Mit der Plakataktion "Tippen tötet" will die Landesverkehrswacht Niedersachsen vor den Gefahren der Handy-Nutzung am Steuer warnen. Was genau ist eigentlich verboten? Ändert eine Handy-Halterung etwas? Und was, wenn der Wagen eine Start-Stopp-Automatik hat? Verkehrsrechtler Adolf Rebler mit Rechtswissen, das Leben retten kann.
5 Sekunden weg geschaut bei 100 km/h: 140 Meter Weg
Nicht immer muss die Benutzung eines Mobiltelefons am Steuer so tragisch enden wie nach einem Bericht von RP Online im Fall der Amerikanerin Courtney Ann Sanford. Sie hörte beim Autofahren den Superhit "Happy" von Pharrell Williams und wollte ihren Facebook-Freunden mitteilen, wie glücklich der Song sie macht. Um 8.33 Uhr tippte sie die Nachricht in ihr Handy ein. Eine Minute später war die 32-Jährige tot. Sie verlor die Kontrolle über ihren Wagen, geriet über den Mittelstreifen auf die Gegenfahrbahn und kollidierte dort mit einem Lastwagen.
Schon eine kurze Ablenkung kann gefährlich werden: Wer bei einem Tempo von 50 km/h auch nur 5 Sekunden lang beispielsweise auf sein Handy schaut, legt in dieser Zeit schon 70 Meter zurück, bei 100 km/h ist es mit 140 Metern schon das Doppelte. Auf so viel Weg kann viel passieren.
Nach einer Studie des Tech Transportation Institute im US-Bundesstaat Virginia aus dem Jahre 2009 erhöht sich das Unfallrisiko beim Wählen einer Nummer im Pkw um das 2,8-fache, beim Telefonieren um das 1,3-fache und beim Griff zum Handy um das 1,4-fache. Beim Lkw sind die Werte noch höher: Die Unfallgefahr steigt beim Wählen auf das 5,9-fache, beim Telefonieren auf das 6,7-fache und beim Schreiben einer SMS auf das 23,2-fache.
2/7: StVO 2001: Der Fahrer soll die Hände frei haben
Das Verbot der Handynutzung im Straßenverkehr gibt es seit dem Jahr 2001. Damals wurde der Absatz 1a in die Vorschrift des § 23 Straßenverkehrsordnung (StVO) eingefügt: "Dem Fahrzeugführer ist die Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält. Das gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist." Bis auf eine sprachliche Korrektur gilt diese Vorschrift bis heute unverändert.
Es war damals wohl gar nicht so sehr die Gefahr der Ablenkung, die den Verordnungsgeber zu dem Verbot bewogen hat. Vielmehr sollte gewährleistet sein, dass "der Fahrzeugführer während der Benutzung des Mobil- oder Autotelefons beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hat".
Im Übrigen sollte es aber "der Verantwortung des Fahrzeugführers überlassen bleiben, ob er in Kenntnis der auch dann noch bestehenden Risiken der mentalen Überlastung und Ablenkung von der eigentlichen Fahraufgabe ein Telefongespräch führt." Nach der Schätzung des Verordnungsgebers gab es damals rund 20 Millionen Mobiltelefone. Heute ist es beinahe das Sechsfache.
3/7: Beweglich und zur Kommunikation geeignet
Eine Legaldefinition des Mobiltelefons gibt es nicht. Grundsätzlich ist darunter ein bewegliches Kommunikationsgerät zur Übertragung von Tönen, insbesondere von Sprache mittels elektrischer Signale zu verstehen. Erfasst sind vor allem tragbare Telefone, (Mobiltelefone, Gegensprechverfahren) und in Fahrzeuge eingebaute Wechselsprechgeräte. Auch ein Walkie-Talkie ist ein Mobilfunkgerät (Amtsgericht Sonthofen, Beschl. v. 15.06.2010, Az. OWi 144 Js 5270/10).
Das Telefonieren muss übrigens nicht Hauptfunktion des Geräts sein. Ausschlaggebend ist, dass die Möglichkeit sprachlicher Kommunikation zumindest auch gewährleistet.
Weitere Funktionen ändern daran nichts. So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe schon im Jahr 2006, dass auch ein Palm-Organizer ein Mobiltelefon und seine Benutzung am Steuer damit verboten ist (Beschl. v. 27.11.2006 – 3 Ss 219/05).
