Examen bei 30 Grad – die Bedingungen sind nicht nur in Köln ein Problem. Sie wehren sich gegen die Bezeichnung von Gustav Radbruch als konservativ. Und eine unserer Überschriften könnte es in den Hohlspiegel schaffen.
Hier finden Sie eine kleine Auswahl von Leserbriefen, die uns in der vergangenen Woche erreicht haben. Weiteres Feedback zum Abschalten der Kommentarfunktion bei lto.de haben wir dabei nicht mehr aufgenommen.
Die Auswahl ist nicht repräsentativ für das Leserecho. Wir nehmen ausdrücklich auch kritische Reaktion auf, das ist schließlich der Sinn von Feedback. Unsere Leserbrief-Richtlinien finden Sie hier.
Streit um Klausurbedingungen am OLG Köln: Examen bei 30 Grad?
Nächste Woche beginnen in NRW die Klausuren zum zweiten Staatsexamen. Eine Gruppe lokaler Referendare sieht sich benachteiligt, weil andere Prüflinge am Nachbarstandort im Gegensatz zu ihnen in klimatisierten Räumen schreiben werden.
Von: Referendare M-V (ausnahmsweise trotz Anonymisierung veröffentlicht, da wir ausdrücklich um Informationen gebeten hatten, ohne auf unsere Leserbrief-Bedingungen hinzuweisen)
Auch in Mecklenburg-Vorpommern deuten sich ähnliche Prüfungsbedingungen für die Klausuren zum 2. Staatsexamen an. Seit Wochen herrschen in Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls Temperaturen um die 30 Grad Celsius. Ab Donnerstag beginnen auch hier die Klausuren. An beiden Standorten - Rostock und Stralsund – wird jeweils in Räumlichkeiten ohne Klimaanlage geschrieben. Eine "Hitzeschlacht" droht. Die Räume sind durch die letzten Tage stark aufgeheizt.
Insbesondere für Referendare, welche im historischen Plenarsaal des OLG Rostocks schreiben, könnte es sehr unangenehm werden. Denn der Raum ist aufgrund seiner exponierten Lage Richtung Süden den ganzen Tag der Sonne ungehindert ausgeliefert und besitzt eine große Glasfront, die sich erheblich aufheizt. Dies war bereits zum Probeexamen Anfang April der Fall, wo in jenem Raum eine stickige und warme Luft herrschte, obwohl die Temperaturen weit niedriger waren als derzeit. Nur, dass es dieses Mal um die Zukunft der Referendare geht. Ein Lüften während der Prüfung ist in diesem Raum fast unmöglich. Die große Fensterfront lässt sich nicht öffnen. Ein Lüften ist lediglich durch eine kleine Seitentür möglich. Dies funktionierte schon Anfang April nicht richtig. Hinzu kommt, dass sich das OLG an einer der Hauptverkehrsstraßen Rostocks befindet - an welcher im Übrigen aktuell Baumaßnahmen stattfinden -, sodass selbst das Lüften durch die Seitentür nicht möglich sein wird, da dann Lärmbelästigungen drohen.
Auch am Prüfungsstandort in Stralsund werden sich ähnliche Situationen abspielen. Denn dort wird ebenfalls in einem nicht klimatisierten Raum mit einer vollverglasten Fensterfront geschrieben. Dort sollen bereits beim Examen vor einem Jahr Raumtemperaturen um die 30 Grad geherrscht haben, obwohl die Außentemperaturen letztes Jahr nicht so hoch waren wie dieses Jahr.
Das LJPA sieht auf Nachfrage mehrerer Referendare hingegen keine Veranlassung zum Handeln. In einer Antwort heißt es lediglich: "Die Wettervorhersage für die prüfungsrelevanten Tage prognostiziert Temperaturen, die sich im üblichen sommerlichen Bereich bewegen, und nicht über 30 Grad Celsius hinausgehen, sondern sich im Bereich zwischen 21 und 25 Grad bewegen werden."
