Mietspiegel, Wohnfläche, Kostenumlage: Der Entwurf eines zweiten Mietrechtspakets will Unsicherheiten aus dem Weg schaffen. Das ist grundsätzlich gut, meint Dominik Schüller. Nur könnte sich das Gesetz auch als Investitionskiller entpuppen.
Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat den Entwurf eines zweiten Mietrechtsnovellierungsgesetzes erarbeitet. Nachdem bereits über den Vorgänger aus 2015 zwischen den Interessenvertretern heftig gestritten wurde, werden die aktuellen Vorschläge zur Änderung des Mietrechts voraussichtlich deutlich mehr praktische Auswirkungen haben – insbesondere zulasten von Vermietern.
Vor allem die Erweiterung des Bezugszeitraumes für qualifizierte Mietspiegel, die Absenkung der zulässigen Modernisierungserhöhung von elf auf acht Prozent und die Einführung einer Modernisierungskappungsgrenze stellen wegen der wirtschaftlichen Konsequenzen politisch brisante Inhalte dar. Nicht umsonst werden die bereits im Koalitionsvertrag angelegten Änderungen erst zum Ende der Legislaturperiode verabschiedet.
Gentrifizierungsängste und Flüchtlingszuzug verstärken den politischen Druck für kurzfristige Lösungen für den Wohnungsmangel in Ballungsräumen. Konsens besteht darin, dass langfristig nur Neubau bei vertretbaren Baukosten zu sozial verträglichen Mieten führt. Nachdem die mit dem ersten Mietrechtsnovellierungsgesetz eingeführte Mietpreisbremse sich als wenig effektiv erwiesen und auch das Bestellerprinzip nicht zur Mietpreissenkung geführt hat, wird nun ein wirksameres Paket geschnürt.
Mietspiegel mit der Wirkung eines Sachverständigengutachtens
Mieterhöhungen werden häufig auf Basis qualifizierter Mietspiegel durchgeführt. Gerichtlich und von Fachleuten geführte Streitigkeiten über deren wissenschaftliche Aufstellungsstandards haben in der Vergangenheit bei Mieterhöhungen zu Rechtsunsicherheit auf Mieter- und Vermieterseite geführt. Hierbei einzuhaltende Grundsätze will der Gesetzgeber klarer regeln und zusätzlich eine Mietspiegelverordnung mit detaillierten Angaben zur statistischen Datenermittlung und Bewertung erlassen.
Zusätzlich soll der Datenbezugszeitraum für die Mietspiegelerstellung von 4 auf 8 Jahre erweitert werden. Verlangsamter Anstieg und temporäre Stagnation der Mietspiegelmieten sind hierdurch absehbar und entsprächen gerade dem politisch gewünschten Ziel. An einer rechtssicheren Datengrundlage haben hingegen sowohl Mieter als auch Vermieter ein Interesse.
Hervorzuheben ist, dass ein nach den gesetzlichen Vorgaben erstellter Mietspiegel in Zukunft die Wirkung eines Sachverständigengutachtens haben und als Schätzgrundlage für Richter dienen soll. Hierfür muss er lediglich von je einer Mieter- und Vermieterinteressenvertretung anerkannt worden sein. Ganz offensichtlich sollen Mietspiegel gestärkt und schwerer angreifbar gemacht werden. Die Neuregelungen scheinen hierfür – ungeachtet der politisch streitbaren Zwecksetzung – geeignet.
Mieterhöhung nach Modernisierung stark begrenzt
Bei nach Modernisierungen zulässigen Mieterhöhungen sind erhebliche Einschränkungen auf Vermieterseite geplant. Auch wegen gesunkener Hypothekenzinsen sollen in Zukunft statt elf lediglich acht Prozent der Modernisierungskosten umlagefähig sein. Flankiert wird dies durch eine starre Kappungsgrenze von drei Euro pro Quadratmeter innerhalb eines Zeitraums von 8 Jahren. Zudem sollen lediglich solche Kosten umlagefähig sein, die ein auch selbst nutzender Eigentümer aus wirtschaftlicher Sicht verursacht hätte. Mieter sollen überdies hinaus wirtschaftliche Härte einwenden können, wenn sie mehr als 40 Prozent ihres Nettoeinkommens für Miete und Heizkosten aufwenden müssten.
Bislang sind Härtefälle nicht gesetzlich geregelt. Es ist offensichtlich, dass diese Änderungen vermieterseitig zu einer ganz erheblichen Einschränkung bei Modernisierungsmieterhöhungen führen. Insbesondere bei Vermietern mit wenig Immobilienbestand kann dies zu einer deutlichen Reduzierung von Modernisierungsinvestitionen beziehungsweise einem verstärkten Trend zur Umwandlung in Eigentumswohnungen oder Verkauf an große Vermietungsgesellschaften führen.