Begrenzt sinnvoll einsetzbar, aber bereits gerichtlich entschieden: Das Mobilteil des zu einem Festnetzanschluss gehörenden schnurlosen Telefons ist kein Mobiltelefon in diesem Sinne (OLG Köln, Beschl. v. 22.10.2009, Az.82 Ss-OWi 93/09), ebenso wenig eine Freisprecheinrichtung (OLG Bamberg, Beschl. v. 05.11.2007, Az. 3 Ss OWi 744/07, 3 Ss OWi 744/2007).
4/7: Verboten: Hochnehmen, -halten und irgendwas damit tun
Das Verbot der Benutzung eines Mobiltelefons soll nach dem Willen des Verordnungsgebers neben dem Gespräch im öffentlichen Fernsprechnetz auch sämtliche anderen Bedienfunktionen erfassen.
Verboten sind damit das Anwählen, die Versendung von Kurznachrichten, das Abrufen von Daten im Internet und eigentlich alles, was man heutzutage mit seinem Smartphone so macht.
Die Speicherung, Verarbeitung und Darstellung von Daten ist ebenso unzulässig wie die Nutzung der Funktion des Gerätes als Navigationshilfe (OLG Köln, Beschl. v. 26.06.2008, Az. 81 Ss-sowie 49/08; OLG Hamm, Beschl. v. 18.02.2013, Az. III-5 RBs 11/13, 5 RBs 11/13).
Das erfasst auch das Ablesen der Uhrzeit (OLG Hamm, Beschl. v. 06.07.2005, Az. 2 Ss OWi 177/05) oder die Benutzung der Organisatorfunktion (OLG Hamm, Beschl. v. 25.11.2002, Az. 2 Ss OWi 1005/02).
Auch während der Vor- oder Nachbereitungsphase eines Telefonats bzw. einer SMS liegt eine Benutzung des Mobiltelefons vor. Zur Benutzung beim Abschluss eines Telefonats in diesem Sinne gehört auch die Rückkehr in dessen Ruhe- oder Bereitschaftszustand. Auch das Durchlaufen der Menüpunkte des Displays bis zum Weglegen des Gerätes ist also rechtswidrig (AG Ratzeburg, Urt. v. 12.11.2004, Az. 6 OWi 364/04).
Entscheidend für das Verbot soll unter Berufung auf den Wortlaut der Vorschrift sein, dass der Fahrer das Mobiltelefon in der Hand hält (OLG Hamm, Beschl. v. 06.07.2005, Az.2 Ss OWi 177/05).
Es genügt also, dass der Fahrzeugführer das Gerät zur Vorbereitung eines Gesprächs ans Ohr hält (OLG Hamm, Beschl. v. 20.04.2007, Az. 2 Ss OWi 227/07) oder nur, um den Signalton anzuhören zur Kontrolle, ob das Handy abgeschaltet ist (OLG Hamm, Beschl. v. 28.12.2006 – 2 Ss OWi 805/06). Ebenso verboten ist es, das Mobiltelefon während der Fahrt an sein Ohr zu halten, um dort gespeicherte Musikdateien abzuhören (OLG Köln, Beschl. v. 12.08.2009 – 83 Ss-OWi 63/09).
Auch wer die im Gerät befindliche Telefonkarte hin– und herschiebt, um das Telefon funktionsfähig zu machen, verhält sich rechtswidrig (OLG Hamm, Beschl. v. 23.01.2007, Az. 2 Ss OWi 25/07).
Nach dem OLG Köln (Urt. v. 09.02.2012, Az. III-1 RBs 39/12, 1 RBs 39/12) benutzt ein Mobiltelefon auch, wer das Gerät aufnimmt und es nach Ablesen der Telefonnummer des Anrufers ausschaltet, diesen also "wegdrückt".
Sehr weit geht eine Entscheidung des AG Lüdinghausen (Urt. v. 17.02.2014, Az. 19 OWi - 89 Js 86/14 - 14/14, 19 OWi 14/14). Danach liegt ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO schon vor, wenn der Betroffene ein auf der Ablage vor seiner Windschutzscheibe liegendes Handy, welches aufblendet, um anzuzeigen, dass der Akku aufgeladen werden muss, wegen der Blendung beim Fahren in die Hand nimmt, darauf schaut und es dann zur Seite legt, um eine weitere Blendung zu vermeiden.
5/7: Erlaubt ist: Nur mal kurz wegräumen oder wärmen
Dieser weit gefassten Begriffsdefinition wird entgegengehalten, dass beim bloßen Blick auf das Display noch keine Bedienfunktion verwendet wird und somit auch keine Benutzung im Sinne der Ausführung einer Schalterfunktion vorliegt.
