16:03 Uhr: die Versandkosten, die zunächst fälschlich als zuzüglich zu zahlen angegeben waren, wurden entfernt. Die Versandkosten waren im Kaufpreis enthalten.
** Anm. d. Red. Satz naträglich eingefügt zur Klarstellung am 15.10.2015, 15:06 Uhr.
Sebastian Roßner, Die PARTEI führt Parteienfinanzierung ad absurdum: Geld für Geld vom Staat . In: Legal Tribune Online, 14.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17176/ (abgerufen am: 08.06.2023 )
Infos zum Zitiervorschlag