Dabei verkennt das LJPA jedoch, dass selbst bei einer Außentemperatur von 25 Grad Celsius keine Abkühlung der Räumlichkeiten zu erwarten ist und für die Prüflinge Temperaturen über 26 Grad Celsius anherrschen werden, weil sich die Räume durch die Sonneneinstrahlung aufheizen werden. Damit kann nicht von optimalen Prüfungsbedingungen gesprochen werden, obwohl die Klausuren derart gewichtig sind für die berufliche Zukunft der angehenden Volljuristen.
Wir bitten um eine Veröffentlichung auf Ihrer Seite, um die derzeitige Situation aufzuzeigen und das LJPA eventuell doch noch zum Handeln zu bewegen, da die derzeitigen Bedingungen nicht hinnehmbar sein können.
Anwaltspostfach, nächste Runde: Sollte das beA noch später kommen?
Seit bekannt wurde, dass das beA im September live gehen soll, obwohl die Vertraulichkeit der Nachrichten bedroht ist, mehrt sich Kritik. Anwälte fürchten Haftungsrisiken, die BRAK will das durchziehen. Doch sie braucht die Anwaltskammern.
Von: Dr. Sylvia Kaufhold, Rechtsanwältin, Maitre en droit
Vielen Dank für Ihren erneut sehr instruktiven Beitrag zum jetzt wieder drohenden Neustart eines weiterhin unausgereiften beA. Die hektische Betriebsamkeit um das Datum und die technischen Einzelheiten des Neustarts vernebeln das aus praktischer sowie berufs-, prozess- und verfassungsrechtlicher Sicht entscheidende Problem. Es geht um die passive Nutzungspflicht. Diese sollte unbedingt weiter ausgesetzt bleiben, bis sich das System wirklich auf breiter Basis bewährt hat. Und das kann es nur als freiwillige Lösung. Erst wenn sich ein Großteil der Anwaltschaft freiwillig angeschlossen hat, werden auch Skeptiker folgen. Erst dann ist auch die Zumutbarkeit dieses "Anschluss- und Benutzungszwangs" rechtlich belastbar indiziert. Gerade vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Absegnung des beA durch BGH und BVerfG und dem noch laufenden Verfahren zur Verschlüsselungsfrage.
Ein baldiger Neustart ohne Nutzungspflicht wäre daher die eleganteste sowie praktisch und rechtlich unverfänglichste Lösung. Eine Änderung der ZPO ist dafür nicht nötig. § 171 Abs. 3 S. 4 iVm Abs. 1 und § 130a Abs. 4 ZPO kann nicht zur Begründung einer passiven Nutzungspflicht dienen, da das BeA dort nur als eines von mehreren sicheren Übermittlungswegen genannt ist. Es genügt z.B. auch De-Mail und EGVP-Postfach. Außerdem steht der Grundsatz der Empfangsbereitschaft (Annahmewille; vgl. MüKoZPO/Häublein ZPO § 174 Rn. 6-7) einer nur passiven Nutzungspflicht ohne aktive (erklärte) Teilnahme- und Empfangsbereitschaft nicht nur aus praktischen, sondern auch aus dogmatisch-konstruktiven Gründen entgegen. Zu Recht weißt daher Siegmund (NJW 2017, 3134, 3135 aE) darauf hin, dass sich wegen des vom beA generierten elektronischen Empfangsbekenntnisses faktisch "– etwas unbemerkt – bereits ab 1.1.2018 eine aktive Nutzungspflicht zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr" ergibt.
Zur Behebung all dieser – kostenpflichtigen – Unsicherheiten, die schon bisher für die Anwaltschaft eine unsägliche Zumutung bedeuten, würde eine einfache gesetzgeberische Klarstellung genügen. Entsprechend der bisherigen Regelung in § 31 RAVPV müsste lediglich bei § 31a Abs. 6 BRAO ergänzt werden, dass die dort normierte Nutzungs- und Kenntnisnahmepflicht erst ab einer ausdrücklichen Teilnahmeerklärung oder zumindest einer wie immer gearteten technischen Freischaltung durch den Postfachinhaber gilt. Letztere wird aus praktischen Gründen ohnehin erforderlich sein. Damit wäre dann auch das Problem der Empfangsbereitschaft beim elektronischen Empfangsbekenntnis gelöst.