So soll ein Mobiltelefon auch noch nicht in diesem Sinne "benutzen", wer das Gerät nur aufnimmt, um es von einem Ablageort an einen anderen zu legen (OLG Köln, Beschl. v. 23.08.2005 - 83 Ss-OWi 19/05).
Eher selten missbraucht man sein Handy wohl als Wärmeakku . Ginge aber in Ordnung, wenn es denn die Wahrheit wäre, meint das OLG Hamm (Beschl. v. 13.09.2007 – 2 Ss OWi 606/07). Dem Durchschnittsverbraucher hilft es auch eher wenig, dass der Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz während der Ausbildungsfahrt mit seinem Handy telefonieren darf (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.07.2013, Az. IV-1 RBs 80/13, 1 RBs 80/13).
6/7: Zweifelsfälle: Handyhalterung und Start & Stopp
Praxisrelevant ist die Befestigung des Mobiltelefons an der Windschutzscheibe mithilfe einer Handyhalterung. Nach dem Wortlaut, aber auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes ist die Benutzung des Mobiltelefons dann zulässig, da das Handy an der Scheibe hängt und gerade nicht in die Hand genommen oder gehalten wird.
Ähnlich verhält es sich, wenn man über Kopfhörer telefonieren würde. Zwar hält man dann das Handy nicht in der Hand, aber auch das Gehör des Fahrers darf nicht beeinträchtigt sein (§ 3 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung). Wer Kopfhörer benutzt, ist nach Ansicht des OLG Köln aber "künstlich schwerhörig" und damit nicht in der Lage, ein Kfz zu führen (Beschl. 20.02.1987, Az. Ss 12/87). Selbst wenn man diese Begründung im Jahr 1987 hätte für tragfähig halten wollen, dürfte sie bei der Benutzung von Kopfhörern im Jahr 2014 nicht mehr haltbar sein.
Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 23 StVO und der absolut herrschenden Meinung gilt das Verbot der Benutzung eines Mobiltelefons nur dann nicht, wenn das Fahrzeug steht und zusätzlich bei Kfz der Motor ausgeschaltet ist. Bei einem kurzfristigen verkehrsbedingten Anhalten, also etwa an einer Rotlicht zeigenden Ampel, entfällt das Verbot der Handybenutzung also nicht, entschied das OLG Celle schon vor fast 10 Jahren (Beschl. v. 24.11.2005, Az. 211 Ss 111/05 (OWiz).
Start&Stopp-Automatik gehörte im Jahr 2005 sicherlich noch nicht zur Standardausstattung. Man darf sich fragen, wie ein Gericht im Jahr 2014 über die Handynutzung an der roten Ampel bei (automatisch) abgeschaltetem Motor urteilen würde. Legt man zugrunde, dass nur dann, aber eben auch immer dann das durch Ablenkung vom Verkehrsgeschehen hervorgerufene Gefährdungspotenzial beseitigt ist, wenn der Motor nicht läuft, dürfte das Verbot nicht greifen.
7/7: Die Sanktionen: 60 Euro plus ein Punkt
Ein Verstoß gegen das Handyverbot am Steuer wird seit dem 1. Mai richtig teuer: Das Bußgeld für die verbotswidrige Nutzung eines Mobiltelefons beim Führen eines Kfz wurde von 40 auf 60,- € erhöht. Gleichzeitig darf sich der Fahrer noch über einen Punkt in Flensburg freuen.
Der Verstoß muss allerdings auch nachweisbar sein, also in der Regel von Polizeibeamten beobachtet werden.
Dafür reicht jedenfalls nicht die Angabe eines Zeugen, dass der Betroffene eine "typische Handbewegung" vorgenommen habe (Thüringer OLG, Beschl. v. 27.08.2013, Az. 1 Ss Rs 26/13 (63), 1 Ss Rs 26/13).
Erwischt zu werden ist ärgerlich. Aber es ist ein harmloses Ärgernis im Vergleich zu der Gefahr, die man selbst schafft, wenn man am Steuer das Handy benutzt. Schließlich ist niemand so wichtig, dass er noch im Auto 148 Mails checken muss. Es kann vielleicht nicht die Welt, aber sicher Leben retten, mit dem Mailcheck zu warten, bis man ausgestiegen ist.
"Tippen tötet": Was am Steuer verboten ist . In: Legal Tribune Online, 30.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12131/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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