Ein Vermieter kann bereits heute bei einer Entscheidung über Modernisierungsmaßnahmen nicht sicher kalkulieren, in welcher Höhe er die entstehenden Kosten durch Mieten refinanzieren können wird. Denn personenbezogene Parameter auf Mieterseite, wie etwa Einkommen oder Heizkosten, sind ihm in der Regel unbekannt. Weiter gilt § 555d Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Sämtliche Härtegründe müssen Mieter ihrem Vertragspartner binnen eines Monats mitteilen, sofern sie ausreichend vom Vermieter hierauf hingewiesen worden sind.
2/2: Modernisierungslust soll eingedämmt werden
Die gewünschten politischen Ziele werden durch die Änderungen sicherlich in großem Umfang erreicht. Extreme Mietsteigerungen, die – mitunter auch mit dieser Zielsetzung – zur Verdrängung angestammter Mieter führen können, werden durch Kappungsgrenze und 40-Prozent-Härteregelung gerichtlich angreifbarer und damit unattraktiver. Ganz verschwinden werden sie jedoch nicht.
Die Wirtschaftlichkeitsanforderung aus Vermietersicht kann hingegen zu Unsicherheit auf beiden Seiten führen, wird in der Praxis aber eine untergeordnete Bedeutung haben. Immerhin ist damit der Vorschlag einer zwingenden Rentabilitätsberechnung vom Tisch. Als kleines Trostpflaster plant der Gesetzgeber Erleichterungen bei kleineren Modernisierungen von Privatvermietern mit einem Volumen von unter 10.000 Euro.
Insgesamt werden die Anforderungen an die rechtliche Betreuung einer Modernisierung weiter ansteigen und insbesondere für Privatvermieter eine Hürde darstellen. Die Praxis wird zeigen, ob die Änderungen sich zu einem Investitionskiller entwickeln oder ob lediglich extreme, zu Verdrängung führende Modernisierungen verhindert werden.
Unklarheiten aus der Rechtsprechung berücksichtigt
Nach neuer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sind bei Mieterhöhungen und bei der Betriebskostenumlage die tatsächliche und nicht die mietvertraglich vereinbarte Wohnfläche maßgeblich. Zuvor galt dies erst bei Abweichungen über 10 Prozent. Seitdem stellt sich die Frage, ob diese Grenze in einem Fall vor dem BGH auch für Mietminderungen aufgegeben würde. Die geplante Gesetzesänderung behält diese Grenze ausdrücklich bei. Dies ist richtig und vor allem lebensnah, da Wohnungen primär aufgrund von Zimmeranzahl und besichtigtem Zustand angemietet werden.
Mietern soll es dem Entwurf nach auch ermöglicht werden, eine ordentliche Kündigung wegen Mietrückstand nachträglich und vollständig zu heilen. Bislang ist lediglich geregelt, dass nur der vollständige Ausgleich der Mietschulden eine fristlose Kündigung rückwirkend außer Kraft setzt. Für die im Regelfall gleichzeitig erklärte ordentliche Kündigung war dies streitig. Rechtsunsicherheit bei Räumungsklagen war die Folge. Die Neuregelung vermeidet ungerecht erscheinende Ergebnisse künftig.
Erfolgversprechender als das erste Mietpaket
Anders als das erste Mietrechtsnovellierungsgesetz können die Änderungen des zweiten Entwurfs tatsächlich Auswirkungen auf den Immobilienmarkt haben. Ob man die Regelungen für sinnvoll hält oder nicht, bleibt eine Frage des Blickwinkels. Vermieter und deren Interessenvertretungen werden vehement gegen die vorgeschlagenen Änderungen protestieren, insbesondere gegen diejenigen bei den Mieterhöhungen.
Wichtig ist jedoch, die Vermietung von Wohnraum durch gesetzliche Änderungen nicht zu unattraktiv zu gestalten. Denn was der Mietimmobilienmarkt am wenigsten vertragen kann, ist eine weitere Verknappung des Mietangebotes durch Umwandlungen von vormals vermieteten Räumlichkeiten in Eigentumswohnungen. Erfahrungen aus europäischen Nachbarländern zeigen, dass dies dauerhaft weder zu niedrigeren Mieten noch zu einer Erhöhung des Wohnangebots führt.
Der Autor Dominik Schüller ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in der Immobilienrechtskanzlei SAWAL Rechtsanwälte & Notar in Berlin und twittert zu immobilienrechtlichen Fragen.
Dominik Schüller, Entwurf des zweiten Mietrechtsnovellierungsgesetzes: Das Ende der Mieterhöhung nach Modernisierung? . In: Legal Tribune Online, 19.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19130/ (abgerufen am: 27.04.2024 )
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