Interview zur taz-Anleitung, um Abschiebungen zu verhindern: "Für strafrechtliche Ermittlungen nicht konkret genug"
Mit einer "Anleitung zum Ungehorsam" erklärt die taz, "wie ziviler Ungehorsam gegen Abschiebungen funktioniert". Diesen Aufruf, geltendes Recht zu brechen, hält Jannik Rienhoff nicht für strafbar. Und verweist gar auf Gustav Radbruch.
Von: Mark Stöhr, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht
Es ist schon eine Weile her, dass ich den Aufsatz von Gustav Radbruch gelesen habe, in dem er rechtfertigt, unter bestimmten Voraussetzungen müsste geltendes Recht nicht beachtet werden, bestünde eventuell sogar die Verpflichtung, Recht nicht zu beachten. Ich meine, es handelt sich um ein Nachwort zu einer Nachkriegsauflage seiner Rechtsphilosophie. Er hat dies unter dem Eindruck der Perversion des Rechts durch die Nationalsozialisten geschrieben. Parallelen zu unserer heutigen Rechtslage zu ziehen halte ich für sehr problematisch!
Herrn Radbruch, der in der Weimarer Zeit für die SPD im Reichstag saß und Justizminister war, als "konservativen Rechtstheoretiker" zu bezeichnen, wird weder Herrn Radbruch noch der SPD gerecht!
Von: Thomas Dancker, Richter am Amtsgericht
Dass Herr Dr. Rienhoff den Sozialdemokraten, Antifaschisten und engagierten Strafrechtsreformer Gustav Radbruch als "konservativen Rechtstheoretiker" bezeichnet, ist schon ein starkes Stück. Radbruch hat 1913 an der Beisetzung von August Bebel in Zürich teilgenommen, ist 1918, als das für Beamte möglich wurde, sofort der SPD beigetreten, hat sich 1920 in Kiel aktiv den Kapp-Putschisten entgegengestellt, was ihn fast das Leben gekostet hätte, hat als Juraprofessor in Heidelberg zur Solidarität mit der Arbeiterbewegung aufgerufen, hat sich stets zur Weimarer Verfassung bekannt und wurde 1933 als erster deutscher Universitätsprofessor von den Nazis wegen politischer Unzuverlässigkeit entlassen. Vor allem aber hat er mit seiner 1932 erschienenen Rechtsphilosophie ein engagiertes Bekenntnis zu Demokratie und Humanität abgelegt. Radbruch hat eine bessere Würdigung verdient als die zumindest irreführende Bezeichnung als "Konservativer".
Von: Richard Heinrichs, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Ich mag Eure Beiträge und finde sie immer sehr neutral und professionell. Diesmal finde ich aber, Ihr hättet ausnahmsweise "den Kopf zumachen" sollen, anstatt mit diesem Artikel und der zusätzlich provokativen Überschrift (eine klare Antwort gibt der Artikel ja nicht) den von Euch selber beklagten Hass in der öffentlichen Diskussion anzuheizen. Ich glaube, wir haben zur Zeit genug Medien, die mit unklarer Faktenlage propagieren und damit Rechtspopulisten in die Hände spielen.
Das stumpfe Schwert der Immunität: UN lässt eigenen Richter hängen
Aydin Sefa Akay war bis zu seiner Festnahme in der Türkei mehr als zehn Jahre Richter an Gerichten der UN und genoss völkerrechtliche Immunität. Dabei handelt es sich anscheinend um ein völlig stumpfes Schwert, meint Eike Fesefeldt.
Von: Daniel Grosse, Journalist & Jurist
Diese Überschrift ist reif für den HOHLSPIEGEL.
Von: Jochen Winter
Ich freue mich in aller Regel stets über Ihre Berichterstattung. Abgesehen von aktuellen Geschehnissen ist auch die Beleuchtung der Rechtsgeschichte (s. Martin Rath) immer wieder spannend und lehrreich.
Heute aber muss ich scharfe Kritik üben.
Die Überschrift "UN lässt eigenen Richter hängen" ist entweder grob fahrlässig durch gedankenloses Schreiben zustande gekommen oder ist ein Clickbaiting-Wortspiel, das Ihrer Seite nicht würdig ist.
Leserbriefe an LTO: Ihre Kommentare in KW 31 . In: Legal Tribune Online, 04.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30155/ (abgerufen am: 14.05.2024 )
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